Название: 5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Вестерны
isbn: 9783745211658
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Er winselte vor Angst, und er, der eben noch eine gefährliche Klapperschlange besiegte, war das ganze Gegenteil eines strahlenden Siegers. In den etwas mehr als sechs Wochen seines Daseins hatte er noch nie etwas Derartiges wie ein Gewitter erlebt. Hätte er jetzt seine Mutter oder den großen Vater neben sich gehabt, dann wäre sicher alles ganz harmlos für ihn gewesen. Aber so ...
Blitz und Donner in ständiger Folge, immer häufiger, immer näher die Blitze und lauter die Donner, schließlich im nächster Nähe ein Einschlag in einen Baum, der von der Stichflamme des Blitzes unter heftigem Schwefelgestank gespalten wurde. Prasselnd und vom Donner übertönt, kam die mächtige Krone herunter. Blätter, Zweige und größere Aststücke regneten wie Hagel herab. Völlig verdattert floh der junge Wolf, verschreckt von diesem ungewohnten Unwetter, das ihm ein Inferno war und das Ende der Welt bedeutete.
Es kam noch schlimmer. Aus dem Regen wurde ein Wolkenbruch, der binnen Minuten die Sohle des Tals überschwemmte. Wiederum geriet er in die Fluten, die er so verabscheute, und abermals musste er schwimmen, ohne diesmal sehen zu können, wo fester Boden zu erreichen sein würde.
Und ganz plötzlich kam die Flut. Über ihn und ein paar andere Tiere hier im Tal brach sie herein wie das Jüngste Gericht. Er konnte nicht wissen, dass er dieses Unheil einem Stausee verdankte, den die Farmer angelegt hatten und damit die Trockenperioden überwanden. Ein fünf Morgen großer See mit einer Tiefe von wenigen Metern, gestaut durch einen Damm aus Erde und Stammholz. Und diesen Damm hatten die Wassermassen gesprengt, die oben aus den Bergen in den See geschossen waren. Mit einem Mal ergoss sich nahezu der ganze Inhalt des Stausees ins Tal.
Für den jungen Wolf war es, wie es ihm schien, das Ende. Als ihn die Flutwelle packte und mitriss, wurde er untergetaucht, mit dem Kopf gegen einen Ast gerammt, dass ihm übel wurde, und als ihn dieselbe Welle wieder an die Oberfläche spülte, bekam er gerade ein Quäntchen Luft, bevor ein riesiger belaubter Ast mit vielen Zweigen wie eine gewaltige Fliegenklatsche auf ihn niederfuhr und ihn abermals unters Wasser drückte.
Er kribbelte und krabbelte, um aus dem Wirrwarr der Hickoryzweige herauszukommen, und als er das, halb ertrunken, erreichte und wieder nach oben kam, erbrach er sich, schlang wieder Frischluft in sich hinein, erbrach abermals, und ohne dass er es bemerkte, schoss er in der Strömung auf einen riesigen, sehr scharfkantigen Felsbrocken zu, der eben erst vom Wasser unterwaschen worden und in die Strömung gestürzt war.
Mit der Schnelligkeit eines galoppierenden Pferdes bewegte sich der junge Wolf in der Flutwelle auf eben diesen Felsen zu. Da sah er ihn!
Verzweifelt paddelte er, aber es war, als wollte er pustend eine Windmühle zum Anhalten bringen. Er konnte machen, was er wollte, es trieb ihn rasend schnell weiter, und die spitze Kante des Felsklotzes ragte ihm entgegen wie das Schwert eines Samurai.
Da plötzlich tauchte etwas auf, das er nie aus der Nähe gesehen hatte. Es war auf einmal da, und schon prallte er dagegen, etwas umkrampfte seinen Balg am Genick, riss ihn empor aus dem Wasser, und während er erschrocken strampelte, war er schon am Ende seiner Luftreise und landete auf dem Schoß eines Menschen.
Verschreckt und erleichtert zugleich blickte er in eine große helle Fläche, entdeckte Einzelheiten, einen blonden Schnurrbart, blaue Augen, eine nicht ganz gerade Nase, eine wettergebräunte hohe Stirn und blondes Wuschelhaar. Unter dem Kopf war ein rotes Tuch, dann war da noch ein graugrünes Hemd. Einzelheiten, die ihm wenig sagten. Weit mehr beschäftigte ihn der Geruch, der von diesem unheimlichen Wesen ausging. Ein Geruch von Gefahr, von Feind, wie ihm sein Instinkt warnend sagte. Der Geruch des größten Feindes, den Wölfe kennen: dem Menschen.
Und die Hand, die da sein nasses Fell zärtlich streichelte, die ihn so sehr unterm Kinn kraulte, dass er gar nicht an eine Gefahr glauben wollte, das war die Hand eines Menschen.
Niemand hatte ihn vor den Menschen gewarnt. Er wusste nur, dass seine Mutter auf den Streifzügen, zu denen sie ihre Kinder mitgenommen hatte, geknurrt hatte, wenn sie auf Menschenspuren gestoßen war. Und die hatten auch so gerochen wie dieser Mensch. So ähnlich jedenfalls, wenn auch Menschenspuren jedesmal ein wenig anders gerochen haben.
Der Mensch hier, der ihn in letzter Sekunde aus dem Wasser gefischt hatte, war so nass wie er selbst.
„Du kleiner Knäuel“, sagte der Mann mit dunkler, ein wenig spröder Stimme. „Du hast noch mal Schwein gehabt. Und nun sitzen wir beide hier auf dieser verdammten Insel, als sollte es so sein. Als wollten sie uns wirklich nicht, die anderen. Dich nicht und mich nicht. Na, wer wird denn knurren? Sei froh, dass du lebst. Hm, bist du nun ein Wolf oder ein Hund? Siehst wie ein Wolf aus. Und hungrig bist du auch, was?“
Der Mensch, der so freundlich sprach, hielt ihm ein Stück Brot hin. Brot, was ist Brot? Es roch jedenfalls so eigenartig, so nach Mensch wiederum. Der junge Wolf hatte zwar wahnsinnigen Hunger, aber er knurrte nur und bleckte die Zähne, biss aber nicht ins Brot.
„Du bist nicht gescheit, Wollknäuel“, sagte der Mensch. „Ich rette dich, ich gebe dir Brot, und du knurrst. Was würdest du sagen, wenn ich dich wieder ins Wasser schmeiße?“
Der junge Wolf sah ihn an, als ahnte er, was hinter diesen Worten steckte. Und dabei leuchteten seine Augen grün.
„Du hast Augen wie grüner Marmor. Ich kannte mal jemand, der solche Augen hatte. Er hieß Sam, und so werde ich dich Sam nennen, Wollknäuel. Hast du gehört? Ich bin Tom Cadburn. Und du bist Sam. Ist das klar zwischen uns beiden?“
Sam schnupperte. Das Brot roch doch gut, denn der Menschengeruch war auf einmal gar nicht mehr so abstoßend. Und das Kraulen unter dem Kinn kam ihm im Grunde auch recht angenehm vor.
Er schnupperte am Brot, das immer noch zwischen den Fingern der einen Menschenhand klemmte. Er wollte danach schnappen, aber die Hand entfernte sich von seiner Schnauze, und er biss ins Leere.
„Schön anständig, Bürschchen!“, sagte der Mensch, der sich Tom Cadburn genannt hatte. „Selbst einer wie ich, den sie hängen wollten, bewahrt Anstand. Also, wer was will, sagt bitte.“
Sam verwechselte das irgendwie, denn er knurrte, und Tom nahm das nicht als höfliche Geste. Trotzdem gab er ihm ein Stück Brot, das Sam gierig verschlang. Als Sam auf den richtigen Geschmack gekommen war und mehr wollte, begann seine Lehre. Er musste lernen, dass er Tom mit der rechten Vorderpfote betasten sollte, wenn er etwas von ihm wollte. Zuerst nahm Tom die Pfote von Sam in die Hand und zeigte ihm das. Sam war darüber so wütend, dass er beißen wollte, und dafür erntete er einen liebevollen Klaps auf den Po.
Bevor Sam dazu kam, beleidigt zu sein, hatte ihm Cadburn eine winzige Belohnung in Form eines Stück Brotes verabfolgt. Und von da an hatte Sam etwas sehr Wichtiges gelernt: Er wurde belohnt, wenn er etwas tat, was der Mensch wollte. Und der Hunger, der in Sam wütete, sorgte dafür, dass er solche Belohnungen nicht ausschlug, sondern anstrebte.
Als das Stück Brot von Sam restlos vertilgt worden war, konnte er sich schon bemerkbar machen, falls er etwas von seinem neuen Herrn verlangte. Er konnte es so gut und er war noch so hungrig, dass er unaufgefordert immerzu mit der rechten Vorderpfote Zeichen gab. Aber der Mensch hatte nichts mehr, was er hätte geben können. Und schließlich kapierte auch Sam, dass dieser Tom Cadburn ihm sein einziges Stück Brot abgegeben hatte.
*
Drei Tage vor dem Unwetter, als für Sam die Welt noch heil war, hatte auch Tom Cadburn keine blasse Ahnung von dem, was СКАЧАТЬ