Название: Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745212532
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Benedict findet das reichlich plakativ und propagandistisch, aber er möchte den Mitteilungsdrang der Frau nicht blockieren und nickt daher interessiert mit dem Kopf.
„Ich fand Dean Sanger nicht nur als Künstler, sondern auch als Menschen großartig. Besonders gefiel mir seine Bescheidenheit und Freundlichkeit. Er war ein so sensibler Mensch. Manche Kollegen hatten ja was gegen sein politisches Engagement, aber wenn sie ihn dann persönlich sahen, änderten sie ihre Meinung. Wissen Sie, dass in Potsdam sogar eine Schule nach ihm benannt wurde?“
Als Benedict später mit Marianne Theuerkorn zusammen die Stabskantine verlässt, scheint es, als habe er eine Freundin gewonnen.
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„Na, kommen Sie mit unseren neuen Kollegen zurecht?“
Mit dieser Telefoniererei ist das aber auch jedes mal ein Kreuz. Immer muss er dazu über den LKA-Beyer gehen und immer wieder dessen blöde Fragen beantworten, bevor er endlich Zugang zu dessen Funktelefon erhält.
Ganser hat zum Glück Stallwache im Düsseldorfer Präsidium.
„Seid ihr schon auf was gestoßen?“
„Du bist gut. Liefer erst mal genügend Material! War ja reichlich dünn in der letzten Woche. Wir
wollten dich beinah schon zur Fahndung ausschreiben!“
„Hab dir doch gesagt, was los war. Also notiere, oder kannst Du das auch nicht?!“
„Ich höre!“
„Günther Gronwald, geb. 12.9.1941 in Werneuchen ...“
„In was?“
„Werneuchen!“
„Sind das Namen“, stöhnt der Rheinländer am anderen Ende der Leitung gequält auf.
„Gudrun Hindemith, geb. 10.5.1934 in Leipzig. Das wirst du ja wohl kennen!“
Am Ende sind es elf Namen, die Benedict zur Abgleichung an die Kollegen vom K1 durchgegeben hat. „Und sonst? Gibt’s was Neues bei euch?“
„Nö. Die Düsseldorf Panther haben die Red Barons mit 11:0 besiegt, aber das wirst du schon wissen!“ Weiß er nicht. Der Sieg des Düsseldorfer Football-Teams ist an ihm vorbeigegangen.
„Hat Mel Crandell bei den Kölnern mitgespielt?“
„Woher soll ich das denn wissen? Ich war mit Angela zum Gedenktags-Picknick, und außerdem weißt du doch, dass ich mit American Football nichts am Hut habe!“
„Gedenktags-Picknick?“
„17. Juni, Mensch, wo lebst du denn?!“
„Ach ja, der...“
Auch davon hatte er draußen in Rauchfangswerder nichts mitbekommen.
Als Littbarski in der 89. Minute doch noch das Tor für Deutschland schießt, haut ihm Meißner so fest auf die Schulter, dass er sich fast die gesamte Bierflasche über die Hose schüttet.
„Jaaa!“, brüllt Meißner laut und tanzt vor seinem Stuhl herum. „Das ist es! Na endlich, der kleine Littbarski! Und das kurz vor Schluss, Mensch!“ Benedict versteht Meißners Aufregung nicht. Schließlich war die deutsche Mannschaft sicher im Achtelfinale und das Spiel gegen Kolumbien in Mailand reine Formsache. Ja, wenn das die Super Bowl gewesen wäre. Aber diese Kickerei ... Und wieso echauffiert sich der Meißner überhaupt so? Da spielt doch die BRD. Und warum ist der zum Fußballgucken hierher ins VP-Heim gekommen, wird doch wohl ’n Fernseher zu Hause haben.
Minuten später hat sich dann auch der MUK-Lei-ter wieder unter Kontrolle. Die Kolumbianer haben in der letzten Spielminute doch noch den Ausgleich geschafft und die Verhältnisse wieder geradegerückt.
„Ist ja von den Spielanteilen her auch gerecht“, meint er, als sie den Fernsehraum verlassen und zu Benedicts Zimmer gehen. Während der sich im Badezimmer eine neue Hose anzieht, grübelt er immer noch darüber nach, warum Meißner diesen Abend ausgerechnet im Fernsehsaal des VP-Gästeheims verbringen wollte. Wieder zurück, sieht er Meißner in dem Buch über Dean Sanger blättern.
„Immer noch auf heißer Fährte?“, fragt er den Eintretenden spöttisch und legt das Buch aus der Hand. „Sagen wir mal so: immer noch interessiert.“
„Hab Sie wohl nicht so ganz überzeugt?“
„Ja, das trifft es wohl.“
„Mm. Wär ja auch gelacht, wenn’s anders wäre. Na, dann habe ich Ihnen hier was mitgebracht, das Sie wohl endgültig überzeugen wird!“
Erstaunt blickt der Hauptkommissar auf den Umschlag, den der Leiter der MUK aus seiner Jackentasche genestelt hat.
„Vertraulich und zu treuen Händen. Ich erwarte, dass Sie mir den Bericht morgen wieder persönlich zurückgeben. Er muss wieder dahin ... wohin er gehört. Sie verstehen hoffentlich!“
Dann ist Meißner ganz plötzlich aus dem Zimmer verschwunden, und Benedict reißt den Umschlag auf. Als er das oberste Blatt des mehrseitigen Berichts gelesen hat, weiß er, was Meißner mit seinen letzten Worten sagen wollte. Adressiert an den General-Staatsanwalt von Berlin, Hauptstadt der DDR und mit Datum 01.07.1986, 7.30 Uhr handelt es sich um nichts weniger als das Sachverständigengutachten der Professoren Dr. med. O. Gropol und G. Madar vom Bereich Medizin (Charité) der Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Gerichtliche Medizin, in der Leichensache Sanger, Dean, gestorben 12.06.1986!
Das ’n Ding. Der Meißner, dieser volkseigene Stiesel! Und dann bringt der ihm klammheimlich den Sangerschen Sektionsbericht. Den Klassenfeind mit geheimen DDR-Unterlagen zu versorgen! Was mochte darauf früher gestanden haben? Lebenslänglich wegen Landesverrat und Konspiration? Warum macht er das? Was verspricht sich der Meißner davon? Oder wirklich doch nur kollegiale Hilfe? Was hatte der am See noch gesagt: ein Freundschaftsdienst...
Kein Zweifel, das Gutachten stützt Meißners Angaben zum Tode Dean Sangers ganz gewaltig, wenn es auch nur als Vorläufiges Gutachten gekennzeichnet ist. Gibt es vielleicht aber doch noch ein Endgutachten mit abweichenden Ergebnissen? Das geht aus diesen Unterlagen nicht hervor. Und was soll das heißen, die Befunderhebung ist erschwert und stark eingeschränkt. Nur eine der üblichen, vorsorglichen Absicherungen gegen den späteren Nachweis professoralen Fehlgutachtens oder mehr?
Prof. Gropols achtseitiges Gutachten wirft jedenfalls Fragen auf, die ein medizinischer Laie wie Benedict nicht beantworten kann. Morgen früh würde er doch mal nach West-Berlin rüber fahren müssen, denn für dieses Gespräch möchte er jeden Mithörer ausschließen.
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