Название: Der Malaiische Archipel
Автор: Alfred Russel Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Путеводители
Серия: Edition Erdmann
isbn: 9783843804233
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Bei Weitem die auffallendsten der verschiedenen Menschenarten in Singapur und diejenigen, welche am meisten die Aufmerksamkeit eines Fremden auf sich ziehen, sind die Chinesen, deren Zahl und deren unablässige Tätigkeit dem Platz fast das Ansehen einer Stadt in China geben. Der chinesische Kaufmann ist gewöhnlich ein dickleibiger Mann mit einem runden Gesicht, mit einer Wichtigkeitsmiene und einem kaufmännischen Blick. Er trägt dieselbe Kleidung (einen weiten weißen Kittel und blaue oder schwarze Hosen) wie der gewöhnlichste Kuli, nur von feineren Stoffen, und ist stets sauber und nett; sein langer Zopf, mit roter Seide zugebunden, hängt ihm bis auf die Hacken herab. Er hat ein hübsches Warenlager oder einen Laden in der Stadt und ein gutes Haus auf dem Lande. Er hält sich ein schönes Pferd und Kabriolett und man sieht ihn jeden Abend barhaupt eine Spazierfahrt machen, um die kühle Brise zu genießen. Er ist reich, Besitzer verschiedener Kramläden und Handelsschoner, er leiht Geld zu hohen Zinsen und mit guter Sicherheit, ist sehr genau in Geschäften und wird mit jedem Jahr fetter und reicher.
In dem chinesischen Basar sind Hunderte von kleinen Läden, in welchen eine gemischte Sammlung von Kurz- und Ausschnittwaren zu finden ist und wo viele Dinge wunderbar billig verkauft werden. Man kann Bohrer zu einem Penny das Stück haben, weißen Baumwollzwirn, vier Knäuel für einen halben Penny sowie Federmesser, Korkenzieher, Schießpulver, Schreibpapier und viele andere Artikel ebenso billig oder billiger als in England. Der Ladeninhaber ist sehr gutmütig; er zeigt alles, was er hat, und scheint es gar nicht übel zu vermerken, wenn man nichts kauft. Er lässt etwas ab, aber nicht so viel wie die Klings, welche fast immer zweimal so viel fordern, wie sie willens sind zu nehmen. Wenn man eine Kleinigkeit bei ihm kauft, so wird man später, wenn man bei seinem Laden vorbeigeht, stets angesprochen, gebeten hineinzukommen und Platz zu nehmen oder eine Tasse Tee zu trinken, und es ist zu verwundern, wie der Mann zu leben hat, da so viele die gleichen unbedeutenden Dinge verkaufen. Die Schneider sitzen an dem Tisch, nicht auf demselben; und sowohl sie als die Schuhmacher arbeiten gut und billig. Die Barbiere haben viel zu tun: Köpfe zu scheren und Ohren zu reinigen; zu dieser letzteren Operation benutzen sie einen großen Apparat von kleinen Zangen, Stäben und Bürsten. In der Umgebung der Stadt sind eine Menge von Zimmerleuten und Grobschmieden. Erstere scheinen hauptsächlich Särge und stark bemalte und verzierte Kleiderschränke zu verfertigen. Letztere sind meist Büchsenmacher und bohren die Läufe mit der Hand aus soliden Eisenbarren. Bei dieser mühsamen Arbeit sieht man sie täglich, und sie können eine Büchse mit einem Feuersteinschloss sehr hübsch anfertigen. Überall auf den Straßen sind Verkäufer von Wasser, Gemüse, Früchten, Suppe und Agar-Agar (ein Gelee aus Seetang gemacht), die eine Menge ebenso unverständlicher Rufe produzieren wie die Ausrufer Londons. Andere tragen einen ambulanten Kochapparat an einer Stange, durch einen Tisch am anderen Ende im Gleichgewicht gehalten, und servieren ein Mahl von Schalentieren, Reis und Gemüsen für zwei oder drei Halfpence; während man überall Kulis und Bootsleute trifft, die auf Arbeit warten.
Im Inneren der Insel fällen die Chinesen Waldbäume im Dschungel6 und sägen sie zu Brettern; sie kultivieren Gemüse und bringen es zu Markt; sie ziehen Pfeffer und Gambir, wichtige Exportartikel. Die französischen Jesuiten haben unter diesen Binnenchinesen Missionen errichtet, welche sehr erfolgreich zu sein scheinen. Ich wohnte einmal mehrere Wochen bei dem Missionar in Bukit Timah, ungefähr im Mittelpunkt der Insel; es ist dort eine hübsche Kirche gebaut worden für ungefähr dreihundert Konvertiten. Als ich da war, traf ich einen Missionar, der gerade von Tongking kam, wo er viele Jahre zugebracht hatte. Die Jesuiten betreiben ihr Werk noch durchaus wie von alters her. In Cochinchina, Tongking und China, wo alle christlichen Lehrer gezwungen sind, im Geheimen zu leben, der Verfolgung, Verjagung, ja manchmal dem Tod ausgesetzt, hat jede Provinz, selbst die im fernsten Inneren, eine bleibende Jesuiten Missionsanstalt, beständig durch frische Aspiranten in Gang gehalten, die in den Sprachen der Länder, welche sie besuchen wollen, unterrichtet werden. In China sollen an eine Million Bekehrte sein; in Tongking und Cochinchina mehr als eine halbe Million. Ein Geheimnis des Erfolges dieser Missionen ist die strenge Sparsamkeit, welch beim Verausgaben der Mittel geübt wird. Ein Missionar darf ungefähr dreißig Pfund das Jahr ausgeben, wofür er lebt, wo es auch sei. Daher können eine große Anzahl Missionare mit sehr beschränkten Mitteln unterhalten werden; und die Eingeborenen, welche sehen, dass ihre Lehrer in Armut und ohne irgendwelchen Luxus leben, sind überzeugt, dass sie es ernst meinen mit dem, was sie lehren, und dass sie wirklich Heimat und Freunde, Bequemlichkeit und Sicherheit für das Wohl anderer aufgegeben haben. Kein Wunder daher, dass sie bekehrt werden, denn es muss eine große Wohltat für die Armen, unter denen sie wirken, sein, einen Mann bei sich zu haben, zu dem sie in Sorge und Unglück gehen können, um sich Trost und Rat zu holen, der sie in Krankheit besucht, der sei in der Not unterstützt und den sie von Tag zu Tag in Gefahr vor Verfolgung und Tod lediglich für ihr Wohl leben sehen.
Mein Freund in Bukit Timah war wirklich ein Vater für seine Herde. Er predigte ihnen jeden Sonntag chinesisch und hatte in der Woche Abende für die Diskussion und Unterhaltung festgesetzt. Er errichtete eine Schule für ihre Kinder. Sein Haus stand ihnen Tag und Nacht offen. Kam jemand zu ihm und sagte: »Ich habe heute keinen Reis für meine Familie«, so gab er ihm die Hälfte von dem, was er zu Hause hatte, so wenig es auch sein mochte. Sagte ein anderer: »Ich habe kein Geld, meine Schuld einzulösen«, so gab er ihm die Hälfte des Inhaltes seiner Börse, und wenn es sein letzter Dollar gewesen wäre. Ebenso aber schickte er, wenn er selbst Mangel litt, zu einem der Reichsten seiner Herde und sagte: »Ich habe keinen Reis im Hause«, oder: »Ich habe mein Geld weggegeben und habe dieses oder jenes nötig.« Die Folge war, dass seine Herde ihm vertraute und ihn liebte, denn sie fühlte sicherlich, dass er ihr wahrer Freund sei und keine Absichten habe, wenn er unter ihnen lebte.
Die Insel Singapur besteht aus einer Menge kleiner Hügel von dreihundert bis vierhundert Fuß Höhe, deren Gipfel teilweise noch mit Urwald bedeckt sind. Das Missionshaus zu Bukit Timah war umgeben von mehreren dieser waldgekrönten Hügel, welche viel von Holzschlägern und Sägern besucht wurden, und sie boten mir vortreffliche Gelegenheit zum Sammeln von Insekten. Hier und da waren auch Tigerfallen aufgestellt, sorgfältig überdeckt mit Stöcken und Blättern und so gut versteckt, dass ich mehrere Male kaum dem Hineinfallen entging. Sie sind wie ein Schmelzofen gebaut, unten weiter als oben und vielleicht fünfzehn bis zwanzig Fuß tief, sodass man ohne Hilfe unmöglich wieder herauskann. Früher wurde ein scharf zugespitzter Pfahl auf den Boden gesteckt; aber seitdem ein unglücklicher Reisender durch Hinabfallen umgekommen, wurde dieser Brauch untersagt. Es gibt um Singapur stets einige Tiger, und sie töten durchschnittlich täglich einen Chinesen, besonders jene, welche in den immer in neu gelichtetem Dschungel angelegten Gambir-Pflanzungen arbeiten. Wir hörten einen Tiger ein- oder zweimal des Abends brüllen, und es war immerhin ein etwas nervöses Arbeiten, unter gefallenen Baumstämmen und in alten Sägegruben nach Insekten zu jagen, wenn eines dieser wilden Tiere vielleicht nahebei auf der Lauer lag, auf eine Gelegenheit zum Sprung wartend.
Mehrere Stunden mitten am Tag verbrachte ich auf diesen Waldplätzen, die entzückend kühl und schattig waren im Gegensatz zu dem nackten offenen Land, das man durchwandern musste, um dorthin zu gelangen. Die Vegetation war äußerst üppig und bestand aus enormen Waldbäumen, aus den verschiedenartigsten Farnkräutern, Wasserbrotwurzeln und anderem Unterholz und aus einer Unmasse von kletternden Rotangpalmen. Insekten gab es außerordentlich viele und sehr interessante, und jeder Tag brachte uns eine Unzahl neuer und merkwürdiger Formen. In ungefähr zwei Monaten erhielt ich nicht weniger als siebenhundert Käferarten, von denen ein großer Teil ganz neu; darunter waren hundertunddreißig verschiedene Arten der eleganten von Sammlern so sehr geschätzten Bockkäfer (Cerambycidae). Fast alle diese wurden auf einem Fleck im Dschungel gesammelt, der nicht größer war als eine Quadratmeile, und auf allen meinen folgenden Reisen im Osten traf ich selten, wenn je, einen so ergiebigen Ort wieder. Diese außerordentliche Ergiebigkeit hatte zweifellos teilweise ihren Grund in einigen begünstigenden Bedingungen des Bodens, des Klimas, der Vegetation und der Jahreszeit, die sehr hell und sonnig war mit genügenden Regenschauern, um alles frisch zu erhalten. Aber es war auch nach meiner Überzeugung zum großen Teil abhängig von der Arbeit der chinesischen Holzfäller. Sie hatten hier mehrere Jahre schon СКАЧАТЬ