Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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СКАЧАТЬ das Ganze wohl ernstere Formen annehmen, und da trat der gute Raschke dann ins Fettnäpfchen. Allerdings trugen höhere Chargen die Verantwortung dafür. Bei dem als Aussprache titulierten Treffen mit Sanger am 28.10.1977 führte nämlich ein Gen. OSL. Heckerodt Regie, und das wäre fast ins Auge gegangen. Hintergrund dieses Treffs war ein geplanter Flug des Sanger nach Beirut, wo er mit der PLO-Spitze über ein von ihm geplantes Filmprojekt sprechen wollte. In diesem Gespräch forderte ihn Heckerodt ziemlich unverblümt zur Bespitzelung von Arafat auf, was Sanger wohl als ziemlich ehrenrührig empfand. Jedenfalls reagierte er ablehnend: Was die PLO betrifft, so sagte er, dass er gern mit einem leitenden Genossen des MfS sprechen würde, damit er weiß, dass alles seine Richtigkeit hat. Er wollte gern mit Gen. Mischa Wolf sprechen.

      Dean Sanger, der „bigshot“, wollte also nicht mehr mit den kleinen Fischen Geschäfte machen. Da mussten die Genossen von der HA II ganz schön geschwitzt haben. Jedenfalls gelang es ihnen, Sanger auf einen höheren Vorgesetzten zu vertrösten, und sie vereinbarten einen konspirativen Treff auf dem Parkplatz Kino Kosmos am 1. November.

      Benedict hat Glück, denn er bekommt die Ergebnisse dieses Treffs noch im Laufe des Mittwochs auf seinen Arbeitstisch in der Zentral-Kartei. Seine Befürchtungen, dass es bei einem längeren Gespräch auf einem herbstlich kalten Kino-Parkplatz zu gesundheitlichen Schäden der Beteiligten hätte kommen können, erwiesen sich als unbegründet: das Treffen fand dann doch in einem konspirativen Objekt der HA II/3 statt, und der avisierte, höhere Vorgesetzte war der Gen. Oberstltn. Fiedler, der dem guten Dean Sanger auseinandersetzte, dass das MfS ausschließlich zu dem Zweck Informationen benötigt, um Angriffe der imperialistischen Staaten und ihrer Geheimdienste gegen die DDR, die anderen sozialistischen Staaten und gegen die nationalen Befreiungsbewegungen zu erkennen und zu verhindern, und er dafür um seine Unterstützung gebeten wurde ... im Ergebnis der Diskussion erklärte er, dass seine Bedenken damit zerstreut sind und schlug selbst vor, ein weiteres Treffen konkret zu vereinbaren.

      Na bitte, hatten sie die Kuh doch vom Eis gekriegt. Jedenfalls für diesmal. So ganz einfach war das mit dem US-Boy aus Denver also doch nicht gewesen, und richtig schienen sie dem Frieden auch nicht zu trauen. Der vom Herrn Oberstleutnant Fiedler letztendlich abgezeichnete Gesprächsbericht macht auf Hauptkommissar Benedict einen eigenartigen Eindruck. Das Gespräch verlief in einer sehr aufgeschlossenen herzlichen Atmosphäre. „Victor“ äußerte in keiner Form Zweifel oder Bedenken gegenüber den Mitarbeitern des MfS, sondern hinterließ auf Grund seiner eigenen Initiative den Eindruck, dass er in dem beim letzten Gespräch abgesteckten Rahmen gewillt ist, das MfS zu unterstützen. Benedict, gewarnt durch Meißners Worte von den möglicherweise „getürkten“ Aktenvorgängen, klopft diese Sätze misstrauisch immer wieder ab. Wie er es auch dreht, es klingt merkwürdig. Als hätte da jemand nachträglich Absicherungen vorgenommen. Absicherungen für Umstände, deren Eintreffen er befürchtete. Oder von deren Eintreffen er schon wusste.

      Es nützt nichts. Er braucht einfach mehr Informationen über die Person dieses Sanger. Alles, was er bis jetzt weiß, hat er aus den Akten des MfS und dem beigefügten Fragebogen zum Antrag auf ständigen Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Juli 1973 erfahren. Und das ist dürftig genug.

      Kurz vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag war der US-Bürger Dean Sanger, aus Rom kommend, in die DDR übergesiedelt, wo er eine Dolmetscherin geheiratet hatte, was Benedict als sehr praktisch empfand. Hatte dabei wohl auch das hilfreiche Wohlwollen des Ministeriums für Kultur genossen, dass seinen Antrag auf einen DDR-Personalausweis entschieden befürwortete. Warum die offiziellen Stellen der DDR so interessiert an dem Amerikaner waren, ist Benedict noch nicht klar. Auch nicht, wieso Dean Sanger zum Beispiel über Kontakte zur obersten Ebene der PLO verfügte, ja sogar Yasir Arafat persönlich zu kennen schien. Nein, es nützt nichts, er würde heute mal früher Schluss machen.

      Der Weg zur U-Bahn ist schweißtreibend. Drückend liegt die feuchte Wärme über den Straßen der DDR-Hauptstadt.

      Als der graue Wartburg der MUK neben ihm hält, ist er zuerst erleichtert, aber es ist nicht Meißner, sondern Oberleutnant Engel, der ihm die Wagentür aufhält.

      „Nanu, haben Sie auf mich gewartet?“

      „Nee, nee. Hatte zufällig hier in der Nähe zu tun. Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?“

      „Ja, in die Beimler-Straße. Ist der Meißner da?“

      „Hm. Wohl der Einzige. Schätze, die meisten waren heute auch an der Ackerstraße!“

      „Wieso? Was war da los?“

      „Presse mäßiger Mauerabbau mit Freibier und allgemeiner Verbrüderung. War ganz lustig.“

      Benedict ist sich nicht sicher, wie er Engels Äußerung einschätzen soll. Ist er nun dafür oder dagegen. Merkwürdiges Zusammentreffen. Wirklich nur zufällig? Oder hatte ihn der Meißner in die Normannenstraße geschickt?

      „Sagen Sie mal, Herr Engel, haben Sie schon mal was von einem Dean Sanger gehört?“

      Belustigt schlägt der Oberleutnant mit einer Hand auf das Lenkrad, so als hätte der Mann aus dem Westen einen besonders guten Witz gemacht. „Haben Sie schon mal was von Dean Sanger gehört!!! Dean Sanger! Verdienter Oktoberklub-Sänger des Volkes! Amerikanischer Friedensfreund und lieb Kind der sozialistischen Tattergreise. Mensch, Herr Benedict! Sie werden kaum eine FDJlerin von Aue bis Zinnowitz finden, die früher nich’n nasses Höschen bei seinem Anblick bekommen hat!“

      „Früher?“

      „Na ja, is’ vorbei. Dean Sanger ist ja vor ’n paar Jahren gestorben. Wie kommen Sie denn gerade auf den?“

      Benedict hat Glück. Sie haben die Einfahrt des VP-Präsidiums in der Beimler-Straße erreicht, und Engel ist anderweitig in Anspruch genommen. Mit einem „TONI 177, beende Funkbeziehung!“, meldet er sich bei der Zentrale zurück.

      Hauptkommissar Meißner reißt erstaunt die Augen auf, als Benedict so unverhofft in der MUK auftaucht. Als Benedict ihm sagt, dass Engel ihn ganz zufällig an der Normannenstraße auf gegabelt hat, scheint er sich noch mehr zu wundern. Darüber wiederum ist Benedict erstaunt, da er aber im Moment ganz andere Dinge im Kopf hat, verfolgt er es nicht weiter.

      „Können Sie mir nähere Auskünfte über einen gewissen Dean Sanger geben?“

      Verblüfft starrt Meißner den Düsseldorfer an. „Dean... Sanger?“

      „Ja. Diesen Amerikaner, der in die DDR eingeheiratet hat. Muss ’ne ziemliche Nummer bei euch gewesen sein!“

      „Nu, der ist doch tot. Was woll’n Se denn mit dem auf einmal?“

      Dass diese Frage kommen musste, war Benedict klar. Die Antwort, die er sich schon zurechtgelegt hatte, kommt daher leichthin und mit einem belanglosen Unterton.

      „Der Raschke-Fuchs war auf den angesetzt gewesen. Hat wahrscheinlich nichts mit seinem Tod zu tun, aber aus Gründen der Ermittlungsvollständigkeit ... können Sie mir dazu mehr sagen? Auch die Umstände von Dean Sangers Tod sollen ja ein bisschen zwielichtig gewesen sein. Der ist ja wohl... angeblich ertrunken. In einem See, hier in der Nähe?“

      „Dean Sanger...“

      Die Art, wie Meißner den Namen im Munde herumdreht, lässt Benedict aufmerksam zuhören. Engels merkwürdiger Ausbruch vorhin im Wagen hatte seine Sinne bereits geschärft, so dass ihm nun die feinen Nuancen in Meißners Antwort nicht entgehen. So spricht man keinesfalls den Namen eines bewunderten Freundes oder geachteten Künstlers aus. Eher schon den eines beneideten Rivalen und ... eine gewisse СКАЧАТЬ