Die bedeutendsten Maler der Alten Zeit. Norbert Wolf
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СКАЧАТЬ darf sich rühmen, ein berauschender Meister der Farbe zu sein. Die Buntwerte leuchten und glühen bei ihm in emaillehafter Faktur, vor allem die lasierend gemalten Rottöne, die sich im Endergebnis zu opaker Kohärenz zusammenfinden. Das Zickzack goldener Gewandsäume konturiert die Farbinseln. Zu den sonoren Tönen treten pastellartig aufgehellte Nuancen, das Inkarnat ist, gemäß den Praktiken byzantinischer Ikonenmalerei, konsequent mit Grün untermalt. Die Weißhöhung spielt eine geringere Rolle als das Herausarbeiten plastischer Werte mittels subtiler Farbmodellierung. Zu den Prinzipien der Flächenhaftigkeit, Ornamentalität, Frontalität der Hauptfiguren tritt eine Fülle von Wirklichkeitsbeobachtungen wie die Vermittlung raumköperlicher Qualitäten durch Farbmodellierung und »Mehransichtigkeit« oder intensivierte Draufsicht, die im Kontrast die geistige Schau des Hauptthemas noch intensiviert.

      Derartige Optionen sollten vor allem in der französischen Buchmalerei des 14. Jahrhunderts ein deutliches Echo finden, wogegen der exklusive und preziöse Stil Duccios in der italienischen Tafelmalerei kaum schulbildend zu wirken vermochte; der künstlerischen Größe dieses Malers und der überwältigenden Wirkung seiner Arbeiten, zumal seines Hauptwerkes, tut dies jedoch nicht den geringsten Abbruch.

      7 Von diesen Vorgängen, ihren staatsymbolischen Implikationen und von Duccios Altarretabel handelt ausführlich: Kempers, Bram: Kunst, Macht und Mäzenatentum: der Beruf des Malers in der italienischen Renaissance. München 1989, S. 126 ff.

      8 Weber, Andrea: Duccio di Buoninsegna. Köln 2001

      GIOTTO DI BONDONE

      (* wohl Vespignano, um 1267[?], † Florenz, 8. 1. 1337)

      Zeitgenossen rühmten Giotto als den Wegbereiter der neuzeitlichen Malerei. Dante (1265–1321), der Dichter der Göttlichen Komödie, lässt einen Bewohner des Fegefeuers über die Vergänglichkeit allen irdischen Ruhms entsprechend sinnieren: »Credette Cimabue nella pittura/ Tener lo campo, ed ora ha Giotto il grido/si che la fama di colui è scura […]« (»Es glaubte Cimabue in der Malerei den Platz zu halten, doch es verdunkelte sich sein Ruhm und Giotto hat nun das Geschrei« – will heißen, den Applaus der Menge).9

      Cimabue und Giotto – davon war bereits in der Biografie des ersteren die Rede gewesen – sollen den von Giorgio Vasari Mitte des 16. Jahrhunderts publizierten Lebensbeschreibungen der berühmtesten Künstler zufolge in künstlerisch engsten Kontakten gestanden und auch in der Franziskusbasilika in Assisi noch zusammengearbeitet haben. Wenn Vasari dem Alteren wenigstens konzediert, er habe sich aus der Stilisierungssucht byzantinischer Bildformeln zu lösen versucht, was dann allerdings erst Giotto gelungen sei, konstruiert er ein viel zu einfaches Entwicklungsmodell und übersieht die innovativen Möglichkeiten der »maniera greca« im 13. Jahrhundert, wie sie etwa die Mosaizierung des Florentiner Baptisteriums anbot.

      Überraschend viel in der Vita Giottos ließ eine Zeit, die den Daten eines Künstlerlebens noch wenig Aufmerksamkeit schenkte, im Dunkeln. Das betrifft schon das Geburtsdatum, das man – anders als Vasari – am besten um das Jahr 1267 herum ansetzt; es betrifft ferner den Geburtsort – Colle di Vespignano nördlich von Florenz (im Mugello-Tal), oder doch Florenz selbst? – und die Frage nach einer möglichen künstlerischen Ausbildung in Rom, wo Ende des 13. Jahrhunderts eine Riege fortschrittlicher Kräfte am Werk war.10

      Leider gewinnt das Bild Giottos auch angesichts der grandiosen Ausschmückung von San Francesco in Assisi noch keine absolut verlässlichen kunstgeschichtlichen Konturen.

      Der heilige Franziskus war am 3. Oktober 1226 gestorben. Mancher geistliche Würdenträger, dessen Bauch sich ebenso wie sein Besitzstand in Ehren gerundet hatte, mochte froh gewesen sein, dass die Kirche jenen Fanatiker der Armut endlich los war. Jetzt galt es, seine Anhänger im Sinne der Kurie wieder zu domestizieren. Die Ausmalung der Mutterkirche des Franziskanerordens sollte dafür Propaganda machen. Die Bilder der Oberkirche erfüllten diesen Zweck seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert. Bis heute ist umstritten, ob und wieweit Giotto an ihnen beteiligt war – auch wenn sich die Waagschale der Forschung inzwischen stark zu seinen Gunsten neigt.

      Mit Sicherheit von Giotto stammen die wunderbaren Fresken in der Arenakapelle in Padua (ca. 1303–1305). Im Anschluss daran entstand sein noch von Theoretikern der Renaissance bewundertes Navicella-Mosaik an der Fassade der alten Petersbasilika in Rom (weitestgehend zerstört). Längst war Giotto zur Berühmtheit avanciert – über Jahrzehnte hinweg engagierten ihn geistliche Würdenträger in Rom, weltliche Herrscher in Neapel, Rimini, Mailand, die Franziskaner in Assisi (jetzt für Fresken der Unterkirche), reiche Kaufleute für ihre Kapellen in S. Croce in Florenz. Zuguterletzt ernannten die Florentiner Stadtherren den renommierten Mitbürger im Frühjahr 1334 zum Leiter des städtischen Bauwesens; dessen Aufgabe war es auch, den Campanile des Doms und seine Bauplastik zu realisieren.

      Viele Werke sind verlorengegangen, viele haben Gehilfen oder Schüler vollendet. Von Giotto selbst stammt das herrliche Tafelkreuz in S. Maria Novella in Florenz (1290er Jahre) und das beeindruckende Altarbild der Ognissanti-Madonna um 1310 (Florenz, Uffizien).11

      Was aber macht die schöpferische Leistung Giottos aus?

      Empirische Wahrnehmung und deren illusionistische Wiedergabe, im Verein mit einer nach wie vor feierlich-spirituellen Grundhaltung, das war das Vorzeichen seiner Kunst! Die artifizielle Präsentation glich ihre visuellen Daten immer mehr der realen Räumlichkeit und Körperlichkeit an. Erstmals seit der Antike transformierte Giotto Figuren, Architekturen, Landschaften, kurz: die Bildräume und -elemente zu überzeugenden Schauplätzen und Handlungsbühnen, erstmals widmete er sich wieder der Aufgabe, das menschliche Gesicht nach Lebensspuren und Gefühlsregungen, also porträtähnlich und als psychologisch erfassbare Einheit zu sondieren. Er als erster, so scheint es, hat wieder Grisaillen gemalt, deren Grauin-Grau Skulpturen vortäuschen und folglich die Illusionskraft der Malerei beweisen sollte.

      Zugleich verstand es Giotto, seine neuartig selbstbestimmten Gestalten einer noch nie dagewesenen Bildautonomie zu integrieren; die Details zeichnen sich nicht mehr wie Chiffren einer transzendenten Existenz vor dem Hintergrund ab, sondern stehen mit der rhythmischen Aufteilung der Flächen zueinander und mit der Gesamtkomposition in Beziehung. Die daraus resultierende Ordnung wird wiederum für die Logik der Handlung nutzbar gemacht. Dass jedes Bild eine eigengesetzliche Einheit formiert – das ist das Zukunftsweisende von Giottos Malerei. Sinngemäß äußerte 1908 Henri Matisse, einer der Hauptbegründer des modernen Bildes im 20. Jahrhundert: »Wenn ich die Fresken Giottos in Padua sehe, kümmere ich mich nicht darum, welche Szene aus dem Leben Christi ich vor Augen habe, aber ich erfasse sofort die Stimmung, […] denn sie liegt in den Linien, in der Komposition, in der Farbe.«12 Die Autonomie des Bildes, unanhängig vom Sujet, dieses große Ziel der klassischen Moderne hätte demnach ihre Wurzel in der Kunst Giottos. Zweifellos ist eine solche Aussage über-pointiert – dass Giotto ein Revolutionär war, einer der kühnsten, den die abendländische Kunstgeschichte vorzuweisen hat, das freilich steht fest.

      9 XI. Gesang des Purgatorio

      10 Einen gedrängten Überblick über Giottos Leben und Werk und damit auch über die vielen offenen Fragen gibt Norbert Wolf: Giotto di Bondone 1267–1337. Die Erneuerung der Malerei. Köln usw. 2006; die Fresken behandelt Joachim Poeschke: Wandmalerei der Giottozeit in Italien 1280–1400. München 2003

      11 Giottos Tafelmalerei beleuchtet auf neuestem Stand der Sammelband: Giotto. The Santa Maria Novella Crucifix. Hrsg. von Marco Ciatti und Max Seidel. Florenz 2002

      12 Zitiert bei Poeschke, Joachim, op. cit., S. 16; s. Anm. 10

      AMBROGIO LORENZETTI

      (* СКАЧАТЬ