Название: 5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Вестерны
isbn: 9783745211658
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An diesem Dienstag also war auch der siebzehnjährige Tom Cadburn in der Stadt. Ein sommersprossiger, blondgelockter Bursche, schlaksig, ein wenig krummbeinig wie alle, die das Reiten vor dem Laufen gelernt haben, ein Junge also, nach dem sich die Mädchen umgesehen hätten, wenn ...
Ja, wenn Tom Cadburn nicht der Sohn von Hennie Cadburn gewesen wäre, einer Frau, deren Ruf bis weit über das nördliche Montana hinausreichte. Sie war, sagte man hinter der vorgehaltenen Hand, jahrelang die Geliebte eines Indianerhäuptlings gewesen. Und Tom, ihr Sohn, sagte man weiter, sei ein Halbindianer. Ein Halbblut.
Etwas vernünftigere Leute, die nüchterner darüber nachdachten, erinnerten sich an John Stafford, einen Scout und Waldläufer, der mitunter zu Hennie kam, um sie zu besuchen. Er lebte irgendwo weit im Norden allein in der Wildnis, wenn er nicht gerade eine Militärpatrouille führte. Den Namen Stafford hatte Tom als zweiten Vornamen, aber er benutze ihn nur ganz selten.
Aber das dürfte wohl das einzig Gewählte an Toms Dasein gewesen sein. Denn ansonsten wohnte Tom nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens. Der alte Cliff Vancard, der Lagerverwalter im Webster-Store, fasste das auf seine Weise in dem Satz zusammen: „Tom ist ein besonders armes Schwein und tut mir leid.“
Doch mit dieser Ansicht stand der gutmütige Alte allein. Die meisten anderen in Musselshell City mochten nicht, was mit Hennie Cadburn zusammenhing. Sie misstrauten Tom, weil er Hennies Sohn war. Wenn er es nicht hörte, nannten sie ihn Indianer-Bastard.
Und dann kam der Tag der Wahlversammlung. Der Tag, an dem alle Welt Toms Namen im Munde führte. Es war gegen vier Uhr am Nachmittag, als es passierte …
*
Richard Webster, der Eigentümer des General Store, hakte die Daumen in die Weste, drückte den ohnehin schon umfangreichen Bauch nach vorn, so dass sich die goldene Uhrkette spannte wie die Verankerung eines Schiffes in aufkommendem Wind.
Webster, den seine Frau zärtlich „Dicky“ nannte, ließ seinen Unternehmerblick prüfend durchs weiträumige Lager schweifen. Kisten, Fässer, Kartons, Dosen, alles war fein säuberlich aufgestapelt, geordnet, aufgereiht. In den Regalen türmten sich die Vorräte, ohne die man in dieser Stadt wie in der Steinzeit gelebt hätte.
Richard „Dicky“ Webster war zufrieden. Mit schwerem Schritt durchmaß er das Lager, und am anderen Ende stieß er prompt auf den alten Cliff Vancard, wohl der einzige Mensch auf dieser Erde, der nicht den Rücken vor Webster krümmte, der auch nicht schweigen musste, wenn Webster es befahl. Cliff, den man in der Stadt nur Old Cliff nannte, hatte schon bei Websters Vater drüben in einer Stadt im Osten gearbeitet, war mit den Websters in den Westen gezogen und kannte Richard Webster von dessen Kindheit an.
Old Cliff war mittlerweile hoch in den Sechzigern, sein Chef musste etwa zwanzig Jahre jünger sein. Aber im Gegensatz zu Old Cliff, der noch volles, wenn auch schneeweißes Haar besaß, hatte Richard außer seinem dicken Bauch eine richtig schöne Spiegelglatze. Er trug einen Schnurrbart, und damit sah er einem Seehund irgendwie entfernt ähnlich. Viele nannten ihn heimlich, manchmal auch so, dass er es gerade noch hören konnte, „Seal“, was englisch ist und Seehund bedeutet. Das konnte Webster auf den Tod nicht ausstehen.
Old Cliff stand, auf den Besen gestützt, und las eine uralte Zeitung, die er beim Aufräumen gefunden hatte. Als Webster auftauchte, hob er nur kurz den Kopf und wollte weiterlesen.
„Eh, was tust du, Cliff?“, bellte Webster.
Der Alte sah ihn aus schmalen Schalkaugen an. „Das siehst du doch. Ich lese eine Zeitung, die so alt ist, dass sie neu war, als es in dieser verfluchten Stadt nur drei Bretterhütten gab.“ Und respektvoll fügte er hinzu: „Es ist eine Zeitung aus Detroit.“
Webster kannte den Ausgang solcher Gespräche. Um seinen Ruf nicht in Gefahr zu bringen, brach er das Thema abrupt ab und fragte: „Was tut der Junge?“
„Er hat das Papier und den ganzen Plunder auf einen Haufen geworfen und brennt ihn ab. Was soll er?“
„Ist er draußen?“, wollte Webster wissen.
Der Alte nickte.
Webster kraulte sich am Kinn, machte eine strenge Chef-Miene und fragte barsch: „Ist er fleißig?“
„Ich bin mit ihm zufrieden. Für den Hungerlohn, den du ihm zahlst, arbeitet er viel zuviel. Du hast ihn als Expressreiter und Buggyfahrer eingestellt, und die meiste Zeit muss er im Lager herumwurschteln.“
„Als Indianerbastard ist er überbezahlt, merk dir das!“, fauchte Webster. Sein hoher Blutdruck machte sich bemerkbar, das Gesicht färbte sich dunkel.
Der Alte machte sich da wenig Sorgen. Es reizte ihn, Webster zu ärgern. „Ein Mensch, der sechzehn Stunden am Tage für dich schuftet, ist mit einem Dollar am Tag nicht überbezahlt. Und ein Indianerbastard ist er auch nicht, das weißt du ganz genau.“
„Man sagt eben so“, knurrte Webster. „Ich will...“
„Hallo, Mr. Webster?“, rief es vorn.
„Ja! Sind Sie es, Colonel?“, antwortete Webster.
„Colonel, pshaw!“, murmelte Old Cliff abfällig, dass nur Webster es hörte. „Den Rang hat sich dieser aufgeblasene Ochsenfrosch selber zugelegt. Wenn der jemals einem Feind gegenübergestanden hat, dann waren bei ihm bestimmt hinterher die Hosen bis zum Rand voll!“
„Sei still! So einen Kunden haben wir nur einmal!“, zischte Webster, dann ging er nach vorn durch die Reihen seiner Regale und setzte sein freundlichstes Seehundlächeln auf.
„Hallo, lieber Colonel, auch wieder in der Stadt? Ich wette, man wird Ihnen heute begeistert zujubeln, wenn Sie Ihre Rede halten ... Was darf es sein, Colonel?“
Diese letzte Frage hörte auch Tom noch mit, als er von der Laderampe her das Lager betrat, in der einen Hand ein langes Schüreisen, in der anderen eine alte, total verrostete Hawkenbüchse, die er aus einer der Kisten gefischt hatte, die er verbrennen sollte.
Er hatte sie mitgebracht, um Old Cliff zu fragen, was man damit vielleicht noch anfangen könnte. Er hielt die Büchse am Lauf und benutzte sie wie einen Krückstock.
Aber er musste an dem Colonel und Webster vorbei. Er hasste Webster, der ihn schikanierte, wo er konnte. Aber von dem Geld, das ihm Webster zahlte, musste er seine Mutter mitenähren. Infolgedessen konnte er es sich nicht erlauben, Webster zu sagen, was er von ihm dachte.
Webster entdeckte ihn und bellte ihn an: „Was schleppst du da herum? Hast du keine Arbeit, dass du mit diesem Gerümpel herumrennst? Was ist das für ein altes Gewehr?“
Tom sah sie alle beide an. Den Rancher, der sich von aller Welt Colonel nennen ließ, obgleich der liebe Kuckuck wusste, ob Carpound je ein Colonel gewesen war. Ein hagerer, ziemlich großer Mann mit glattem Gesicht, buschigen Augenbrauen und spärlichem grauem Haar, das jetzt unter dem wuchtigen Breitkremper СКАЧАТЬ