Название: 5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Вестерны
isbn: 9783745211658
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Der große Mann trug keinen Stern mehr auf der Weste, wenn man auch noch die Nadellöcher im Leder sehen konnte. Nur sein Revolver erinnerte noch an die Zeit vor einem halben Jahr, als Klein noch Sheriff gewesen war.
Drüben im Office saß ein jüngerer Mann, einer, der erst seit knapp sieben Monaten in der Stadt lebte. Webster hatte ihn knapp vier Wochen als Wagenbegleiter beschäftigt gehabt, als er ihn auch schon fürs Amt des Sheriffs vorschlug. Denn für Dutch-Billy Klein war wiederum eine Amtsperiode abgelaufen. Vier Jahre, in denen er nicht jünger geworden war. Vier Jahre, in denen er mehrfach Webster und seine Geschäftsmethoden angekreidet hatte. Webster revanchierte sich. Er hatte die Macht. Zu viele Leute schuldeten ihm Geld. Ihre Abhängigkeit machte er sich zunutze. So lancierte er einen Fremden auf den Sheriffposten.
Dutch-Billy wäre darüber nicht böse gewesen, hätte der Mann seine Pflicht getan. Aber dieser Kenworthy war ein Mann Websters, und er half mehr, Websters Schulden einzutreiben, Leute von ihrem Besitz zu verjagen und zweifelhafte Grundschulden zu sichern, als für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Wolters war seit einem Jahr tot, ganz undramatisch an Hitzschlag gestorben. Irgendwie musste er es mit dem Herzen gehabt haben. Der neue Sheriff hatte zwei Deputies, auch Fremde mit Gesichtern, die nicht gerade vertrauenerweckend wirkten.
Dutch-Billy lebte von drei Dingen: er spielte sonntags das Harmonium in der Methodistenkirche, unterrichtete die Kinder der Stadt im Schreiben, Rechnen und Lesen, und da dies auch nur in der Sonntagsschule der Fall war, konnte er in der Woche die Vormittage im Müßiggang verbringen. Nachmittags aber schrieb er Briefe oder Rechnungen für alle möglichen Leute, die zwar gutgehende Geschäfte besaßen, selbst aber nicht schreiben oder lesen konnten. Einigen machte er auch so etwas wie Buchführung, und alles zusammen brachte so viel ein, dass er und seine Frau Eliza leben konnten. Für ein paar Whisky blieb auch etwas übrig, aber meist „vergaß“ der Wirt vom „Central“ sie ihm anzurechnen.
Als er heute wie immer um diese Zeit die Schwingtür aufstieß und den eigenartigen Mischduft von Schnaps, Sägespänen, ranzigem Bratfett und Lampenöl roch, lächelte er erwartungsvoll, denn er freute sich auf seinen Drink.
Das Lächeln gefror ihm, als er Webster an der Theke sah. Der Storebesitzer und Geldverleiher war noch um einiges fetter geworden. Sein hämisches Grinsen im breiten Mondgesicht wirkte auf Dutch-Billy wie ein Brechmittel. Dennoch ging er weiter auf seinen gewohnten Platz am Tresenende zu, stellte sich hin und nickte dem Wirt zu, der das mit einer ebensolchen Kopfbewegung quittierte.
Webster, der sich übergangen fühlte, schnarrte gehässig: „Jetzt, wo Sie keine Steuern mehr eintreiben können, haben Sie wohl einen Gruß nicht nötig, Klein?“
Dutch-Billy tat, als hätte Webster keinen Ton von sich gegeben. Er sah den Wirt an und fragte ihn: „Hansold schon hiergewesen?“
„Noch nicht, aber ich denke, er wird bald kommen. Er und sein Junge bauen noch am Stall...“ Der Keeper kam zu Dutch-Billy, warf einen grimmigen Seitenblick auf Webster und sagte: „Er hat sich was Tolles einfallen lassen. Frag ihn mal, was es ist!“
Bevor Dutch-Billy dazu eine Frage stellen konnte, schnauzte Webster: „Ich habe Ihnen verboten, darüber zu sprechen! Wenn Sie noch einen Ton zu Klein sagen, Limp, fordere ich meinen Kredit zurück.“
Der Wirt drehte sich um und sah Webster voll an. „Tun Sie es! Fordern Sie Ihren Kredit zurück, Sie Aasgeier! Aber dass Sie Libbie Johnson heiraten, daran glauben Sie selber nicht! Sie könnten gut ihr Vater sein, Sie Wüstling!“
„Was will er?“, rief Dutch-Billy.
Der Wirt fuhr herum und sah Dutch Billy voller Empörung an.
„Dieser Profitgeier will Libbie Johnson heiraten. Und damit er das auch einfach so durchsetzen kann, hat er sie unter Druck gesetzt. Du weißt doch, Billy, dass sie die beiden Kinder von McLean aufgenommen hat, weil McLeans Frau an Brustkrebs gestorben ist. Und McLean möchte Libbie heiraten. Inzwischen hat sie Tom Cadburn sicher vergessen. Sie hätte ja die prächtigsten Burschen haben können, wenn sie nicht diesem Tom Cadburn nachgetrauert haben würde.“
„Und Webster will...“ Dutch-Billy sah den dicken Storebesitzer an. „Das ist doch nicht möglich! Dazu gehören doch zwei!“
Webster kochte vor Zorn. Sein Kopf wurde dunkel. „Dafür kündige ich Ihnen den Kredit, Limp! Und wenn Sie morgen Mittag nicht zahlen, übernehme ich diesen Saloon!“
Dutch-Billy tippte Webster auf die Schulter, als er gehen wollte. „Moment, Sir! Wie war das denn eigentlich mit dem Colonel vor viereinhalb Jahren? Wie ist das denn wirklich gewesen?“
Websters Zorn wuchs. Es war dem Mann anzusehen, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Er, der Mächtige in Musselshell City, war hier auf einmal in eine Klemme geraten. Das zwickte ihn.
„Was quatschen Sie da? Mein Gott, nur der Tod des Colonels hat Sie davor bewahrt, schon damals abgewählt zu werden. Dann waren Sie doch wohl der einzige Nutznießer. Haben Sie vielleicht den Jungen angestiftet, den Colonel zu erschießen? Deshalb haben Sie ihn wohl auch nirgendwo finden können, was? Deshalb sind Sie ihm wohl auch allein nach, während Wolters den alten Johnson ins Jail schaffen musste. Und ausgerechnet Sie wollen mir was anhängen? Sie gottverdammter Heuchler!“
Dutch-Billys Rechte kam wie in alten Zeiten, und sie landete mit der Wucht einer Dampframme in Websters hämisch blickendem Mondgesicht.
Webster schrie gurgelnd, während ihn dieser Stoß gut sechs Schritte weit neben der Theke her durch den Saloon trieb. E r nahm noch einige Hocker mit, die polternd umfielen, dann aber verlor er selbst das Gleichgewicht und landete wie ein vom Aufzug gefallener Sack Mehl in den Sägespänen. Noch einmal gurgelte er, dann sank er mit verklärtem Lächeln auch mit dem Kopf zu Boden und streckte sich aus, als verließe ihn jegliches Leben.
Dutch-Billy wischte sich den Handrücken an der Hose ab, als hätte er sich beschmutzt. „Das war nötig, und wie“, meinte er.
Der Keeper grinste. „Mann, es hat in deiner Zeit als Sheriff eine Menge gegeben, womit ich nicht einverstanden war, Billy, aber das, Junge, das war etwas, womit du alle deine Fehler in deinem Leben ausgewischt hast. Mann o Mann, mir ist, als hätte ich frisch gebadet. Wollen wir dieses Mastschwein auf den Misthaufen hinterm Haus schmeißen, oder glaubst du, es wäre noch schöner, ihn mitten auf der Straße zu plazieren?“
„Greifst du gerne eine fette Made an?“, fragte Dutch-Billy.
Der Keeper grinste. „Na ja, wie du meinst. Auf alle Fälle wird er alles tun, um es uns heimzuzahlen.“
„Dazu gehören aber zwei, Limp, und die Sache mit Libbie Johnson regt nicht nur dich und mich auf. Darüber werden sogar Leute wild, die dick in Websters Kreide stehen ...“
*
Webster schob die Lampe auf die Tischmitte und blickte auf die drei Männer, die ihm gegenübersaßen. Er selbst lehnte sich zurück, legte wieder das Tuch ins Wasser, wrang es aus und packte es sich erneut auf seine verquollene Nase.
„Ich habe euch nicht zu Sheriffs gemacht, damit ihr außer den Lohn zu kassieren nichts mehr tut. Ihr sollt euer Geld auch verdienen“, sagte Webster schnaufend. „Das gilt für dich mehr als für die anderen, Kenworthy!“
Kenworthy war jung, so um die fünfundzwanzig, aber eine Reihe von Jahren СКАЧАТЬ