Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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СКАЧАТЬ zählte wie manche Bücher oder eben ... Bananen. Teure Alternative zu den FDGB-Heimen in Oberwiesenthal oder Heringsdorf. Warme Windstille liegt über dem Hafen. Vor dem Restaurant am Fuß des Leuchtturms haben neue Pächter große Sonnenschirme mit Werbeaufdrucken aufgestellt. Überall in der DDR verschandeln diese Dinger jetzt die Landschaft. Man hätte den Leutchen hier vielleicht besser sagen sollen, dass der westliche Kapitalismus seine Feldzüge weniger mit NIKE-Raketen, als mit Feldbatterien von Werbeschirmen plant. Auch ein Wagen mit Pommes und Bratwurst hat sich schon eingefunden. Benedict bestellt sich eine Portion Pommes mit Ketchup, aber den „gibt’s bei uns erst nach der Währungsunion!“. Nein, der Zauber vergangener Tage ist unwiderruflich verloren. Er hätte nicht hierher fahren dürfen.

      *

      „Schönes Wochenende gehabt? Sehen ja aus, als wären Sie an der See gewesen!“

      Benedict runzelt verblüfft die Stirn, geht dann aber doch nicht weiter auf Engels’ Bemerkung ein. Auf seinem Schreibtisch liegt das Neue Deutschland von heute.

      „Nu, ham wir die Jugos richtig abgezogen, oder?“ Er hatte den Wagen ja sowieso wieder ins Präsidium bringen müssen, und da wollte er sich anstandshalber auch mal wieder beim MUK-Leiter sehen lassen. Natürlich hat sich auch Benedict die Life-Übertragung von der Fußball-WM in Italien angeschaut. Was sonst hätte er an diesem Sonntagabend in Ost-Berlin „Jottwedeh“ auch machen sollen? Zusammen mit dem Leiter der Einrichtung hatte er im fast leeren Femsehraum gesessen. Dennoch ist er ein bisschen erstaunt über den Oberleutnant Engel, dem an diesem Montagmorgen das „wir“ so leicht über die Lippen zu gehen scheint. Noch mehr verwundert ihn aber, dass bis auf Meißner und Engel niemand von der zwölfköpfigen MUK-Besatzung anwesend zu sein scheint.

      „Machen hier alle blau heute?“

      „Ach was. Vor der Wende hat nur am Freitag ab eins jeder seins gemacht, aber heutzutage macht doch jeder, was er will. Sind wahrscheinlich zur Bank, sich Umstellungsquittungen besorgen. Haben wohl Angst, dass sie sonst ihre D-Mark nicht bekommen!“

      Engel, soviel ist mal sicher, scheint diese Angst nicht zu haben. Auch sonst ist ziemlich viel los, und das ND kann endlich aus dem vollen schöpfen: DDR-Premier zur Premiere in den USA, Westmächte hoben Vorbehalte gegen volles Stimmrecht der West-Berliner Abgeordneten im Bundestag auf, VP soll mehr Vollmachten als BRD-Polizei erhalten. Bis zu 1,5 Millionen Arbeitslose erwartet, und dazu gleich passend Direktoren von 38 Arbeitsämtern berufen!

      „Soll ich Sie hinfahren? Hier ist ja nicht viel los. Sie sehen ja selbst!“

      Dankbar nimmt Benedict das Angebot des MUK-Leiters an.

      „Suchen Sie was?“, kommentiert der wenig später Benedicts wiederholte Blicke in den Rückspiegel, aber als dieser darauf nicht reagiert, wechselt er gleich das Thema. „Und ..., geht’s voran?“

      Benedict spürt erstaunt so etwas wie echtes Interesse hinter Meißners Frage.

      „Mühsam nährt sich das Eichhörnchen!“

      „Tut mir schon leid, dass ich Ihnen so wenig bei der Sache helfen kann. Aber Sie haben ja selber gemerkt, wie das da läuft..."

      „Kein Problem. Komme schon zurecht. Trotzdem ...“

      Meißner muss den Wagen vor einer mit Blaulicht eskortierten LKW-Kolonne an den Straßenrand lenken. Als die gewaltigen MAN-Laster mit den bewaffneten Begleitmannschaften an dem Wartburg vorbei donnern, pfeift der Ost-Kommissar durch die Zähne. „Jetzt wird’s langsam ernst, euer Geld rollt an.“ Dann fahren sie weiter, und Benedict versucht, den Faden wieder aufzunehmen. „Habe früher immer gedacht, dass Sie guten Kontakt zu denen hatten?“

      „Zu denen?“

      „Na, von der Sicherheit!“

      Die eben noch entspannte Atmosphäre lädt sich augenblicklich auf.

      „Wir sind bei der K!“, kommt Meißners Antwort steif herüber, und der Rest der Fahrt verläuft dann in dumpfer Einsilbigkeit.

      Vor der Anmeldung in der Ruschestraße, Benedict will gerade aus dem Wartburg aussteigen, bricht der MUK-Leiter dann doch noch sein Schweigen. „Kleiner Tipp noch: achten Sie in den Vorgängen auf die jeweiligen Dienstgradbezeichnungen. Was von uns kommt, ist in der Regel... also meistens ... korrekt. Alles, was von denen unterzeichnet ist, da sollten Sie die Möglichkeit nicht ausschließen ... also, könnte getürkt sein!“

      „Und woran soll ich das erkennen?“, fragt Benedict verblüfft.

      „Unsere Berichte haben hinter dem Dienstgrad immer den Zusatz ,K‘. Also Hauptmann der K zum Beispiel. Berichte von denen sind immer nur mit dem jeweiligen Dienstgrad, ohne Zusatz, gezeichnet. Achten Sie mal darauf!“

      Aber erst mal hat Benedict keine Möglichkeit, sein neues Wissen einzusetzen, offensichtlich ist der Materialfluss ins Stocken geraten.

      „Was ist los?“, wundert sich der Düsseldorfer, als er seinen Arbeitstisch in der Zentral-Kartei leer vorfindet. Der Aufpasser vom Bürgerkomitee zuckt maulfaul mit den Achseln, aber der so hilfreiche Experte von der „Nachfolgeorganisation“ klärt ihn wenig später bereitwillig auf.

      „Es gibt eine Vorgangslücke, die wir gerade versuchen aufzuklären. Der letzte Bericht von Hauptmann Raschke, den Sie am Freitag hatten, trug das Datum 2.12.1975, aber die nächsten Tätigkeitsnachweise datieren dann erst wieder 4.1.1979! Da gibt es also einen Zeitraum von drei Jahren, in denen er wohl nicht für die Hauptabteilung XX tätig war.“

      „Und was kann das heißen?“

      „Da er ja 79 wieder auf Posten war, vielleicht ein längerer Schulungsaufenthalt bei den Freunden oder ein Auslandseinsatz, oder er wurde in einer anderen Hauptabteilung eingesetzt, kam auch vor.“

      „Wie lange werden Sie brauchen, das herauszufinden?“

      „Nicht lange, ich hab schon Querverweise gefunden.“

      Der Mann kennt sich wirklich in seinem Laden aus, denn es dauert keine Stunde bis die Staatsarchivarin ihm neue Vorgänge auf den Tisch legt. Vorgänge, die nicht mehr wie bisher oben links mit „Hauptabteilung XX“ gekennzeichnet sind, sondern jetzt das Signum „Hauptabteilung II/3“ tragen.

      „Was ist das für eine Abteilung?“, fragt er nach.

      „Die Hauptabteilung II ist... äh ... war eine Unterabteilung der Hauptabteilung Aufklärung und beschäftigte sich mit Spionageabwehr, Überwachung ausländischer Missionen und Journalisten in der DDR“, erklärt ihm der ehemalige MfS-Mann.

      Hauptkommissar Benedict blättert nachdenklich in den neuen Vorgängen. Immerhin waren die Leute auf den Übersiedlerschiffen in Düsseldorf ja keine Ausländer, sondern waschechte DDR-Deutsche. Wie sollten ihm daher Vorgänge dieser Abteilung bei der Klärung des Sachverhalts weiterhelfen können? Gerade will er die Staatsarchivarin bitten, die Vorgänge dieser Abteilung zu überspringen, als sich sein ganzer Körper plötzlich anspannt und versteift. Der Vorgang datiert vom 20.4.1976, und es ist ein Name, der diese Reaktion hervorruft. Falsch, denn zuerst hatte er den Namen ganz einfach überlesen. Erst einige Zeilen später reagiert er. Merkwürdig genug, dass ihm der Name im ersten Moment nur irgendwie bekannt vorkommt und er tatsächlich nicht weiß, was er damit anfangen soll. Jedenfalls veranlasst ihn dieser СКАЧАТЬ