Название: 5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Вестерны
isbn: 9783745211658
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Der Hengst rieb seine Nüstern an Toms Schultern, und es gab ein Bild ab, als wären die beiden seit Jahr und Tag die dicksten Freunde. Dabei kannten sie sich noch keine zehn Minuten näher.
Aber aus dieser Bekanntschaft wurde aus völlig unerklärlichen Gründen eine richtige tiefe Zuneigung. Sie hatten sich gesehen und mochten sich. Und Thunder, wie ihn Tom nur noch nannte, wieherte sehnsüchtig, als Tom sich einmal entfernte.
Als Tom zu den anderen jungen Burschen zurückging, die ihm und dem Hengst verblüfft zugesehen hatten, sagte Little Crow, der auch gerade zu ihnen stiess: „Es ist toll, es ist einfach toll, aber du bist Wundermann! Da drüben, Häuptling hat zugesehen. Hat alles beobachtet.“
Der Häuptling winkte Little Crow. Der trabte zu dem bulligen Indianer, beide sprachen, dann trabte Little Crow wieder über den Platz zu den jungen Burschen.
„Guipaego, du kannst bekommen Hengst. Du musst nehmen und reiten. Wenn Hengst dich tragen, du kannst behalten Hengst. Häuptling ihn dir schenken.“
*
Sie kamen aus allen Zelten, und sie bildeten einen riesigen Kreis. Der älteste Greis humpelte herbei, um es zu sehen. Und sie alle hatten noch gut in Erinnerung, wie dieser Blauschimmel gebissen und geschlagen hatte. Denn nur bei der Tochter des Häuptlings, die übrigens mit einem Häuptlingssohn verheiratet worden war und seit ein paar Wochen nicht mehr im Camp lebte, hatte man die Tücken dieses Hengstes beklagt. Der Hengst' war aber schon vorher zum Schrecken vieler mutiger Männer geworden, die er abgeworfen und dann mit wirbelnden Hufen fast umgebracht hatte.
Jetzt wollten sie sehen, wie dieses gelbhaarige Bleichgesicht sein Leben aufs Spiel setzte. Doch zuvor ließ der Häuptling etwas verkünden, und Little Crow übersetzte es Tom, weil der nicht alles verstanden hatte.
„Hengst gehören meine Familie. Häuptling sagt, dass ich versuche auf Hengst reiten. Wenn ich oben bleiben, dann Hengst mir gehören. Wenn nicht, du musst versuchen. Wenn du auch nicht kannst reiten, Hengst kommt zu Langmesser.“
„Also praktisch eine Art Zweikampf“, sagte Tom. „Zwischen uns beiden.“
„Zwischen Hengst und uns beiden“, erwiderte Little Crow.
Little Crow ging zum Seilkorral, wo der Hengst nicht nur eingepfercht war, sondern auch zusammengebundene Vorderbeine hatte, um ihm die Flucht unmöglich zu machen.
Der Hengst kannte Little Crow, und von ihm ließ er sich anfassen, ließ sich die Fesseln lösen, ließ sich aus dem Korral führen. Er trug jetzt nur die Hackamore, jenen Zaum, den die Indianer zum Leiten des Pferdes nötig haben. Ein Nasengurt statt eines Gebissstückes und ein einfaches Seil sind alles, womit Indianer ein Pferd leiten.
Auf die Mitte des von den Zuschauern gebildeten Kreises brachte Little Crow den Hengst. Er winkte auch Tom, weit genug zur Seite zu gehen, dann sprang Little Crow nach Indianerart mit einem Schrei auf den Rücken des Hengstes. Trieb den Hengst damit zugleich an, um ihn am Bocken zu hindern oder davon abzulenken.
Thunder, der Blauschimmel, machte einen Satz nach vorn, stemmte sich sofort mit beiden Vorderbeinen ein, aber damit bekam er Little Crow nicht von seinem Rücken. Der junge Indianer saß wie angewurzelt auf dem Pferd, und als es abermals bockte und dabei mit der Hinterhand auskeilte, klebte Little Crow nach wie vor auf dem Pferdrücken.
Doch nun versuchte es Thunder anders. Er warf sich überraschend seitlich auf den Boden. Little Crow begriff es gerade noch rechtzeitig und sprang ab.
Der Hengst wirbelte herum, und schon rotierten die Vorderhufe in rasendem Tempo wie Quirle. Little Crow sprang auf und hatte nur noch die Chance, diesen mörderischen Vorderhufen durch die Flucht zu entkommen. Das hatte mit Feigheit nichts zu tun. Es war die einzige Lösung. Und Little Crow rannte los. Der Hengst kam wieder auf alle Viere, aber da war Tom da. Tom, der mit zwei langen Sprüngen gestartet war, als sich sein Freund Little Crow in Gefahr befand. Und mit einem dritten Satz hatte Tom den Hengst an der Hackamore.
Er sprach auf ihn ein, streichelte ihn, und der eben noch wie irr tobende Hengst wurde schlagartig ruhig. Es war wie Magie, und die umstehenden Indianer starrten auf Tom wie auf einen Medizinmann, wie auf einen, der Wunder vollbringen kann.
Und dann kam es. Tom legte dem Hengst die Hand auf den Widerrist, streichelte ihn dort, um sich dann mit einem Sprung auf den Rücken des Tieres zu setzen.
Tom rechnete mit allem, aber dennoch redete er immer wieder auf das unter nervösem Druck stehende Tier ein. Und es blieb stehen, hielt die Ohren nach hinten gedreht. Die Nüstern, vorhin noch weit gebläht, nahmen wieder normale Größe an. Ein leichtes Zucken lief übers Fell vom Hals her. Doch als Tom seine Hand sanft auf das wie Samt glänzende Fell am Hals legte und weich darüber strich, hörte auch dieses Zucken auf. Der Hengst wurde ruhiger, immer ruhiger, und Tom sprach. Er redete sinnloses Zeug, und das war auch gar nicht wichtig. Nur am Tonfall erkannte der Hengst, dass dieser Mensch auf seinem Rücken der Freund war. Das Magische lag im Ton, in Toms Stimme. Der Hengst wurde ganz ruhig und dann trieb ihn Tom ganz vorsichtig und behutsam an. Der Hengst blieb stehen.
Tom fragte sich, ob jetzt alle Beruhigung wieder vorbei sein würde, ob nicht die Panik wieder Herr über den Hengst werden könnte.
Doch dann, während noch alle im Kreis die Luft anhielten und Tom schon mit einem Zornausbruch des Tieres rechnete, machte Thunder einen Schritt, dann noch einen, und unter weiterem Zureden ging er im Kreis wie ein uralter Gaul, der nie ein Wässerchen getrübt hatte.
Jetzt setzte Tom alles auf eine Karte. Er trieb ihn schneller an, schnalzte mit der Zunge, und gleichzeitig gab er den Indianern das Zeichen, ihm eine Gasse zu öffnen im Kreis der Zuschauer. Sie öffneten diesen Kreis, und da preschte Thunder los. Aber auch das war kein Ausbruch, keine Flucht, keine Form der Panik. Der Hengst lief gutwillig dahin, galoppierte so gleichmäßig, dass sich Tom fragte, ob es je ein Pferd gegeben hatte, das einen so herrlichen Sprung besessen hatte wie Thunder.
Der Hengst flog wie eine Feder. Und am Tempo, das dieser herrliche Blauschimmel nahezu mühelos noch steigerte, erkannte Tom, dass er einen Schatz besitzen würde, sollte der Häuptling ihm dieses Pferd wirklich schenken.
Als Tom nach einer halben Stunde zur Umkehr ansetzte, sah er den Pulk der Indianer in der Ferne, die näher kamen. Und als sie bei ihm waren, schrie Little Crow, der weit vor den anderen ritt: „Wir denken, du von Pferd gefallen. Wir kommen suchen."
Aber Tom ritt noch auf Thunder, als sie wieder ins Lager kamen. Und er ritt, als hätte er nie ein anderes Pferd besessen und als wäre Thunder niemals ein Schläger und Beißer und ein tollwütiger „Sunfisher“ gewesen. Und „Sunfisher“ oder Sonnenfischer nennt man die Pferde, die sich hinwerfen und die Beine in die Höhe stoßen, um ihren Reiter nicht nur loszuwerden, sondern um ihn bei der Gelegenheit auch noch umzubringen.
Der Häuptling verzog keine Miene, sah Tom an, sah den Hengst an, dann sagte er etwas zu Little Crow, und der übersetzte: „Der Hengst gehört dir. Dir und keinem anderen. Ich freuen für dich, Guipaego ...“
Der Blauschimmel wieherte, als hätte er das verstanden. Und es klang freudig, dieses Wiehern …
*
Dutch-Billy СКАЧАТЬ