Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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Читать онлайн книгу Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek - Peter Schrenk страница 102

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      „Bis Freitag!“

      „Bis Freitag?“

      „Ja. Bis dahin kann ich Ihnen vielleicht etwas besorgen. Über diesen ... Sanger!“

      Nein, „Victor“ war keine leichte Nuss für die Leute vom MfS gewesen. Armer Hauptmann Raschke. Er hatte da mit Sanger einen kompletten Flop fabriziert. Langfristig schien ihm das aber nicht geschadet zu haben, denn er war ja später als OibE eingesetzt worden. Oder war das ein Abschiebeposten gewesen?

      Desillusioniert hatten Raschkes Obere im März 1978festgestellt: Für eine inoffizielle Zusammenarbeit mit Sanger bestehen keine Möglichkeiten. Im November des gleichen Jahres kam dann die kalte Dusche für die Leute von der Firma. Ein richtiger Hammer von ganz hoch oben, der in einem bürokratisch formulierten Abschlussvermerk seinen Niederschlag fand: Durch die Leitung der HA II wurde bekannt, dass Sanger im ZK (Büro Honecker) Beschwerde führte, dass er aufgefordert wurde, gegen die PLO zu arbeiten, was nicht den Tatsachen entsprach. Generalmajor Kratsch, Leiter der HA II wies an, die Zusammenarbeit mit S. abzubrechen. Auch bei Anrufen des S. keine weiteren Treffs zu organisieren. Aus diesem Grunde wurde zu ihm befehlsgemäß der Kontakt abgebrochen. Aus diesem Grunde erfolgt eine Archivierung der Unterlagen. Raschke, Major.

      Benedict legt die Abverfügung zur Archivierung des Vorgangs zurück auf den Schreibtisch und pfeift leise durch die Zähne. Trotz der Pleite mit Sanger ist Freund Raschke also befördert worden. Na gut. Ging wahrscheinlich automatisch. Aber dieser Ami... ein Wort von ihm beim ZK, und das MfS spurte. Irgendwie stimmte das nicht mit seiner bisherigen Sicht der Dinge überein. Aus der Flut der Medienberichte über diese Organisation hatte er den Eindruck gewonnen, dass das MfS als Staat im Staate machen konnte, was es wollte. Die Tatsache aber, dass ein Wink aus dem ZK genügte, um die Leute kuschen zu lassen ... das deutete doch daraufhin, dass die Firma nur ausführendes Organ war. Wie hatte Meißner gesagt? Schild und Schwert der Partei.

      Freitag Vormittag stößt der Hauptkommissar dann aber völlig überraschend auf einen weiteren Sanger-Vorgang in den Akten des nun wehrigen Majors Raschke. Der hatte sich für die ihm beigebrachte Niederlage bei Sanger gerächt. Benedict bezweifelt, dass Dean Sanger je erfahren hat, wer ihm sein PLO-Filmprojekt in der DDR vermasselt hat. Der gesammelte Schriftverkehr zwischen der DDR-Filmgesellschaft DEFA, der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK und dem Mitglied des Politbüros Prof. Kurt Hager über Dean Sangers geplanten Film „Tel Zataar“ zeigt deutlich die Einflussnahme des MfS. Jedenfalls wird Dean Sangers Filmscript trotz Fürsprache Yasir Arafats abgelehnt. So ist das eben, wenn man kleinen Leuten auf die Füße tritt. Jedenfalls kann Benedict sich am Freitag wieder auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Raschke ist wieder in der Hauptabteilung XX „politisch-ideologische Diversion“ gelandet.

      Was er über Sanger aus den Akten erfahren hat, ist immer noch wenig genug. Im Grunde genommen weiß er über ihn nicht mehr als am vergangenen Montag, wo er einen Bekannten in der Musikredaktion des WDR angerufen hatte. Der hatte auf seine Frage nach einem amerikanischen Sänger namens Dean Sanger aus Denver lakonisch geantwortet: „Da fällt mir nur Johnny Denver ein, aber wer um Himmels willen soll Dean Sanger sein?“

      Ja. Wer um Himmels willen ist Dean Sanger.

      6

      „Na, haben Sie am Wochenende schon was vor? Sonst könnten Sie mit zu uns nach Rauchfangswerder kommen. Ich hab da so ’ne kleine Klitsche geerbt!“

      Fast bekommt Benedict eine Kiefersperre, als der MUK-Leiter ihn am Freitagmittag in der Normannenstraße anruft. So was hätte er vielleicht von Engel erwartet, aber bestimmt nicht von dem verkniffenen Meißner. Aber, warum denn nicht? Sicher besser als in dieser volkseigenen Jugendherberge rumzuhängen. Also akzeptiert er das überraschende Angebot des Kollegen, der ihn wenig später mit seinem Lada in der Ruschestraße erwartet.

      „Ich fahr Sie schnell am VP-Heim vorbei. Da können Sie sich umziehen und ... ja ich soll Ihnen von meiner Frau noch ausrichten, wenn Sie schmutzige Wäsche haben, bringen Sie die doch mit. Sie macht Ihnen das übers Wochenende fertig!“

      Immer noch verblüfft über die plötzliche Gastfreundschaft des Ost-Kriminalen, ramscht er dann ein paar Jeans und T-Shirts in seinem Zimmer zusammen, während Meißner draußen im Wagen wartet. Nach einigem Zögern klemmt er sich dann doch den Beutel Schmutzwäsche untern Arm.

      „Wohnen Sie nicht auch hier irgendwo in der Nähe?“, fragt er dann in der Annahme, dass sie Meißners Frau noch zu Hause abholen müssten.

      „Gleich um die Ecke“, antwortet der mit einer vagen Handbewegung, „aber wir können direkt

      raus fahren. Meine Frau und meine Tochter sind schon da!“

      „Sie haben eine Tochter? Wie alt ist die denn?“

      „Sechzehn. Geht noch zur Schule. Und Sie? Haben Sie Kinder?“

      „Hm, hm“, verneint Benedict kopfschüttelnd, und damit hat sich der Gesprächsstoff vorerst für eine Weile erschöpft.

      „Welche Richtung liegt das eigentlich, dieses Rauchfangwerder?“

      „Rauchfangswerder! Mit s dazwischen. Richtung Grünau, wenn Ihnen das was sagt.“

      „Können Sie da vorne halten?“

      „Wo halten?“

      „Da bei dem Blumenstand!“

      Als Benedict nach einer Weile mit einem Blumenstrauß zurückkommt, schüttelt Meißner nur den Kopf. „Das Geld hätten Sie sich sparen können. Wir haben genug Blumen im Garten.“

      Meißners Lada rattert auf einer vierspurigen Ausfallstraße am S-Bahnhof Grünau vorbei. Keine Plattenbauten, keine Mietsblöcke mehr. Benedict genießt den Anblick märkischer Kiefern links und rechts der Straße. Er versucht, das Seitenfenster runter zu kurbeln, aber die Mechanik scheint überdreht, und er belässt es bei dem Versuch.

      „Da drüben wohnt auch Stefan Heym. Falls Ihnen der Name was sagt!“

      Falls Benedict gekränkt ist, lässt er sich das jedenfalls nicht anmerken. Heyms „Kreuzfahrer“ waren ihm im Bücherschrank seiner Eltern in die Hände gefallen. Ein spannender Roman, der ihm den ersten Zugang zu deutscher Gegenwartsliteratur eröffnet hatte. Da war er so um die zwölf gewesen. Später, im Westen dann, hatte er den weiteren Weg des störrischen Schreibers immer mit Aufmerksamkeit verfolgt.

      „Ja. Der Name sagt mir was“, erwidert er, aber seine leisen Worte dringen wohl nicht an die Ohren Meißners, denn der zeigt keinerlei Reaktion.

      Schließlich überqueren sie eine Brücke. Links und СКАЧАТЬ