Название: Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis
Автор: Meinhard-Wilhelm Schulz
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745212631
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»Ich lud den kleinen Liebhaber als Raimondos Mama zu einem spätabendlichen Spaziergang am Lido ein, indem ich sagte, ich wolle ihn kennen lernen. Cornelia war mit von der Partie. Wir unterhielten uns längere Zeit mit ihm, bis es allmählich dunkel wurde. Jetzt gaben wir ihm etwas zu trinken. Ich hatte noch ein Wenig vom Gift übrig, mit dem ich meinem Mann Nachhilfe im Sterben gegeben hatte.
Da wurde ihm schlecht. Er hockte sich auf den Sand und jammerte. Der Ärmste hatte teuflische Leibschmerzen. Als er schließlich bewusstlos wurde, schoben wir ihn vorsichtig ins Wasser und tauchten seinen Kopf unter. Es war alles ganz einfach.
Wir nahmen dann auf der Venedig zugewandten Seite der Insel ein Wassertaxi, fuhren damit das beträchtliche Stück Richtung Dogenpalast, von dort aus den Canal Grande hinunter und kurz hinter der ‚Cá d‘ Oro‘ in den ‚Rio di San Felice‘ hinein, um uns an der Anlegestelle des ‚Palazzo Papafava‘ absetzen zu lassen. Wir gingen hinein und feierten den Sieg bis nach Mitternacht. Raimondo hatte keine Ahnung. Er steckte im Atelier und malte.«
Maria schwieg. Cornelia nahm das Wort:
»Und dann brach er hervor und kam zu uns ins Speisezimmer, bekleckert von oben bis unten. Ich triumphierte über ihn wie noch nie zuvor. In allen Einzelheiten schilderte ich, was wir getan hatten. Er heulte wie ein Mädchen. Ich gab ihm den guten Rat, Mutter und Ehefrau bei den Carabinieri anzuzeigen, aber er wagte es nicht. Man hätte ihm wahrscheinlich keinen Glauben geschenkt, und die Wasserleiche war längst eingeäschert.«
Volpe freute sich über so viel Offenheit; er sagte:
»An diesem Tag also überkam es Raimondo, sich als Mann zu betätigen. Es musste eine Tat sein, mit der er sich über die Heerscharen der gewöhnlichen Männer stellte. Dabei kam ihm zuerst der Gedanke, seine beiden Frauen zu ermorden. Das wäre ihm am liebsten gewesen und hätte ihm die größte Genugtuung verschafft. Doch diesen Plan verwarf er wieder, da er zu gefährlich war, zumal er damit rechnen musste, dass sie auf der Hut waren. Also tat er so, als ob sein Zorn verrauscht wäre und benahm sich wieder wie das allerliebste und allergehorsamste Kind.
Selbst ein biederer Wachmann wie Ambrosio hätte nämlich solch einen Fall gelöst. Ferner dürfte von nun an niemand mehr dagewesen sein, ihm zu helfen und ihn zu trösten. Der Gedanke, ohne Mutter und Frau, die ihm Mut und Zuversicht predigten, auf Leben und Tod vor Gericht zu stehen, war ihm unerträglich, selbst wenn sie ihm den Geliebten genommen hatten.
Da verstand er es denn, den Hass auf die beiden Damen in blinden Abscheu auf alle Frauen übertragen, und seine Wut richtete sich vor genau fünf Nächten gegen eine Passantin, die ihm hätte gleichgültig sein müssen.
Ihre Ermordung erfüllte ihn mit Selbstbewusstsein und Genugtuung, denn er hatte in Wirklichkeit die Mutter oder Ehefrau getötet. Jetzt sah er, wie die Carabinieri im Dunklen tappten, da es ja kein erkennbares Motiv zu entdecken gab. Das eröffnete ihm den Weg zu drei weiteren Frauenmorden, denn mit lähmendem Entsetzen musste er begreifen, dass die Erleichterung, die er sich mit jeder Gräueltat verschaffte, nur von kurzer, immer kürzerer Dauer war. Eines Tages, das begriff er, würde er die beiden ihn beherrschenden Frauen doch noch töten müssen.«
Volpe blickte erst Cornelia, dann Maria fest in die Augen. Sie zeigten keine Regung und schwiegen verbissen.
»Raimondo mordete, wie er lebte, als Feigling. Er wählte den mörderischsten Dolch aus, den es gibt und überfiel hilflose Frauen im Halbdunkel der Gassen, wo er sich so gut auskannte, dass er jedes Mal entkommen und bei seiner Mama Unterschlupf finden konnte. Habe ich Recht, Maria Augusta?«
Sie verzog keine Miene und starrte auf ihre Hände.
»Jedes Mal, wenn er ein Opfer schlachtete, fühlte Raimondo auch eine körperliche Befriedigung. Er war endlich zum Mann geworden, dem sich die Frauen hingeben mussten, dachte er, obwohl er nicht in der Lage war, sie zu schänden, wie das andere Verbrecher seiner Art stets tun.
Er beschränkte sich vielmehr darauf, ihnen das Kleid aufzuschlitzen, um sie in obszöner Haltung liegen zu lassen. Wäre er wirklich ein Mann gewesen, ein abscheulicher, so hätte er ihnen an anderem Orte aufgelauert, ihnen das Messer an die Kehle gesetzt und sie vergewaltigt, bevor er ihnen den Rest gab.«
Volpe war jetzt wieder aufgesprungen und lief außer sich vor Erregung im Zimmer auf und ab. Ich sah, wie Maria Augusta mehrfach den Mund öffnete, um ihn stumm wieder zu schließen. Cornelia bleckte die Zähne. Ihre wulstigen Lippen zuckten. Volpe stützte sich nun auf den schweren Tisch, auf dem vorhin noch die Speisen gestanden waren und starrte abwechselnd auf die bleich in sich gekehrten Frauen:
»Ich will euch gar nichts vormachen«, zischte er, »Raimondo hat kein Geständnis abgelegt. Er hat alles abgestritten. All das, was ich eben gesagt habe, entspringt meiner Intuition, und dennoch: Er hat vier Frauen getötet, das kann weder seine Frau noch seine Mutter leugnen. Ihr kennt seine Motive vielleicht besser, als ich es zu schildern vermochte, aber dann …«
Ich sah Volpe ins Gesicht. Er hatte den fuchsigen Ausdruck des Spielers angenommen, der den entscheidenden Schachzug tut, um den Gegner matt zu setzen. Auch die beiden Frauen starrten wie gebannt auf ihn:
»…und dann hat sich eine von euch beiden eingebildet, es könne ihr mit einem vergleichbaren Mord gelingen, den Untertan aus dem Gefängnis loszueisen, um ihn diesmal ganz allein in ihre persönliche Gewalt zu bekommen. Sie hat ihn entweder dergestalt geliebt oder war in ihrem Besitzerstolz so unermesslich verletzt, dass sie sogar zum Mord bereit war.«
Ich sah, wie Maria der Schwiegertochter einen tödlichen Blick zuschleuderte. Noch nie hatte ich in einem menschlichen Antlitz solchen Hass lodern sehen. Cornelia hingegen war noch ein Wenig mehr in sich zusammen gesunken und ließ die Unterschenkel jetzt vor dem Korbstuhl herab baumeln. Die Augen richtete sie starr, wie in Hypnose, auf Volpe. Der Mund war leicht geöffnet. Die Oberschenkel verwuchsen waagerecht mit dem Polster und klebten fest aneinander. Ihre Arme ruhten auf der Lehne. Volpe schüttelte die rote Löwenmähne und brüllte:
»Graf Raimondo ist tot. Er hat sich selbst gerichtet. Jetzt aber ist der fünfte Mord geschehen, und eine von euch beiden war es, das könnt ihr vor einem Volpe nicht leugnen. Wenn ich den Fall aus den Händen gebe und die Sache Marcello überlasse, dann weiß die Mörderin, was auf sie zukommt.
Diesmal wird man sie, aus Raimondos Suizid klug geworden, ununterbrochen bewachen, Tag und Nacht, damit sie sich nichts antun kann, denn der lüsterne Pöbel dürstet nach Rache und will sie auf immer und ewig hinter Gittern sehen. Und das alles hat sie nur getan, um einem Verbrecher und Mörder, den sie für ihr Eigentum hielt, Leben und, äh, Freiheit zu retten.«
Volpe schwieg und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Welche von beiden würde sich zur Tat bekennen?
»Es macht mir nicht das Geringste aus, für meinen Sohn ins Zuchthaus zu gehen«, flüsterte jetzt Maria Augusta, »er war mein Kind, mein einziges, mein Ein und Alles. Ich stand zu ihm, ganz gleich, was er tat, und um die dreckigen Huren, die er umbrachte, ist es nicht schade.«
»Du allmächtiger Gott!«, rief ich, »du also hast die ‚Formica‘, diese stadtbekannte Prostituierte erdolcht?!«
»Ich denke, ja, aber ihren Namen höre ich zum ersten Mal.«
»Aha«, sagte Volpe trocken, »du warst also die Bestie, die unmittelbar vor der Einmündung der ‚Calle Forno‘ das abscheuliche Blutbad veranstaltete, oder?«
»Ja, ich war‘s«, sagte sie zögerlich.
»Dann СКАЧАТЬ