Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell
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Название: Begegnungen mit Bismarck

Автор: Robert von Keudell

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242683

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СКАЧАТЬ Jahre später äußerte Bismarck: „Von den Bürgermeistern gilt dasselbe, was man von den Frauen sagt: die, von denen gar nicht gesprochen wird, sind die besten. Von Breslau höre ich nie etwas, folglich muß Hobrecht seine Sache sehr gut machen.“

      * * *

      Ende September 1863 wurde in Breslau bekannt, daß meine Berufung zum Hilfsarbeiter im Staatsministerium bevorstand. Außer den Offizieren bedauerten fast alle meine Bekannten, liberale wie konservative, daß ich mein Geschick an das eines maßlos verwegenen Mannes und an eine hoffnungslose Sache ketten wollte. Oft genug mußte ich versuchen, den Leuten ihren Irrtum klarzumachen.

      In der auswärtigen Politik war doch bis dahin offenbar alles geglückt, was der Ministerpräsident unternommen hatte.

      Im November 1862 wurde der halsstarrige Kurfürst von Hessen dadurch zum Nachgeben bewogen, daß Bismarck in einem an den Minister Dehn gerichteten Briefe auf das mögliche Eingreifen der kurfürstlichen Agnaten hindeutete.

      Angesichts der im Anfang des Jahres in Polen ausgebrochenen Unruhen befestigte Bismarck durch Aufrechterhaltung der Ordnung in den preußischen Grenzprovinzen und durch eine bezügliche Verständigung mit Rußland dessen Freundschaft, während die Westmächte und Oesterreich auf ihre wiederholt nach Petersburg gerichteten polenfreundlichen Ratschläge anfangs höfliche, zuletzt schroffe Abweisungen erfahren hatten.

      Der übereilte Versuch Oesterreichs, die Bundesverfassung in seinem und der Mittelstaaten Interesse durch Beschlüsse der in Frankfurt versammelten souveränen Bundesfürsten so weit umzugestalten, daß unserm König sogar die Entscheidung über Krieg und Frieden entzogen würde, dieser Versuch endete mit einem vollständigen Mißerfolg, nachdem der König auf Bismarcks Rat der Fürstenversammlung ferngeblieben war.

      In den preußischen Gegenvorschlägen wurde zum ersten Male amtlich auf die Ersprießlichkeit einer Volksvertretung am Bunde hingewiesen.

      Gegen Dänemark endlich wurde von Preußen und Oesterreich gemeinschaftlich trotz der Opposition der Mittelstaaten ein Beschluß des Deutschen Bundes erreicht, das Exekutionsverfahren durch militärische Besetzung Holsteins eintreten zu lassen (1. Oktober).

      Alle diese Thatsachen ließen doch in der Leitung unserer auswärtigen Angelegenheiten einen zielbewußten Kopf und eine glückliche Hand erkennen.

      Aber selbst gegen diese Auffassung wurde manches eingewendet.

      Ein mir von der Schule her befreundeter Gelehrter, der Privatdozent (später Professor) der Geschichte, Dr. Neumann11, kam zu mir, um mich eindringlich zu warnen.

      Er hatte einige Jahre unter Schleinitz und Bernstorff, zuletzt auch einige Monate unter Bismarck im Auswärtigen Amte für die Presse gearbeitet. „Bismarck“, sagte er, „leidet an einer schweren Nervenkrankheit und ist mir mitunter wie nicht ganz zurechnungsfähig erschienen. Wenn er z. B. Instruktionen für die Presse gab, kam er zuweilen bald in einen gewissen ‚Galopp des Denkens‘, dem man kaum folgen konnte, und verlangte mitunter ganz unausführbare Dinge. Unter den Berliner Diplomaten ist die Meinung vorherrschend, daß er nervenkrank sei und nicht mehr lange leben werde, da er sich in keiner Beziehung schont. Als ein Symptom seiner Krankheit wurde auch das Gespräch aufgefaßt, welches er im letzten Dezember bekanntlich mit dem Grafen Karolyi gehabt hat; denn wie kann ein ganz gesunder Mensch dem Vertreter Oesterreichs sagen: ‚Ihr thätet gut, euren Schwerpunkt nach Ofen zu verlegen‘. Gesellschaftlich mag Bismarck sehr angenehm sein; aber wenn du in sein Ministerium eintreten willst, so wirst du ein morsches Schiff besteigen.“

      Graf Limburg-Stirum, der Vater des jetzigen Führers der Konservativen im Abgeordnetenhause, sagte mir: „Es muß schön sein, der Fahne eines Mannes wie Bismarck zu folgen, wenn sie auch in den Tod führen mag.“

      Das stimmte mit meiner Auffassung, jedoch mit dem Unterschiede, daß ich keinerlei Gefahr zu ahnen vermochte.

      In Bezug auf die Minister schien im Falle eines Thronwechsels die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sie wegen der budgetlosen Verwaltung mit Regreßansprüchen an ihr Privatvermögen bedroht werden könnten. Das Abgeordnetenhaus hatte am 17. Februar 1863 mit allen gegen 45 Stimmen beschlossen, bis nach Prüfung der Jahresrechnungen von 1862 die Entscheidung darüber vorzubehalten, für welche der verausgabten Summen die Minister mit ihrer Person und ihrem Vermögen haftbar wären12. Man riet damals dem Ministerpräsidenten, seinen Grundbesitz an einen Verwandten abzutreten; er lehnte das entschieden ab, um den Schein einer Besorgnis für sein Vermögen zu vermeiden. Ein Nachbar von Schönhausen aber, Herr von Katte-Roskow, hat – wie er mir 1864 erzählte – thatsächlich Vorkehrungen getroffen, um im Falle eines Regresses an Bismarck diesem ein ansehnliches Kapital zur Verfügung zu stellen.

      Wenn demnach daran gedacht worden war, die Minister als persönlich haftbar anzusehen, so konnten doch deren Beamte in keinem Falle durch Regresse bedroht werden. Eine zu teilende Gefahr stand also für mich nicht in Aussicht, sondern nur eine kaum erwähnenswerte Einbuße an Wohlwollen bei vielen alten Bekannten und Landsleuten, wenn ich dem damals „bestgehaßten“ Manne persönlich dienstbar wurde.

      Am 19. Oktober abends kam ich nach Berlin und übernachtete bei dem im Hausministerium angestellten Geheimrat von Loeper, dem hochverdienten Goethe-Herausgeber. Von diesem hörte ich zum ersten Male die Ansicht aussprechen, daß Bismarck trotz mancher unnötigen Schroffheiten seines Auftretens wahrscheinlich sehr viele Jahre lang der Leiter unsrer Politik bleiben werde.

      Am 20. früh meldete ich mich beim Ministerpräsidenten im Auswärtigen Amte (Wilhelmstraße 76). Er sagte: „Sie müssen in meiner Nähe wohnen, finden aber in dieser Gegend der Stadt keine mietbaren Räume. Das Staatsministerium steht leer. Ich habe dort im vorigen Jahre einige Wochen gewohnt. Ein Beamter machte mich mit Stolz auf einige neue Tapeten aufmerksam; ich fand aber, daß diese Tapeten an eine Ausspannung in Prenzlau erinnerten. Nehmen Sie sich dort so viele Zimmer, wie Sie brauchen können, meinetwegen alle.“

      Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Ich denke, Sie sollen einmal einen ‚propren‘ Bundestagsgesandten abgeben.“

      Diese Aeußerung erwähne ich nur, weil daraus zu schließen ist, daß Bismarck im Oktober 1863 noch eine langjährige Fortdauer des Bundestages für wahrscheinlich gehalten hat.

      Ich bezog sofort zwei Zimmer im Hinterhause des damaligen Staatsministerialgebäudes (Wilhelmstrabe 74), welches nachmals für den Bundesrat und für das Reichsamt des Innern ausgebaut worden ist.

      Um 5 Uhr erschien ich nach Bestimmung des Ministers zum Essen mit ihm allein. Seine Gemahlin befand sich noch in Reinfeld in tiefer Trauer um ihre Mutter, welche dort im September gestorben war.

      Er sah blaß und müde aus und sagte nach längerer Pause:

      „Es kommt mir vor, als wäre ich in diesem einen Jahr um fünfzehn Jahre älter geworden. Die Leute sind doch noch viel dümmer, als ich sie mir gedacht hatte.“

      Ich erwiderte: „Sie werden hoffentlich wieder viel jünger werden, sobald es eine große auswärtige Verwickelung gibt.“

      Noch an demselben Abende besuchte ich den Geheimrat Hegel, welcher als vortragender Rat im Staatsministerium13 fungierte.

      Dieser Schwiegersohn des Staatsministers von Flottwell war mir seit vielen Jahren als ein verehrungswürdiger Mann bekannt. Er sagte: „Die Lage ist fast verzweifelt; unser Chef aber ist ihr vollkommen gewachsen und wird mit Gottes Hilfe obsiegen, wenn auch vielleicht erst nach langer Zeit.“

      Als Hilfsarbeiter war damals im Staatsministerium auch der Regierungsrat Zitelmann, hauptsächlich für die Presse, СКАЧАТЬ