Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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Читать онлайн книгу Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek - Peter Schrenk страница 104

СКАЧАТЬ haben wollen ... sogar mit Widmung!“

      Sie hält ihm das dünne Bändchen mit Dean Sangers Foto auf dem blauen Einband entgegen und bleibt dann abwartend neben dem Türrahmen stehen. Zum Setzen kann er sie schlecht auffordern, denn außer dem schmalen Gästebett gibt es keine Sitzgelegenheit in dem kargen Zimmer. Also blätterter im Stehen das Büchlein mit dem Titel „Aus meinem Leben“ durch.

      „Für Diana, alles Gute! Dean Sanger“, liest er laut.

      „Das bin ich!“, sagt sie, und tatsächlich klingt aus ihrer Stimme so etwas wie Stolz.

      „Also findest du ihn doch ganz gut, oder?“

      „Na ja, früher mal. Als ich noch klein war“, windet sie sich ein bisschen.

      „Aha ...“, versucht Benedict seinen Spott zu unterdrücken.

      „Dean Sanger war mehr was für ältere Leute wie meine Eltern, die Oktoberclub-Generation. Wir standen mehr auf echtem West-Rock oder DDR-Bands wie City, Silly oder Karat. Vielleicht auch noch die Puhdys oder Nina Hagen.“

      „Und warum?“

      „Der Dean Sanger hatte doch nicht so viel drauf. Texte und Musik, meine ich. Und außerdem war der immer so ... politisch und lieb Kind bei den Parteioberen. Nö, Dean Sangers Gesülze war nicht mehr unser Ding!“

      Am folgenden Sonntag, von ungewohnt lautem Vogelgezwitscher früh geweckt, nutzt Benedict die morgendliche Stunde zu einem ausgiebigen Spaziergang durch Rauchfangswerder. Die Anschrift von Dean Sanger aus den MfS-Akten hatte er sich mit einiger Anstrengung vor Augen gerufen, und nach kurzem Suchen steht er vor dem Anwesen am Schmöckwitzer Damm. Eigentlich weiß er gar nicht genau, warum er diesen Ort aufsucht. Schließlich kann er da nicht einfach reingehen und mit Sangers Witwe ein morgendliches Pläuschchen veranstalten. Worüber auch? Aber wenigstens hat er sich einen Eindruck von den Lebensumständen des Sängers verschafft. Weiß jetzt, an welchem Ort Raschke den Amerikaner zur Mitarbeit gewonnen hat. Und die Witwe würde sowieso mit Vorsicht zu genießen sein, denn immerhin war sie ja nicht so ganz uneingeweiht gewesen.

      „Nu, ’n bisschen umgesehen?“, begrüßt ihn Meißner am Frühstückstisch mit Misstrauen in der Stimme.

      „Ja. Herrliche Gegend hier!“

      „Haben Sie Lust zu einer kleinen Spazierfahrt?“, fragt ihn Herbert Meißner, als sie das Frühstück beendet haben.

      „Bei dem schönen Wetter?“

      „Ist vielleicht zu weit zum Laufen, aber wenn Sie nicht wollen ..."

      Nach kurzer Fahrt halten sie vor einem kleinen, stillen Friedhof, und Meißner führt den West-Polizisten wortlos zu einer Grabstelle mit einem fast unbearbeitet wirkenden Findling. Grobe Steinmetzwerkzeuge haben ihn mit einer Inschrift versehen. Dean Sanger 22.9.1938 -12.6.1986.

      Hier also liegt er begraben. Ein richtiger Friedhof. Das leichte Rauschen der Kiefernkronen unterstreicht nur noch die Ruhe der Anlage. Einen weiten Weg ist er gegangen. Von den Ausläufern der Rockies bis zu den märkischen Sanddünen.

      „Es gibt da so eine Geschichte zu diesem Grabstein ..."

      „Ja?“

      „Angeblich hat seine Frau panische Angst davor gehabt, dass er sie in Richtung Amerika verlassen wollte. Um sie zu beruhigen, hat er vor seiner letzten USA-Reise dieses Grab und diesen Grabstein gekauft. Da war sein Todesdatum aber wohl noch nicht drauf“, kann sich Meißner den Sarkasmus nicht verkneifen.

      „Hat wohl nicht nur seine Frau davor Angst gehabt!“

      „Wieso?“

      „Raschke hat in seinen Berichten über Sanger sehr oft betont, dass dieser keinesfalls beabsichtige, der DDR den Rücken zu kehren. Für meinen Geschmack etwas zu oft. Klang ein bisschen so, wie das berühmte Pfeifen im Wald!“

      „Kann ich mir gar nicht vorstellen. Dem ging’s doch nun wirklich gut bei uns. Können wir weiter?“ Später lenkt Meißner den Lada auf einen engen Forstweg und hält erst, als sie schon Wasser durch die Bäume blinken sehen. Wenige Meter gehen sie noch zu Fuß, bevor sie den Wald verlassen und am Rande eines flachen, verschilften Seeufers stehen. Nicht weit entfernt ragt ein Wasserrettungsturm auf. Da drüben, zeigt Meißner in die Anfahrtrichtung, liegt Rauchfangswerder, und dahinten Schmöckwitz. An dieser Stelle hat man Dean Sanger damals gefunden.

      Bevor Benedict den Ort länger auf sich wirken lassen kann, wendet sich der MUK-Leiter unvermittelt ab und geht mit eiligen Schritten zurück in den Wald. Suchend springt sein Blick zwischen den Kiefernbäumen hin und her. Schließlich weist er auf einen etwas freieren Platz. „Da stand sein Wagen. Auch ein Lada. Beschädigungen an der vorderen Stoßstange. Muss wie ein Irrer zwischen den Bäumen durch gebrettert sein. Na, kein Wunder. Bei dem Zustand.“

      „Woher wissen Sie das alles?“

      „Der Vorgang landete damals sofort bei uns, bei der K. Gleich nachdem die Wasserschutzpolizei Sangers Leiche gefunden hatte.“

      „Also, Sie haben die kriminalpolizeilichen Ermittlungen in der Todessache Sanger geführt? Und das sagen Sie mir erst jetzt!“

      „Nu hören Sie mir bitte mal zu, Kollege Benedict! Ich habe den Auftrag, Sie bei der Klärung des Sachverhaltes Raschke, alias Fuchs, zu unterstützen. Von Ermittlungen in der Sache Sanger ist nie die Rede gewesen. Die Auskünfte, die ich Ihnen an diesem Wochenende gebe, sind ein reiner... Freundschaftsdienst, und nichts weiter. Ich glaube nicht, dass Ihre und meine Vorgesetzten darüber sehr glücklich wären. Schließlich ist der Fall schon lange abgeschlossen. So viel ist ja mal Fakt!“

      Auf dem Rückweg macht Meißner einen kleinen Umweg, und es gelingt ihnen tatsächlich, zwei freie Plätze in dem Schmöckwitzer Ausflugslokal zu ergattern.

      Als sie dann bei einem freundlichen Hellen an einem der Gartentische in der „Palme“ sitzen, scheint sich auch der Ost-Kriminale so weit beruhigt zu haben, dass Benedict wagen kann, ihn in den Hintergrund seiner Sanger-Neugier einzuweihen.

      „Das sind doch reine Hirngespinste von Sangers Tochter in Amerika. Wir konnten jedenfalls damals keinerlei Fremdverschulden feststellen. Der ist ertrunken. Haben unsere Ermittlungen einwandfrei ergeben.“

      „Und Ihre Leute von der MUK waren damals auch als erste am Fundort der Leiche? Ich meine, nachdem die Wasserschutzpolizei ihn geborgen hatte?“

      „Na ja, nicht direkt“, druckst Meißner etwas herum, „die Genossen von der Firma waren schon vorher da. Aber das war ganz natürlich. Nachdem Sanger von seiner Frau als vermisst gemeldet worden war, sind die selbstverständlich sofort eingeschaltet worden und haben da mit der Wasserschutzpolizei zusammen im Schilf rum gestochert. Einen Dean Sanger lässt man schließlich nicht so einfach verschwinden!“

      „Also waren Sie erst nach den MfS-Leuten bei der Leiche?“

      „Mensch, Benedict“, reagiert der MUK-Leiter ziemlich genervt, „wir von der K haben uns von denen auch kein X für ein U vormachen lassen. Sicher, offiziell hätten wir deren Version über Tathergänge niemals anzweifeln dürfen. Aber wir hatten auch unseren beruflichen Stolz. Manche Nachermittlungen haben wir da nur für uns selbst geführt. Um die Brüder bei Fehlern oder Vertuschungen zu erwischen. Nicht, um es ihnen nachzuweisen, sondern aus kriminalpolizeilichem Ehrgeiz. Aber СКАЧАТЬ