»Wir treffen uns um sechzehn Uhr im Restaurant am Rasthof Holledau, das kennen Sie bestimmt. Ich trage einen dunklen Anzug und ein dunkelrotes Hemd, keine Krawatte. Wahrscheinlich werde ich Akten studieren oder am Laptop arbeiten. Sie als Profi werden mich sicher schnell finden.« »Wie heißen Sie und ...?« Noch bevor ich weiterreden kann, legt der Kerl einfach auf, ohne mir seinen Namen zu sagen. Der ist ja lustig, ich überleg mir das noch, ob ich da hernach überhaupt hinfahre. Manchmal hab ich es bei meinem Agentenjob schon mit komischen Vögeln zu tun. Man glaubt ja gar nicht, wer sich alles wichtig vorkommt.
Kurze Zeit später kommt die Lena in den Laden und ich wundere mich ein wenig, denn eigentlich hat sie heute frei.
»Griaß di, Vinzenz, wollt dir nur kurz sagen, dass der Liachtl für morgen Vormittag mit dem Rektor von der Hauptschule ausgemacht hat, dass ihr dort die PCs aufstellt.«
»Des is perfekt, dann sind die Schachteln endlich weg und die paar Euro können wir gut brauchen.«
»Hast denn die Franzi noch getroffen am Freitag?«
Aha. Jetzt kommt sie mit dem wahren Grund ihres Besuchs daher.
»Natürlich hab ich sie getroffen. Und sie hat mich auch gleich das ganze Wochenende durch die Gegend gescheucht.«
»Ihr beide wart das ganze Wochenende zusammen? Schööön!«
»Schmarrn, wir hatten am Freitag eben eine geschäftliche Besprechung beim Italiener am Hofberg.«
»Ein romantisches Dinner bei Kerzenschein und dann hast du bei ihr übernachtet! Ich wusst es doch.«
»Nein, ich bin nach Hause gefahren und hab Samstag und Sonntag ermittelt. Wieso erzähl ich dir das überhaupt alles? Lena, danke, dass du mich wegen des morgigen Hauptschultermins informiert hast. Du musst jetzt bestimmt noch was einkaufen, also Pfüati.«
»Ja sicher, Vinzenz, und hab ich’s doch gewusst, da läuft wieder was zwischen dir und der Franzi!«, sagt sie und verschwindet mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Gut, dass es jetzt wieder was zum Tratschen gibt.
Da sonst heute Morgen wenig los ist, bleibt mir genügend Zeit, den üblichen Bürokram zu erledigen und diverse Neuigkeiten aus den Computerzeitungen zu erforschen, da kommt Freude auf.
Zwischendurch brauch ich zwei Leberkässemmeln, um meinen Cholesterinspiegel konstant zu halten. Ein Gwasch, also ein Spezi, gehört da natürlich nicht unbedingt dazu, ein Helles Stoandl wär mir schon lieber, aber ich bin ja im Dienst.
Um halb vier fahr ich dann doch los, um Mister Unbekannt zu treffen. Bis zum Dreieck Holledau sind es grad mal fünfzehn Minuten, und da ausnahmsweise kein Stau auf der A9 ist, bin ich nach weiteren drei Minuten am Rasthof.
Schon erstaunlich, wie viele Leute ständig unterwegs sind, und grad heute scheinen sich jede Menge Krawattenträger das Restaurant als »Meeting Point« ausgesucht zu haben.
Ich find meinen Mandanten ziemlich schnell, da die meisten anderen zu zweit am Tisch sitzen, steife Krawatten tragen oder verloren in der Gegend rumschauen.
»Grüß Gott, ich bin der Vinzenz Graflinger, sind Sie der Anrufer?«
»Ja, Grüß Gott, Martin Treikert, Doktor Martin Treikert. Wir können gleich gehen, ich bezahl nur noch schnell. Wenn Sie nichts dagegen haben, fahren wir ein paar Kilometer mit meinem Wagen und ich erzähle Ihnen, wieso ich gerne Ihre Dienste in Anspruch nehmen würde.«
Oha, Treikert! Den Namen hab ich schon mal gehört. Die Katrin, meine Dozentin, heißt mit Nachnamen so. Was will der von mir? Hoffentlich macht der keine Probleme wegen Katrin und so! Einige Fragezeichen tun sich vor mir auf.
Wie dem auch sei, mir soll das vorerst wurstegal sein, da er mir auf dem Weg zu seinem Auto sagt, er würde zweihundertfünfzig Euro am Tag zahlen, plus Spesen. Angesichts dieser Perspektive werde ich mir seine Geschichte zumindest mal anhören.
Wir fahren los, Richtung München. Bei der nächsten Ausfahrt verlassen wir gleich wieder die Autobahn. Er sei sich ziemlich sicher, dass uns gerade niemand folgt, sagt er. Nach ein paar Minuten auf der Landstraße biegt er rechts in einen Waldweg ab und hält an. Wir steigen aus, gehen ein paar Meter und er beginnt zu erzählen.
»Herr Graflinger, eines gleich vorweg. Falls Sie sich die Frage stellen, wie ich gerade auf Sie gekommen bin: reiner Zufall. Ich hatte am Freitag einen kurzen Termin mit meiner baldigen Exfrau und unseren beiden Anwälten. Meiner Noch-Ehefrau ist Ihre Visitenkarte aus der Handtasche gefallen. Sie sind vermutlich einer ihrer Kursteilnehmer gewesen, oder sonst noch was, das interessiert mich aber nicht.«
Nun, ein bisserl pikant ist die Situation schon. Auf diese Art und Weise hab ich auch noch keinen Auftrag bekommen. Auf der anderen Seite scheint ihm seine Ex wirklich egal zu sein, also mach ich mir keinen Kopf.
Der Doktor wird konkreter und sagt, was er von mir will.
»Ich brauche jemanden, der sich in ausreichendem Abstand in meiner Nähe unauffällig bewegt und die Augen offen hält. Ich werde beobachtet, und Sie müssen herausfinden, von wem und warum. Ein paar Details sollten Sie über mich wissen. Ich bin Wissenschaftler und arbeite am Hopfenforschungsinstitut Krüll. Zudem fällt demnächst die Entscheidung, wer letzten Endes die Professur für Pflanzenbiochemie an der Hochschule Weihenstephan erhält. Ich bin einer der drei Kandidaten, die es in die letzte Auswahlrunde geschafft haben, und kann deswegen keinerlei Bespitzelung gebrauchen, weder privat noch beruflich, verstanden?«
»Verstanden«, sag ich, obwohl mir das Ganze etwas zu schnell geht. Wir gehen weiter.
»Die Entscheidung über die Professur wird heute in einer Woche bekannt gegeben. Ich brauche Sie also für sieben Tage. Da ich keine größeren Reisen geplant habe, sollten Sie keine exorbitanten Auslagen haben. Hier ist eine Aufstellung meiner wenigen Außentermine für diese Woche. Sie werden jeweils dabei sein, natürlich im Hintergrund. Sind zweitausend Euro inklusive Spesen für die sieben Tage okay für Sie? Haben Sie noch Fragen?«
»Na klar hab ich noch Fragen!«
Der verliert aber auch keine Zeit.
»Hab ich Sie also richtig verstanden: Ich soll Sie verfolgen, weil Sie sich verfolgt fühlen. Das klingt schon fast wieder logisch. Vielleicht können Sie mir noch ein paar Kleinigkeiten mehr verraten.«
»Wie gesagt gibt es Mitbewerber um die Professur. Die Position wird neu geschaffen und ist sehr begehrt. Sie eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für die Pflanzenbiochemie und natürlich für den Stelleninhaber selbst. Zudem werde ich bald Forschungsergebnisse veröffentlichen können, die eventuell einigen Leuten nicht gefallen. Herr Graflinger, dann sind wir uns also einig. Hier haben Sie eintausend Euro als Vorschuss, der Rest kommt nächsten Montag. Ach ja, ich erwarte ab Mittwoch täglich pünktlich morgens um acht Uhr fünfundvierzig Ihren Anruf, in dem Sie mir Ihre neuesten Erkenntnisse mitteilen.«
Als wir wieder im Auto sind, gibt er mir seine Handynummer und die Privatanschrift. Während der Fahrt zurück zum Rasthof bekomm ich noch eine kostenlose Vorlesung in Sachen Pflanzenbiochemie, nicht ganz uninteressant. Ich glaub aber fast, da muss ich noch einmal im Internet nachlesen, damit ich alles kapier.
Finanziell gesehen war das Wochenende schon recht lukrativ und die СКАЧАТЬ