Название: Praktische Fälle zum Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen
Автор: Ernst-Dieter Bösche
Издательство: Автор
Жанр: Юриспруденция, право
isbn: 9783792201596
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Weitere Voraussetzung für den Erlass einer diesen Benutzungszwang vorschreibenden Satzung ist nach § 9 Satz 1 GO ein öffentliches Bedürfnis.
Ein solches öffentliches Bedürfnis liegt immer schon dann vor, wenn das Gemeinwohl den Benutzungszwang fordert, insbesondere, wenn es gilt, die Bevölkerung vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, also immer, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Dies dürfte beim Benutzungszwang für Friedhöfe regelmäßig gegeben und nur im außergewöhnlichen Einzelfall zu verneinen sein. Auch insoweit wäre Benutzungszwang für Friedhöfe zulässig.
19. Fall: Öffentliche Einrichtung, Benutzungsrecht
Sachverhalt
Der in der Stadt St ansässige Schäferhundeverein e. V. feiert in diesem Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. Da das auf dem Vereinsgelände in St stehende Vereinsheim nicht über genügend große Räume zur Durchführung der Jubiläumsfeierlichkeiten verfügt, beantragt der Verein bei der Stadtverwaltung die Überlassung der Aula der städtischen Gesamtschule zur Durchführung der Feierlichkeiten. Diese Aula wird üblicherweise zu schulischen Veranstaltungen genutzt und auch ortsansässigen Vereinen für größere Vereinsveranstaltungen überlassen. So feiert z.B. der Schützenverein den jährlichen Königsball in der Aula, und der Karnevalsverein veranstaltet in der Aula seine jährliche Prunksitzung und den jährlichen Prinzenempfang.
Der Antrag des Schäferhundevereins auf Überlassung der Aula wird von der Stadtverwaltung abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnung wird angeführt, dass nur sehr wenige Mitglieder des Schäferhundevereins Einwohner der Stadt St seien und auch der gesamte Vereinsvorstand außerhalb von St wohne.
Aufgabe
1.Ist die Ablehnung unter der angegebenen Begründung rechtmäßig?
2.Wie wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn als Ablehnungsgrund (zutreffend) angegeben wäre, dass die Aula zum beantragten Zeitpunkt bereits aufgrund eines zeitlich früher gestellten Antrages an den Schützenverein vergeben worden sei?
Lösung
1. Ein Recht des Schäferhundevereins auf Überlassung der Aula könnte sich aus § 8 Abs. 2 GO ergeben. Danach sind alle Einwohner der Gemeinde berechtigt, im Rahmen des geltenden Rechts die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen.
Die Aula als Veranstaltungsraum für größere Veranstaltungen ist eine öffentliche Einrichtung i. S. d. § 8 GO. Einwohner ist, wer in der Gemeinde wohnt (§21 Abs. 1 GO). Einwohner sind nur natürliche Personen. Der Schäferhundeverein e. V. ist als juristische Person nicht Einwohner der Stadt St. Nach § 8 Abs. 4 GO gelten die Vorschriften des § 8 GO für juristische Personen entsprechend. Die benutzungswillige juristische Person muss keine weiteren „persönlichen" Voraussetzungen erfüllen. Unerheblich ist, ob die Mitglieder des Vereins oder der Vereinsvorstand Einwohner der Gemeinde sind.
Folglich ist die Ablehnung des Antrages des Schäferhundevereins e. V. auf Überlassung der Aula rechtswidrig.
2. Nach § 8 Abs. 2 GO besteht die Berechtigung zur Nutzung der öffentlichen Einrichtungen nur im Rahmen geltenden Rechts. Nutzungsbeschränkungen können sich z.B. aus einer Benutzungsordnung oder dem Widmungszweck ergeben. Beschränkungen können sich auch daraus ergeben, dass die Einrichtung zum nachgefragten Zeitpunkt tatsächlich oder wegen anderer berechtigter Nutzungen nicht verfügbar ist.
Die Aula ist aufgrund eines zeitlich früher gestellten Antrages an den Schützenverein vergeben. Die Vergabe der Aula bei Vorliegen mehrerer Anträge nach dem Gesichtspunkt des zeitlichen Eingangs der Anträge ist keine sachfremde Erwägung.
Die Ablehnung des Antrages des Schäferhundevereines e. V. auf Überlassung der Aula wäre in diesem Falle rechtmäßig.
20. Fall: Einwohner, Bürger
Sachverhalt
Der Wohnungslose W „haust" seit mehr als 20 Jahren in einem Pferdeunterstand auf einer Wiese des Landwirts L, idyllisch am Waldrand gelegen. Der Unterstand ist überdacht und hat an zwei Seiten eine Bretterwand. W hat nirgendwo sonst eine „Bleibe". Das Wiesengrundstück liegt im Gemeindegebiet der Gemeinde G. Landwirt L duldet den dauernden Aufenthalt von W. Den Unterhalt seines anspruchsarmen Lebens verdient sich W durch gelegentliche Arbeiten bei Landwirt L und durch Gelegenheitsarbeiten für andere Einwohner der Gemeinde G. W und sein Aufenthalt sind in der ganzen Gemeinde bekannt. W ist deutscher Staatsangehöriger; er ist bei der Gemeindebevölkerung beliebt.
W erfährt bei einem Kneipenbesuch, dass Thekennachbarn eine Wahlbenachrichtigung für die Kommunalwahl erhalten haben. Er hat eine solche ihm bis dahin unbekannte Nachricht nicht erhalten, möchte aber, nachdem er schon so lange in der Gemeinde lebt und sich dort sehr wohlfühlt, was er immer wieder erwähnt, auch den Gemeinderat mitwählen.
Er geht zum Wahlamt der Gemeinde G und fragt nach, warum er keine Wahlbenachrichtigung erhalten habe.
Der zuständige Sachbearbeiter erklärt ihm, dass nur Bürger der Gemeinde zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt seien. Da er in Ermangelung einer Wohnung in G nicht Bürger sei, besitze er in G auch nicht das Wahlrecht, dementsprechend könne er auch keine Wahlbenachrichtigung bekommen.
Aufgabe
Ist diese Auskunft rechtlich zutreffend?
Lösung
Nach § 21 Abs. 2 GO ist Bürger, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist.
Nach § 7 KWahlG NRW ist wahlberechtigt (und damit Bürger), wer am Wahltag
1.Deutscher i. S. v. Art. 116 Abs. 1 GG ist oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzt,
2.das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat und
3.mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet (Gemeinde) seine Wohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebietes hat.
Die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt der seit mehr als 20 Jahren in G lebende W laut Sachverhalt.
Hinsichtlich der dritten Voraussetzung ist zunächst zu prüfen, ob der Pferdeunterstand, in dem W lebt, eine Wohnung im Rechtssinne ist.
Nach § 15 Abs. 1 MG NRW ist Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Der überdachte aber nur an zwei Seiten geschlossene Unterstand erfüllt diese Voraussetzung nicht. W hat also keine Wohnung in der Gemeinde G.
Alternativ zur Wohnung ist nach § 7 KWahlG ausreichend, wenn man sich sonst (ohne eine Wohnung zu haben) gewöhnlich aufhält und auch außerhalb der Gemeinde keine Wohnung hat.
W hat lt. Sachverhalt nirgendwo eine Wohnung. Er lebt aber seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen in der Gemeinde G, verdient dort seinen Lebensunterhalt, fühlt sich in der Gemeinde nach eigenem Bekunden sehr wohl, ist bei der Bevölkerung beliebt, unterhält Kneipenkontakte und hat den ausdrücklichen Wunsch, den Rat in der Gemeinde zu wählen, in der er schon so lange lebt. Dies alles beschreibt, dass W sich in G „gewöhnlich aufhält".
Damit erfüllt W alle gesetzlichen Voraussetzungen, um wahlberechtigt zu sein. Die Auskunft des СКАЧАТЬ