Название: Grünes Gold
Автор: Helmut Ginzinger
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783957800206
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Zwanzig nach acht, meine Kalkulation war ziemlich exakt. Eine Frau und ein Mann, sie circa Ende fünfzig, er eher Anfang vierzig, verlassen das Haus. Sie trägt ein grünes halblanges Kleid, passend zum Botanik-Kongress, das dürfte Frau Kerner sein. Er trägt einen hellen Freizeitanzug und ein blassblaues
Hemd, es ist »Blondie«. Ich habe den Kerner Blondie getauft, nachdem ich das Foto gesehen habe. Braun gebranntes, lächelndes Gesicht, blonde, nach hinten geschwungene schulterlange Haare, ein Möchtegern-Casanova. Er war wohl früher mal Katalogmodel für ein drittklassiges Label. Frau Kerner hat sich gewiss gerne ein paar Jahre mit diesem Schönling geschmückt und ist seiner jetzt überdrüssig.
Samstagmorgen und kein Ferienverkehr, es macht richtig Spaß, ohne Stau zum Flughafen zu fahren. Dort angekommen, stellt der Kerner seinen Wagen in der Kurzparkzone ab, lässt sein Frauchen aussteigen und holt ihr sogar noch den Koffer aus dem Kofferraum. Ein Küsschen, ein kurzes Winken, dann verschwindet sie im Terminal und Blondie fährt wieder los.
Jetzt wär’s halt schön, wenn Blondie nach Hause fahren würde, dort möglichst noch heute Vormittag einen Besuch von einem jungen Mädel bekäme und ich ein paar coole Fotos schießen könnte, leicht verdientes Geld also.
Meine Hoffnungen werden aber gleich im Ansatz erstickt. Blondie fährt nicht zurück nach Moosburg, sondern genau entgegengesetzt auf die Autobahn Richtung München.
Früher bin ich öfter mit Freunden in zwei Autos auf der Autobahn gefahren und hab versucht, mit ihnen zusammenzubleiben. Ist das schon nicht einfach. Wenn allerdings der vorne keine Rücksicht nimmt, weil er eben gar nicht weiß, dass man ihm folgt, wird’s weit komplizierter.
Ich schaff es dennoch, einigermaßen dranzubleiben, und manchmal fahr ich sogar fast neben ihm, der kennt mich ja Gott sei Dank nicht. An seinen Mundbewegungen und Gesten merke ich, dass er zwischendurch angeregt telefoniert, scheint ein nettes Gespräch zu sein.
Wir sind schon weit hinter München, als er bei Holzkirchen von der Autobahn abfährt.
Ein Traumwetter, da gönnt man sich doch gerne ein Wochenende in den Bergen. Ich müsste jetzt allerdings dringend bieseln und hätt auch ein wenig Durst. Blondie ist das egal, er fährt ungeniert weiter.
In Bad Wiessee biegt er nahe der Ortsmitte links ab Richtung Tegernsee und fährt schnurstracks zum Hotel Kranzbichler am See. Da drin würd ich auch gerne mal ein Wochenende oder mehr verbringen, ist allerdings nichts für mein Budget. Bei Blondie scheint das anders zu sein, der fährt direkt vor den überdachten Eingang und steigt aus. Einer der uniformierten Hoteldiener macht sich sogleich auf und fährt sein Auto in die Tiefgarage. Blondie entschwindet im Hotel. Ich such mir zunächst einen Parkplatz und teste meine Digicam. Ein schönes Foto! Das Hotel im Vordergrund, links der See und dahinter die Berge, könnte man direkt als Ansichtskarte verwenden. Weil ich sowieso ermitteln muss und Blondie mich nicht kennt, geh ich da jetzt einfach rein und schau mich ein wenig um, das kann ja nie schaden. Ein wirklich toller Schuppen, alles vom Feinsten, prächtige Teppiche, wuchtige bayerische Landhausmöbel. Die Rezeption strotzt nur so von bemalten Massivholzteilen, rechts davon mehrere urige Polstersitzgruppen mit schweren Tischen und in der Ecke echtes Kaminfeuer, trotz der Sommerhitze. Da fehlt es an nichts. Das Personal ist topp gekleidet, richtig fesche Dirndln und saubere Trachtenanzüge tragen die Hotelangestellten, da passt wirklich alles.
»Grüß Gott, mein Name ist Maria, kann ich etwas für Sie tun?«, fragt eine nette Stimme hinter der Rezeption.
Lustig, sie heißt wie mein Navi. Den Namen kann ich mir gut merken und obendrein ist sie auch noch hübsch.
»Sicher«, antworte ich. »Ich plane, das Wochenende in Bad Wiessee zu verbringen, und bin auf der Suche nach einem netten Zimmer für eine Nacht.«
»Nun, wir sind fast ausgebucht, aber ich sehe gerade, dass ich Ihnen noch die Herzog-Heinrich-Suite anbieten könnte. Eine sehr schöne Suite mit Balkon zur Seeseite. Unser Weekend- Special liegt bei äußerst günstigen vierhundertsechzig Euro pro Nacht, inklusive Frühstück, versteht sich.«
Jetzt hätt’s mir doch bald meine Frühstückssemmel wieder hochgedrückt. Ich will doch kein Zimmer kaufen, sondern nur für eine Nacht drin schlafen. Onassis bin ich auch nicht, oder Rockefeller oder der Kaiser Franz.
Maria hinter der Rezeption scheint meine Gedanken lesen zu können und sagt: »Falls Sie alleine reisen, könnte ich Ihnen noch ein kleineres Einzelzimmer mit Bergblick anbieten, Frühstück ist da natürlich auch dabei und Ihr Auto steht kostenfrei am Parkplatz. Für hundertsechzig Euro die Nacht, geht das in Ordnung?«, fragt sie mit einem Lächeln.
Hundertsechzig Euro, dafür könnte ich beim Stoandl viermal übernachten oder zweimal und jeweils einen üppigen Bierkonsum dazu bezahlen. Aber mir bleibt fast nichts anderes übrig, wenn ich an Blondie dranbleiben will. Es macht ja wirklich den Eindruck, als könnten mir hier in Wiessee ein paar Schnappschüsse gelingen. Franzi, dieser Geizhals, wird mir meine Extras bestimmt nicht erstatten.
»Ich nehme das Einzelzimmer«, sag ich zu Maria und lächle zurück.
Während ich das Anmeldeformular ausfülle, kommt plötzlich der Kerner auf die Rezeption zu. Ich bleib ganz cool, der weiß ja nicht, wer ich bin.
»Herr Kerner, wir haben Platz 3 für Sie von sechzehn bis siebzehn Uhr reserviert und einen Tisch im Restaurant des Spielcasinos für einundzwanzig Uhr, ist Ihnen das angenehm?«, fragt Marias Kollegin den Blondie.
»Sehr angenehm, Dorothea, bitte die Platzmiete auf die 318 buchen, danke.«
Platz 3, das hört sich nach Tennisplatz an und Casino ist mir auch klar. Tennis spielt man für gewöhnlich nicht allein und ein Tisch im Casino ... Jetzt werd ich erst mal mein Zimmer beziehen und dann hab ich ein paar Stunden frei.
Das kleine Einzelzimmer ist nun doch nicht so klein. Da würden die Doppelzimmer vom Stoandl zweimal Platz drin finden und Sky hat’s auch, jede Menge Sender. Das Bad ist ebenfalls super exklusiv, weiße Marmorwaschbecken, vergoldete Wasserhähne, runde Glasdusche und sogar ein extra Telefon im Bad. Das WC ist natürlich separat und die Lüftung funktioniert einwandfrei.
Der Ausblick ist genial, zwar eben nicht zum See, aber dafür direkt auf die Berge und die Tennisplätze. Als Ermittlungsprofi hab ich natürlich immer das Nötigste für eine Nacht im Auto. Ich hol also mein Zeug und ruh mich zunächst aus, in meinem Hundertsechzigeurozimmer.
Aufschlag Kerner um sechzehn Uhr und ich bin eine Viertelstunde zu spät, hatte noch was zu erledigen.
Statt der erhofften Dame ist sein Gegenüber allerdings ein Mann. Von der Spielstärke her scheinen sie in etwa ebenbürtig zu sein, mit leichten Vorteilen für Kerner. Der spielt mit einem Mann, eventuell einem Geschäftspartner, so ein Mist.
Ich mach trotzdem ein paar Fotos.
Irgendetwas scheinen die beiden während der Spielpausen miteinander zu besprechen. Obwohl die anderen Spieler bestimmt keine Ohren für deren Konversation haben, tuscheln Kerner und sein Gegner hinter vorgehaltener Hand miteinander. Selbst wenn ich von den Lippen ablesen könnte, würde mir das in der Situation nichts bringen. Sauber, die Tennisstunde ist vorbei und nichts war mit Mädels.
Maria (die von der Rezeption, nicht mein Navi) und ich sind inzwischen schon gut bekannt. Sie empfiehlt mir ein feines und günstiges Lokal nahe der Uferpromenade, wo ich köstliche Schwammerl mit Semmelknödel bekomme. Mein nächster Beobachtungstermin findet um einundzwanzig Uhr im Casinorestaurant statt. Ohne Sakko und Krawatte kommst du da nicht rein. Maria ist die Helferin СКАЧАТЬ