Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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Читать онлайн книгу Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek - Peter Schrenk страница 97

СКАЧАТЬ RAF-Terroristin weltweit gesuchte Frau hatte jahrelang mit einer MfS-Legende versehen, völlig unbehelligt in Ost-Berlin gelebt und war gestern hier von der Ost-Kripo verhaftet worden.

      „Tscha, wenn wir können, wie wir wollen!“ Der Oberleutnant scheint das für einen Erfolg zu halten.

      „Ihr wollt aber ziemlich spät!“, gibt ihm Benedict bissig zur Antwort.

      Die nachfolgende Schweigsamkeit durchbricht Engel dann doch wieder gewohnt freundlich: „Haben Sie Lust, heute Abend mit ins Kino zu kommen? ’ne echte DDR-Premiere. ,Karla‘ von Ulrich Plenzdorf. Ist bei uns nie in die Kinos gekommen, na wie wär’s?“

      „Nein. Nein, wirklich nicht.“

      Benedict steht heute wirklich nicht der Sinn nach DEFA-Filmen. Er hat abends schon etwas vor.

      4

      „Ach ..., du ...“

      In ihrer Stimme liegt die Enttäuschung verpasster Gelegenheiten. Verbitterung hat sich in senkrechten Falten an den Mundwinkeln eingegraben. Keine verschmitzten Sprenkel mehr in den grauen Augen über der schabernackigen Stupsnase, die er mal so geliebt hatte.

      „Komm ruhig rein“, weht ihm ihre Stimme nach einer Weile kühl entgegen, „du müsstest dich ja an sich noch auskennen.“

      Es hat sich fast nichts geändert. Alles ist noch beinahe wie damals. Sogar seine Geschenke, die Uhr, der japanische Fernseher und all der westliche Schnickschnack, den sie so liebte, alles noch am selben Platz.

      Sie brüht den Kaffee, und er sitzt im gleichen Sessel, von dem aus man auf den Hinterhof sehen kann, auf dem die blechernen Deckel der Aschentonnen klappern. Von der Veteranenstraße tönt das Quietschen der Straßenbahn herüber.

      Verlegen pustet er den Kaffeegrund auf die andere Seite der Tasse. Noch immer kocht sie ohne Filter. Und natürlich darf die Cabinet nicht fehlen. Was hatte ihn ihre Zigarettenqualmerei zuletzt genervt.

      „Wir haben uns schon gefragt, wann du mal hier auftauchst.“

      ”Ja“

      „Anette geht es gut. Ich meine, falls dich das interessiert.“

      Nein, ihr Ton ist nicht eigentlich bösartig. Eher von einer tiefen Gleichgültigkeit. Einer Leere, die von verletzten Empfindungen kommt. Aber Benedict, der ungemütlich auf der Sesselkante umher rutscht, weigert sich innerlich, dafür die alleinige Verantwortung zu akzeptieren.

      „Was macht sie?“

      „Sie arbeitet bei der Zeitung. Hat sich gerade in einen verheirateten Mann verliebt... du hast sie damals sehr enttäuscht.“

      Das sitzt. Anette hatte in ihm, sie war so um die sieben rum, eine Art Vaterersatz gesehen. Und er

      hatte leichtfertiger Weise diese Rolle angenommen. Der Onkel Strahlemann mit den Glitzerpaketen aus dem Westen. Ihm wird heiß vor Scham. Aber hatte sie ihre Tochter jetzt nicht nur vorgeschoben? Es steht doch in Wirklichkeit an jeder Wand dieses Zimmers geschrieben: Du, Vitus H. Benedict, hast mich enttäuscht, unsere Liebe! Ja, wie angenehm war ihm damals diese Grenze doch gewesen, hatte sie doch als willfährige Entschuldigung für den plötzlichen Abbruch der Kontakte herhalten können. Der einfache Ausstieg aus einer Emotion, die er selber provoziert hatte. Und heute... was hatte er eigentlich von Annkatrin hören wollen? Was wollte er in dieser Wohnung am heruntergekommenen Prenzlauer Berg, wo der bröckelnde Putz zu viele unbequeme Erinnerungen freilegte?

      „Warum bist du also gekommen?“

      *

      „Ne, Molle und ’n Klaren!“

      Der ersten Lage lässt er sofort eine weitere folgen, als er eine Stunde später das unangenehme Zusammentreffen in der Eckkneipe hinunterspült. Er schüttelt sich. Und das liegt nicht an der Qualität der Getränke.

      „Nochmal dasselbe!“

      Während der Wirt gleichmütig ein neues Bier zapft, sieht er sich in dem fast leeren Schankraum um. Hinten am Ecktisch mit dem Union-Wimpel sitzen fünf junge Leute und diskutieren heftig über irgendwelche Fußballspieler. Dann ist da nur noch dieser Mann mit dem strähnigen Blondhaar, der den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt hat und wirres Zeug in sich hinein brabbelt. Wahrscheinlich haben die Leute hier zur Zeit auch anderes im Sinn als Kneipenbesuche. Die meisten suchen nach möglichst günstigen Wegen, um ihr erspartes Ost-Geld zu retten. Die Stadt schüttelt sich ja geradezu im Fieber einander widersprechender Gerüchte über Umtauschquoten und Geldmengen.

      „Mit mir nich’ mehr! Ich weiß Bescheid, war lange genug in Bautzen!“, brüllt der Mann mit dem dunkelblonden Haargewirr plötzlich laut heraus. Die Fußballjungs kichern und tippen sich an die Stirn.

      „Müssen Se nüscht druff jeben“, sagt der Wirt und stellt Benedict sein frisches Bier hin. „Dem ham ’se die Birne weich jekloppt, aba sonst is’ er nich’ jefährlich.“

      Nein. Natürlich hätte er nicht zu ihr gehen müssen. Die Chance, dass sie sich zufälligerweise in dieser Stadt begegnet wären, ist eins zu mehreren Millionen. Was hatte er also von Annkatrin gewollt? Absolution? Für einen kleinen Verrat? Sie war seine erste Liebe gewesen. Als sie dem damals Dreizehnjährigen auf dem abendlichen Nachhauseweg halb scherzhaft angeboten hatte, von nun an seine Freundin zu sein, da hatte er die Worte der jungen Frau anscheinend etwas zu ernst genommen. dass die über Zwanzigjährige sich dann noch bei ihm unter hakte, machte ihn einerseits verlegen, löste aber andererseits ein bis dahin unbekanntes Gefühl sinnlicher Lust aus.

      In ihm mochte auch das Bild aufgetaucht sein, wie sie im vergangenen Sommer nackt mit seiner Mutter zusammen auf einer Decke im Garten gelegen hatte. Weiße Brüste und blondes Kraushaar. Ziel aller Sehnsucht. Er war auf den Dachboden geflüchtet. Erst zum Abendessen war er wieder zum Vorschein gekommen, aber mit seiner naiven Unbefangenheit ihr gegenüber war es von diesem Moment an für immer vorbei.

      „Diese Verbrecherbande, rote! Aba nich’ mit mir! Alle nach Bautzen, aufhängen an den nächsten Mast!“

      Auch nachdem er im Westen gelandet war, hatte sie weiter seine Sinne gefangengehalten. Jahre später besuchte er sie an der Ostsee, kurz bevor er zum Bund musste. Leichte, schwärmerische Sommertage waren das gewesen. Sie hatten am Bodden gelegen, da, wo der Meerwind leicht durchs Schilf strich und den Geruch von Tang mit sich brachte. Sie hatte geschlafen oder wenigstens so getan, und er konnte sich nicht sattsehen an diesem Gesicht mit den kleinen Sommersprossen. Und sie hatte sich plötzlich an ihn geschmiegt und seine unbeholfenen Liebkosungen kundig gelenkt. Dann war es nicht der Geruch von Tang gewesen.

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