Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Begegnungen mit Bismarck - Robert von Keudell страница 30

Название: Begegnungen mit Bismarck

Автор: Robert von Keudell

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783806242683

isbn:

СКАЧАТЬ Mann, mit dem ich jedoch nur selten zusammenkam.

      Der früher erwähnte Hilfsarbeiter Graf Bismarck-Bohlen war wegen Kränklichkeit auf unbestimmte Zeit beurlaubt, hatte jedoch die Zusage erhalten, wieder einberufen zu werden, wenn es einmal zu einem Kriege käme und sein Vetter mit zu Felde zöge.

      Der Minister des Innern, Graf Eulenburg, empfing mich als Ostpreußen mit landsmannschaftlicher Herzlichkeit. Er dankte für meine Empfehlung Hobrechts, den er „ohne meine Hilfe schwerlich durchgebracht hätte“, und sagte dann: „Ihre Stellung bei Bismarck wird sehr schwierig werden, darauf machen Sie sich nur gefaßt. Er ist ein gewaltiger Mensch und duldet keinen Widerspruch. Wer mit ihm zu thun hat, den zwingt er zum Gehorsam, mag man dagegen ‚strampeln‘, soviel man will. Und nun ist Ihnen ja eine besondere Vertrauensstellung zugedacht. Sie werden es sehr schwer haben und ich wünsche von Herzen, daß Sie lange aushalten.“

      Am folgenden Tage erhielt ich von Frau von Bismarck aus Reinfeld einen Brief, in dem es hieß:

      … „Gott segne Ihren Einzug bei ihm, lieber Herr von Keudell, ich freue mich, daß Sie da sind, wenn auch mit Zittern, und wiederhole stets: Vereinigen und verwechseln Sie nie den Minister mit dem Freunde. Es sind gewiß zwei ganz verschiedene Menschen. Wenn der Minister verstimmt ist und Sie in solch unerquicklicher Laune anbrummt, weiß der Freund nichts davon und liebt Sie ungestört alle Zeit. Ich vergesse nicht mancher Sekretäre Verzweiflung in solchen Fällen; und wenn Sie auch kein so verzagtes Gemüth wie diese Jünglinge besitzen, so möchte ich Sie doch an all dies wieder erinnern mit herzlichen Bitten, in Ihrem Vertrauen und Ihrer Anhänglichkeit nicht zu wanken, da Bismarck deren mehr bedarf wie jeder andere. Er hat ja fast keinen wahren treuen Freund – ich mißtraue ihnen allen –, wenn’s darauf ankommt, lassen sie ihn alle im Stich, bin ich überzeugt. Wer bitte, thun Sie es nicht, halten Sie aus, wenn er auch oft recht unfreundlich scheint. Innerlich ist er’s bestimmt nie, das versichere ich Ihnen.“ …

      Geschäftlich wurden mir alle an den Ministerpräsidenten persönlich gerichteten Gesuche zugewiesen. Morgens um zehn Uhr und abends um sieben Uhr hatte ich mich beim Chef zu melden, um die Eingänge in Empfang zu nehmen und die Entwürfe der Antworten vorzulegen, die er dann in meiner Gegenwart erstaunlich schnell durcharbeitete und unterschrieben zurückgab. Keine Sache blieb 24 Stunden unerledigt. Ich stand damals im vierzigsten Lebensjahre und war seit langer Zeit gewohnt gewesen, daß meine Entwürfe amtlicher Schriftstücke von Vorgesetzten fast gar nicht korrigiert wurden; jetzt aber kam ich wieder in die Stellung eines Schülers, dessen Konzepte selten unverändert stehen blieben.

      Auffallend war mir die Behandlung der zahlreichen Bettelbriefe. Wenn solche den Eindruck wirklicher Not machten, wurde ich beauftragt, die Bittsteller aufzusuchen und kleine Unterstützungen zu spenden, nicht etwa aus irgendeinem staatlichen Dispositionsfonds, sondern aus den Privatmitteln des Ministers. Einmal mußte ich einer in der Köpenikerstraße 4 Treppen hoch wohnenden Witwe 25 Thaler (75 Mark) überbringen, was mir für die Privatverhältnisse des Gebers sehr hoch gegriffen schien. Ich erlaubte mir abzuraten von dieser dilettantischen Armenpflege, die immer neue unerfüllbare Ansprüche hervorrufen müßte. Die Antwort lautete: „Wer sich in Not bittend an mich wendet, dem helfe ich, soweit ich es mit meinen geringen Mitteln vermag.“

      Gelegentlich fragte ich, ob es nicht zweckmäßig sein würde, durch das Bureau nur die wichtigeren Eingänge vorlegen zu lassen. „Nein,“ sagte der Minister, „wenn ich nicht alles sehe, was ankommt, verliere ich die Fühlung mit dem, was im Lande vorgeht.“

      Nach mehreren Wochen wurde jedoch infolge der diplomatischen und militärischen Vorbereitungen zum dänischen Kriege die Geschäftslast so groß, daß er die augenscheinlich unwichtigeren Eingänge mit der Bezeichnung O als nicht gelesen an das Bureau gehen ließ und nach deren Erledigung nicht fragte.

      Am 30. Oktober schrieb ich meinem Bruder:

      „Bismarck ist in Geschäften wirklich wundervoll, von unbegreiflich schnellem Ueberblick und heiterer Entschlossenheit, verlangt aber mitunter Unausführbares, weil nicht alle Verwaltungsgesetze ihm geläufig find. Gestern Abend mußte ich wieder einmal vorstellen, daß dies und das nicht möglich sei. Er wurde wie immer in solchen Fällen ärgerlich und persönlich, ohne aber die Form im Mindesten zu verletzen. In der Nacht grübelte ich darüber, ob ich für sein Naturell den richtigen Ton zu treffen vermöchte, und heute morgen ging ich in etwas gedrückter Stimmung zum Vortrag. Da kam er mir mit besonderer Freundlichkeit entgegen und sagte, er wolle mich nun auch im auswärtigen Dienst beschäftigen und deshalb mit Thile sprechen.“

      So geschah es. Der Unterstaatssekretär von Thile war ein kerniger und wohlwollender Mann von ungewöhnlicher wissenschaftlicher Bildung. Er empfing mich in liebenswürdiger Weise, verhehlte mir aber nicht, daß die zurzeit nicht gerade massenhaften Geschäfte der politischen Abteilung in festen Händen seien und daß es schwierig sein würde, dort für mich ein Arbeitsfeld zu schaffen.

      Allerdings hätte die außergewöhnliche Arbeitskraft und Arbeitslust des mir seit Jahren wohlbekannten Geheimrat Abeken für sich allein hingereicht, um alles, was damals in der „hohen Politik“ vorkam, zu erledigen; es war aber in dieser Abteilung noch ein zweiter Rat angestellt, welcher doch auch Anspruch auf Beschäftigung machte. Nur wenn Bismarck selbst mich mit einer kleinen Arbeit in französischer Sprache, wohl um mich zu prüfen, beauftragte, gab es im Auswärtigen etwas für mich zu thun. Der Regel nach blieb ich mit inländischen Angelegenheiten beschäftigt, erhielt auch öfters mündliche Aufträge an einzelne Minister, namentlich an Roon und Eulenburg.

      Erst im Februar 1864 wurde mir eine in der zweiten Abteilung des Ministeriums erledigte Ratsstelle übertragen, mit welcher die Bearbeitung aller Personalien und die Verwaltung der sogenannten Legationskasse, d. h. des Etats der auswärtigen Angelegenheiten, verknüpft war. Dieses Arbeitsfeld blieb mir bis zum Herbst 1872 anvertraut.

      * * *

      Anfang November 1863 kehrte Frau von Bismarck aus Reinfeld nach Berlin zurück. Bald darauf wurde die Landtagssession eröffnet. Das vor Kurzem neu gewählte Abgeordnetenhaus brachte zwar statt der früheren 11 konservativen Mitglieder deren 36, zeigte aber im Ganzen dieselbe feindselige Haltung wie das im Sommer aufgelöste.

      Trotz der tiefen Trauer der Familie Bismarck pflegten sich doch einige der vertrauten Freunde abends gegen 9 Uhr einzufinden in dem Empfangssaale, welcher auf der Gartenseite des Hauses lag. Die gütige Hausfrau oder deren heranwachsende anmutige Tochter machte den Thee; auf zwei oder drei Tischen standen einfache kalte Speisen, Wein und Bier. Jeder Gast bediente sich nach Belieben. Am häufigsten kamen damals: Herr von Arnim-Kröchlendorff mit Gemahlin und Tochter, Blanckenburg, Graf Eberhard Stolberg mit Gemahlin, der junge Eisendecher14 und Herr von Dewitz-Milzow, ein Göttinger Corpsbruder des Hausherrn. Dieser pflegte gegen elf Uhr auf eine halbe oder ganze Stunde zu erscheinen, um eine satte Speise und ein Glas Bier oder auch dicke Milch zu nehmen. Thee oder Wein genoß er abends nie, um den ohnehin schwer zu findenden Schlaf nicht ganz zu verscheuchen. Die Unterhaltung pflegte er in heiterem Tone zu führen, Politik aber nur selten und flüchtig zu streifen. Ich war in den ersten Wintermonaten der einzige abends im Salon anwesende Beamte des Ministeriums, in jedem Augenblicke amtlicher Aufträge gewärtig.

      An der kurzen Nordseite des Gesellschaftszimmers lag ein schmales Kabinett, dessen Länge der Breite des ersteren entsprach und welches immer offen stand, da die Thür aus den Angeln entfernt worden war. Von diesem Kabinett führten zur Linken wenige Stufen hinab in das Schulzimmer, wo die Knaben unter Leitung des Hauslehrers, Kandidaten Braune, zu arbeiten pflegten. Die Thüre dieses Zimmers stand ebenfalls gewöhnlich offen. Wenn nun Schlafenszeit für die Jugend herankam, pflegte die weiche Stimme der Hausfrau in das Kabinett hineinzuschallen: „Jüngchen! Zu Bett!“ Eine ältere Dame hat mich noch kürzlich hieran erinnert.

      Auf der rechten Schmalseite des Kabinetts führte eine Thüre zu dem auf der Straßenseite des Hauses gelegenen Arbeitszimmer СКАЧАТЬ