Leben ohne Maske. Knut Wagner
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Leben ohne Maske - Knut Wagner страница 10

Название: Leben ohne Maske

Автор: Knut Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

Серия:

isbn: 9783957163080

isbn:

СКАЧАТЬ an der Waage gewesen sei, sagte Lüttke, für den es nur zum zweiten Preis gereicht hatte. „Wenn er nicht für dich gestimmt hätte, hätte ich die Nase vorn gehabt“, konstatierte er etwas beleidigt.

      „Doktor Schütt scheint mein Glücksbringer zu sein“, sagte Wolfgang. Nach seinem Reinfall an der Schauspielschule in Schöneweide hatte er sich in einem Anflug von Verzweiflung und Größenwahn an der Uni in Jena beworben und war im April 1967 zu seiner Überraschung zur Eignungsprüfung eingeladen worden.

      Für Wolfgang war es ein Glücksfall, dass Doktor Schütt der Hauptprüfer war. Schütt war Sprachwissenschaftler, gab Seminare in Mittelhochdeutsch, hielt Vorlesungen in Wortbildung, und ein Steckenpferd von ihm war das Theater.

      Bevor er mit dem Prüfungsgespräch begann, blätterte Doktor Schütt in den Bewerbungsunterlagen, und die Vier in Geschichte schien ihn zu irritieren.

      „Sie wissen, dass es nicht einfach werden wird, mit diesem Zeugnis Geschichte zu studieren“, schickte er voraus, und der Regionalgeschichtler Doktor Brunnengräber, der als Zweitprüfer neben Schütt saß, nickte bestätigend.

      „Ich weiß.“ Auf Schütts Frage, wo er jetzt arbeite, antwortete Wolfgang:

      „Im Erdölverarbeitungswerk Schwedt. Da bin ich Motorenschlosser, und in meiner Freizeit spiele ich Theater.“

      Wolfgang erzählte begeistert, wie Gerhard Winterlich, Schauspieler und Regisseur aus Dresden, auf die Großbaustelle Schwedt gegangen sei und ein Stück über das Erdölverarbeitungswerk schreibe, in dem Wolfgang mitspiele.

      „Da wissen Sie ja besser über den Bitterfelder Weg Bescheid als ich“, Doktor Schütt lächelte und zog genüsslich an seiner Zigarre. Anscheinend mochte er Proleten, die Theater spielten und Schriftsteller, die den Bitterfelder Weg beschritten. Doktor Brunnengräber war mit Wolfgangs Antworten, die für einen Zweitfächler in Geschichte ausreichend zu sein schienen, zufrieden. Wolfgang hatte seine Aufnahmeprüfung bestanden.

      „Doktor Schütt scheint auf Autoschlosser wie mich zu stehen“, sagte Wolfgang zu Lüttke. Mit seinen 34 Jahren studierte Lüttke Philosophie.

      Davor war er Baggerfahrer im Braunkohlentagebau gewesen und hielt sich, wenn er besoffen war, für den größten Lyriker der Jetzt-Zeit. Ständig versuchte er, Edda anzumachen, und wurde nicht müde, ihr sein Gedicht „Schenkel, geworfen ins All“ ins Ohr zu blasen.

      So auch jetzt. Edda fand Lüttkes Annäherungsversuche widerlich und bat Wolfgang: „Lass uns gehen.“

      „Jetzt schon?“ Wolfgang unterhielt sich gerade angeregt mit dem Chefredakteur der Universitätszeitung, der sich der Landschaftslyrik verschrieben hatte.

      „Jetzt schon!“, wiederholte Edda dringlich und entschieden. Vor der Tür änderte sie ihre Meinung. „Ich habe keine Lust, jetzt schon nach Hause zu gehen.“

      „Ich auch nicht“, sagte Wolfgang. „Wie wär‘s mit dem Fuchsturm bei Nacht?“

      „Auf jeden Fall aufregend.“

      Manchmal war es gruselig und beschwerlich, auf nächtlichen Wegen durch den Wald oder dicht am Abhang entlang zu laufen. Als sie den „Fuchsturm“ erreichten, war die Gaststätte geschlossen. Dennoch bedauerten sie nicht, den langen Weg gemacht zu haben.

      Sie genossen den warmen Sommerabend, und sie fanden es unheimlich romantisch, von der alten Mauerbrüstung aus auf die Lichter der Stadt zu sehen, die tief unten im Tal lag.

      Der nachtdunkle Wald umgab sie. Als im nahen Gehölz ein Hase aufsprang, schrak Edda zusammen. Wolfgang nahm ihr die Angst, indem er sie fest umarmte, und sie küssten sich. Wolfgang spürte Eddas weiche Lippen und ihren feuchten Mund.

      Während er nicht müde wurde, Edda zu streicheln und zu küssen, machte sie den Reißverschluss ihrer Männerjeans auf. Doch da er in seiner Unerfahrenheit nicht tat, was Edda anscheinend von ihm erwartete, konnte sie nicht ahnen, wie stark er nach ihrem Körper verlangte, und da er Edda aus falscher Scham nicht offen sagte, was er für sie empfand, konnte sie auch nicht wissen, wie sehr Wolfgang sie liebte. Und so musste sie zu dem Schluss kommen, dass Wolfgangs Liebe zu ihr rein platonischer Natur war.

      Weder Wolfgang noch Edda konnten sich erklären, weshalb Kuhnert mitten in der Prüfungszeit eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Studentenbühne einberufen hatte. Kuhnert gehörte zu den wenigen Diplomanden des Germanistischen Instituts und lenkte seit drei Jahren erfolgreich die Geschicke der Studentenbühne. Für alle unerwartet erklärte Kuhnert, dass sich für ihn kurzfristig eine Regieassistenz am Theater in Gera ergeben habe und er deshalb die Leitung der Studentenbühne von heute auf morgen abgeben müsse. Auch könne er nicht, wie beabsichtigt, die Regie für den „Weiten Weg“ übernehmen.

      Alle dachten, Bröml, der als Stadthauptmann in den „Lederköpfen“ geglänzt hatte, würde Kuhnerts Nachfolge antreten. Aber der erklärte: „Mit Beginn des vierten Studienjahres beginnt für mich das ‚Große Schulpraktikum‘. Das geht bis Dezember. Dann habe ich meine Staatsexamensarbeit zu schreiben. Dann kommen die Abschlussprüfungen. Viel Zeit fürs Theaterspielen bleibt mir da nicht.“

      Damit war Bröml aus dem Rennen, und alle sahen sich verwundert und ratlos an. Der einzige, der eine Antwort zu haben schien, war Kuhnert. Er meinte, es sei zwar ungewöhnlich, wenn die Leitung der Studentenbühne in die Hände eines Mannes aus dem ersten Studienjahr gelegt würde. Aber er sehe in Wolfgang einen geeigneten Nachfolger. Erst gestern sei Wolfgang mit dem Lyrikpreis ausgezeichnet worden, und so traue er ihm zu, das Stück „Der weite Weg“, wie vorgesehen zu bearbeiten. „Auch zweifle ich nicht daran, dass Wolfgang Regie führen kann“, erklärte Kuhnert. Und was die Arbeiterfestspiele betreffe, habe Wolfgang die meisten Erfahrungen. Er sei also der richtige Mann für die Aufgaben, die ab Herbst anstehen würden, und so wurde Wolfgang von einem Tag auf den anderen Leiter der Studentenbühne.

      Die Mitglieder der Studentenbühne waren vom Ernteeinsatz befreit, und so hatten sie bis Mitte Oktober Zeit, sechs Wochen lang ungestört zu proben.

      Schneller als gedacht waren die Leseproben zu Arbusows „Der weite Weg“ abgeschlossen, und Wolfgang konnte mit dem Proben der einzelnen Szenen beginnen, die er bereits umgeschrieben hatte. Aber mit der Euphorie des Probens war es vorbei, als die Stadträtin für Kultur Wolfgang brieflich mitteilte, es sei nicht mehr daran gedacht, die Studiobühne zu den Arbeiterfestspielen zu delegieren. Am Telefon sagte sie ihm, die Kommission, die die Studentenbühne für die Arbeiterfestspiele vorgeschlagen habe, sei zu dem Schluss gekommen, dass Arbusows Stück nur geringe Erfolgsaussichten habe.

      Mit dieser Hiobsbotschaft hatte niemand gerechnet. Aber alle Beteiligten waren Wolfgangs Meinung: „Es wird nicht weiter probiert. Wir setzen das Stück ab.“

       5. Kapitel

      Kurz vor Weihnachten nahm Hetzel Wolfgang beiseite und sagte ihm, dass er unbedingt eine öffentliche Erklärung abgeben müsse, warum „Der weite Weg“ von Arbusow abgesetzt worden sei. Auf der Fachschaftsversammlung Anfang Januar sei dafür die beste Gelegenheit, meinte Hetzel und drückte Wolfgang eine Rede aufs Auge, die gewissenhaft vorbereitet sein wollte. Denn das Absetzen eines sowjetischen Stücks stellte zu dieser Zeit ein Politikum dar. Als ihm dann noch die Kluin (sprich: Tamara) eröffnete, über die Weihnachtsfeiertage müssten 30 Seiten Russisch übersetzt werden, sonst gäbe es die Teilnahmebestätigung für den Russisch-Kurs nicht, drehte Wolfgang durch. Alles schien ihm über den Kopf zu wachsen. Es sei eine Schikane, über die Weihnachtsfeiertage eine solche Aufgabe aufzugeben, schrie er. „Wer mich sprechen will, findet mich in Alt-Jena“, brüllte СКАЧАТЬ