Taiga. Sergej Maximow
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Название: Taiga

Автор: Sergej Maximow

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783963114489

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СКАЧАТЬ Wenn Sie aber … Im Übrigen wollen Sie sich doch nicht von Ihrem jungen Leben verabschieden …«

      Ich genoss es, im Sessel zu sitzen – es war so bequem! Mir drehte sich ein wenig der Kopf, und bei aller Aufmerksamkeit verwirrten sich meine Gedanken.

      »Soo-o.« Der Ermittler wühlte in meinen Fotos umher, sein Blick blieb für einen Moment am Gesicht einer Filmschauspielerin hängen, dann zeigte er mir ein anderes Bild.

      »Erkennen Sie den?«

      Der Mann, dessen Bild der Ermittler in der Hand hielt, war ein Ingenieur, ein hervorragender Kenner der Literatur und Freund der Jugend. Er pflegte zu unseren literarischen Abenden zu kommen, und manchmal fanden sie bei ihm in der Wohnung statt.

      Der Ermittler teilte mir mit:

      »Er ist der direkte Anführer eurer Organisation. Er ist Oberst, hat enge Beziehungen zu einem Feindesstaat. Sie sind sein Zuarbeiter bei sich in der Hochschule, Makarow in der Hochschule für Architektur, und Korin im Bergbauinstitut. Kontakt hatte er außerdem mit Woronski und Sosnowski, erbitterten Volksfeinden. Die Namen sind Ihnen hoffentlich bekannt?«

      »Ich glaube nicht, dass er ein Konterrevolutionär ist.«

      »Er glaubt es nicht! Ooh, was für eine falsche Schlange!«

      Er hob sein Bein, trat mir geschickt gegen die Brust, und ich flog mitsamt dem Sessel um und stieß mir den Kopf am Fußboden. Mir drehte sich alles, die Decke verschwamm vor meinen Augen, doch ein paar Sekunden später erhob ich mich bereits langsam auf die Füße.

      Schwankend stand ich da und versuchte das Geschehene zu begreifen.

      »Wenn du nicht wie ein Mensch mit uns reden willst, können wir uns auch anders unterhalten«, drohte der Ermittler schwer atmend. »Wir werden mit dir nicht viel Federlesens machen, Gesindel. Vielleicht noch einen Prozess anstrengen? Wir knallen dich ab wie einen Hund.«

      »Erledige ich«, sagte der Assistent dienstbeflissen, trat an mich heran und hielt mir die Mündung des Brownings an die Schläfe.

      »Unterschreibst du?«

      Meine Schläfe erstarrt unter dem kalten Stahl. Binnen eines Atemzugs laufen vor meinem inneren Auge Bilder meines fernen Zuhauses und meiner Lieben ab, kurze, unbedeutende Episoden aus meinem Leben. Einen Augenblick nur, und schon bin ich wieder in der schrecklichen Gegenwart. Gleich, jetzt gleich würde ich sterben. Vielleicht sollte ich unterschreiben? Oder doch gleich … ohne lange Qualen. Dann auf einmal ein Gedanke: Und wenn es nur Methode ist, ein Spiel? Sie können mich doch nicht einfach umbringen, ohne die erforderlichen Sanktionen! Außerdem brauchen sie mich noch, für das »Verfahren«.

      »Naa-a?«, sagte der Assistent gedehnt.

      »Halt! Nicht schießen!« Der Ermittler tat so, als wolle er seinen Kumpel zurückhalten.

      Der Helfer stieß mit der Mündung des Revolvers gegen meine Schläfe und ging zur Seite. Der Ermittler lächelte genussvoll, tauchte seinen Federhalter in die Tinte und streckte ihn mir hin:

      »Hier, unterschreib und geh schlafen. Essen lass ich dir kommen. Ruh dich aus. Hier … nimm!«

      »Ich kann nicht«, presste ich mit Mühe heraus.

      Ein heftiger Faustschlag ins Gesicht riss mich erneut von den Füßen. Ich wollte aufstehen, doch der Lederstiefel des Ermittlers drückte mich auf den Boden. Sie traten mich mit Füßen, bemüht, die empfindlichsten Stellen zu treffen. Ich krümmte mich, biss die Zähne zusammen und schützte mit den Armen meinen Kopf. Sie zerschlugen mir Nase und Mund, aus denen das salzige, klebrige Blut in Strömen floss … »Der Mensch – das klingt stolz.«

      Leise erzittert der Fahrstuhl, der mich irgendwohin nach unten bringt.

       Die Gegenüberstellung

      Ich sitze auf meinem Eisenbett in der Einzelzelle; der Gefängnisarzt entfernt meinen Kopfverband. Beim letzten Verhör hat der Ermittler mir mit dem Revolvergriff den Kopf aufgeschlagen.

      »Wie viele müssen Sie denn so am Tag verbinden?«, frage ich den Arzt.

      Er schweigt beharrlich. Das macht mich wütend.

      »Was hat das eigentlich für einen Sinn: verprügeln, dann kurieren, und nach zwei Tagen wieder verprügeln? Da können sie einen doch lieber gleich totschlagen …«

      »Nicht reden«, sagt er leise, aber bestimmt.

      Als der Verband ab ist, streut der Arzt ein Pulver auf die Wunde und teilt mir mit, ein Verband sei nicht mehr nötig. Ich protestiere, doch er nimmt die Binde und geht raus. Das Schloss klickt.

      Ich falle auf die Eisenpritsche und schließe die Augen.

      Ein ganzer Monat qualvoller, Körper und Seele zermürbender Verhöre liegt hinter mir. Zweimal verlor ich im Arbeitszimmer des Ermittlers das Bewusstsein, und man trug mich in die Zelle zurück. Auch in der Gummizelle war ich. So nennen sie den Karzer, in den sie ungehorsame Untersuchungshäftlinge eine Zeit lang einsperren. Wände und Fußboden dieser Zelle sind mit Gummi beschlagen. Kein Lichtstrahl, absolute Finsternis. Es ist stickig, kein Laut zu hören. Der Arrestant sitzt im Dunkeln und spürt um sich herum nur diesen klebrigen, wie blutverschmierten Gummi. Er kann noch so viel schreien, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen – niemand reagiert. All das wirkt sich entsetzlich auf die Psyche aus; zwei Tage des Aufenthalts in dieser Zelle genügen, und der Häftling beginnt mit den Fäusten gegen die Gummitür zu schlagen und zu schreien, er sei bereit, jedes beliebige Protokoll zu unterschreiben, jede beliebige Selbstdiffamierung. Alles hier ist bedrückend und führt dazu, dass die Nerven bis zum Gehtnichtmehr angespannt sind: die Stille, die Dunkelheit, der ununterbrochene Kontakt mit dem klebrigen kalten Gummi des Fußbodens und der Wände; man hat das Gefühl, die gesamte Zelle sei voller Blut. Wenn man dann herauskommt, brennt das Licht unerträglich in den Augen, die nicht mehr daran gewöhnt sind, und man läuft, wenn man unter Aufsicht den Korridor entlanggeht, wie ein blindes Kätzchen gegen die Wände.

      »Poch-poch. Poch-poch-poch-poch …«, klopfte es beharrlich aus der Nachbarzelle. Ich begann die Sprache der Gefängniswände schon ein wenig zu verstehen, konnte sie aber noch nicht nach dem Gehör aufnehmen und übermitteln. In den grauen Putz meiner Wand war das Klopfalphabet als Tabelle eingeritzt: je fünf Buchstaben horizontal und sechs vertikal. Das ist das Ljubjanker System. In der Butyrka ist es umgekehrt: sechs horizontal und fünf vertikal. Das Klopfen hatte mir mein Nachbar beigebracht, der in jeder verhörfreien Sekunde fünfmal entlang der Wand klopfte und, offenbar auf dem Bett stehend, sechsmal von der Decke bis zum Boden, bis ich begriff, wie es ging. Ich ritzte die Tabelle in meine Wand und begann Klopfzeichen mit ihm auszutauschen.

      Ein Popka kam. Er befahl mir mitzukommen. Ich wunderte mich. Die Verhöre fanden sonst nachts statt, jetzt aber war Tag. Vielleicht sollte ich entlassen werden? Immer, selbst wenn die Lage noch so schlimm ist, blitzt bei einem Häftling im Stillen der Gedanke an die Freiheit auf, wenn er Schlüssel im Schloss vernimmt.

      Aber nein. Schon war ich wieder im Untersuchungsraum. Der Ermittler saß am Schreibtisch und telefonierte:

      »Sei mir nicht böse, Galotschka, ich schaffe es nicht zum Mittag … Wie? … Zum Abendessen? Zum Abendessen bin ich auf jeden Fall da. Versteh doch, hier ist eine Unmenge zu tun. Ja! Ruf Grigorjew an, es soll uns zum Sonntag zwei Karten fürs Bolschoi-Theater besorgen, für den ›Stillen Don‹, der hat Beziehungen, der besorgt sie. Bis dann, Galotschka!«

      Der СКАЧАТЬ