Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 144

СКАЧАТЬ Tante Uli nur geschwind alle Fenster schließen kann. Und dann wirft sich der Sturm herein, und alle Ungeheuer, die um die Burg gelagert sind, öffnen ihre Feuerschlünde.

      Rosmarie fährt zusammen. »O Tante Ulrike, war denn je ein solches entsetzliches Gewitter? Ich habe mich doch nie gefürchtet. Hast du je einen solchen Donner gehört? Mach die Vorhänge zu: ich kann die Blitze nicht sehen ... Ach, das große Licht... Liebste.«

      Ein Heulen. Brausen und Toben ist in der Luft, und wie kurze Kanonenschläge kracht der Donner. Und jedesmal, wenn ein Schlag fällt, erzittert Rosmaries ganzer Körper, und ihre Hände verkrampfen sich an den Kissen. Das goldene Licht der Krone selbst kann die grellen Blitze nicht verdecken.

      »O Tante Uli, sieh nach dem Kinde!« stöhnt sie.

      »Ich kann dich jetzt nicht verlassen, mein armes Herzblatt. Harro ist bei ihm. Ich sehe sein Licht nicht mehr, er ist gewiß oben...« Ein neuer Schlag, da geht die Tür auf und Harro kommt herein.

      »Ich habe geklopft, ihr hörtet mich nicht. Ich wollte sehen, ob Rosmarie sich nicht aufregt.«

      Tante Ulrikes Gestalt hatte ihm seine Frau verdeckt. Nun drehte sie sich um, und Harro beugt sich über sie. Einen Augenblick nur, dann sagte er: »Gott steh mir bei...« und wieder ein Schlag, und wieder rann das Zittern durch ihre Glieder, als hämmere der Schlag auf ihr armes Herz.

      »Harro,« stöhnte sie, »hilf mir, so hilf mir doch! Warum kommt der Donner auf mich?«

      »Nimm sie auf deinen Arm, Harro!« flüsterte ihm die alte Dame zu. »Ich will dir helfen. Wie es der Professor damals getan hat.«

      Er hielt sie in seinem Arm, das aufgelöste blasse Gold ihrer Haarwellen strömte über seine Schulter und er fühlte das harte unruhige Stoßen ihres Herzens. Noch ein schweres verhallendes Rollen und draußen strömten die Wasserfluten.

      »Danke dir.« flüsterte sie, als ob er den Winden gebieten könne. »Heinz?«

      »Er schläft, Rose. Er ist nicht einmal aufgewacht.«

      »Ich bin so dankbar, daß du gekommen bist. Harro. O Harro, Lieber, warum war denn der Donner im Zimmer? Er rollte über mich hinweg wie ein schwerer Wagen.«

      Harro gab ihr keine Antwort, nur Tante Ulrike tröstete. »Du hast es mehr gefühlt, weil du krank bist, mein Herzblatt.«

      »Ja, ich bin sehr krank, heute bin ich sehr krank, oh, mein armer Harro! Und den ganzen Tag schon war ich krank, und sie ließen dich nicht zu mir. Und ich wollte dich doch trösten, Harro... Aber ich war zu müde dazu. Halt mich doch in deinem lieben Arm... nun regnet's auf meine Lilien, meine armen, und der Sturm zerknickt sie, Harro!«

      »Ja, er zerknickt sie,« sagte er leise.

      »Nicht alle, Herzenskind,« tröstete Tante Ulrike. Harro beugte sich sanft über Rosmarie herab und küßte den blassen Mund, da ging die alte Dame leise hinaus.

      Draußen strömte der Regen eine herrliche duftende Kühle, und der Atem vieler Rosen zog durch den Raum. »Harro,« sie sprach so leise, »sie sagten, du seist so traurig ... warum kommst du nicht zu mir?«

      »Sie ließen mich nicht... ich könnte dir schaden, sagen sie. Aber es ist nicht wahr. Habe ich dir nicht heute den schlimmen Donner verjagt?«

      »Wie du kamst, war's besser... Warum läßt du mich deine Augen nicht sehen, Harro? Immer siehst du hinweg. O Harro, du weinst.«

      »Nein,« lügt er, »es ist das Licht.«

      »Ach, nicht weinen, du mußt mir helfen, Harro. Du siehst doch, daß ich kämpfe. Immerfort kämpfe ich. Für dich, Harro, um mein armes Leben. Wärst du nicht gekommen, ich hätte das Rollen und Stoßen auf mir nicht mehr ertragen. Und ich darf dich doch nicht allein lassen, Harro.«

      »Wie kann ich dir kämpfen helfen, Seele... wie kann ich's denn?«

      »Ach, weiß ich das... du sollst bei mir sein, du sollst mich nicht so viel allein lassen. Die Quelle, nun ist sie ein Bächlein geworden – es rauscht so stark, und wie die Sternblumen duften.«

      »Ich lasse dich nicht mehr allein. Ich stehe jetzt bei dir. Nein, auf fremde Quellen sollst du nicht hören. Es ist unser lieber alter Brunnen, der rauscht. Ach, was für kostbare Stunden ließen wir uns nehmen, und du hast deinen armen Harro vor deiner Tür vor Warten fast vergehen lassen! Nun machen wir es, wie wir es wollen. Sie haben dir nicht gut getan mit ihrer Ruhe. Ich bringe dich wieder in den Wald. Unter dem Kastanienbaum kannst du auch schön still liegen, und die Tannen rauschen dich in den Schlaf. Und die Rehe kommen ganz dicht heran, und es fällt im ganzen Walde kein einziger Schuß. Den ganzen Tag rufen die Waldtauben. Und nachts spinnen die weißen Nebel. Silberne Gewänder spinnen sie, und morgens ist alles mit Diamanten bestickt. Und die Hasen spielen Verstecken am Rain. Und wenn der Mond kommt und du im Sälchen in deinem schönen weißen Bett liegst und die Tannen draußen ganz versilbert stehen, dann hörst du eine wunderfeine Musik wie aus weißen Nebeln und Mondschein gewoben. Das ist Hans Friedrichs Geige. Er ist unten in der Veranda und seine Geige singt dich in den Schlaf.« Durchsichtig zart und weiß mit zart geröteten Lippen und fest geschlossenen Augen, unter deren schwerem Lid der kostbare Edelstein noch eben hervorleuchtet, liegt sie und horcht und lächelt... Ist das Harro? Kann er denn solche sanften lieben Bilder vorzaubern? Nun ist plötzlich in ihrem schönen Antlitz das Seelchen wieder erwacht. So lächelt sie. Ihre Hände haben sich gelöst und hängen wie sanfte weiße Blumen herab ... Auch das wilde Stoßen des Herzens hat aufgehört.

      »Ich will noch mehr hören, Harro ... Von dem himmlischen Garten sprichst du doch, denn von dem andern... du siehst doch, ich kann nicht mehr.«

      »Vom himmlischen Garten weiß ich nichts, Liebste... Ich spreche von unserem Waldhaus.«

      Ihre Hände zucken in die Höhe, als müßte sie versuchen, sich zu erheben, sie sinken zurück.

      »Auf meinen Atmen kommst du dahin, Rose... So wie du jetzt dein liebes Haupt daherlegst...« Immer röter werden ihre Lippen, und nun öffnet sie ihre fieberblanken Augen.

      »Ja, ja, Lieber,« sagte sie hastig, »nur ist das so sonderbar, daß ich hier angekettet bin. Und wenn du mich in die Höhe heben willst, so hoch, daß du mich auf die Römerwiese heben kannst, so reißt du doch an den Ketten...«

      »Tante Uli...« rief Harro... »Sieh die Rose!«

      »Sie hat Fieber, sie hat hohes Fieber, Harro... das ist immer so, das Gewitter hat sie angegriffen,« raunt sie ihm zu. »Gib ihr das.« Sie bringt ihm eine kleine Tasse. »Wenn sie es nimmt, ist es gut.«

      »Rose, trinke das!«

      Aber sie schüttelte... »Dann schlafe ich den schweren häßlichen Schlaf und du gehst fort.«

      »Ich gehe nicht.«

      »Aber ich fühle dich nicht mehr, Harro.«

      Ulrike zuckt die Achseln. »Zwinge sie nicht... wenn sie von selbst einschläft, ist es noch besser... Sie ist nicht ganz klar.«

      »O doch,« sagt Rosmarie scharf. »Ihr seht nur die Dinge nicht ganz recht. Und Harro weiß zu wenig von dem himmlischen Garten. Die Geige, das gefiele mir. Und die Töne, die sich verspinnen wie Mondschein-beperlte Nebelfäden. Ach, wie mich das freut. Still, Harro, daß es der Tyrann nicht hört. Freude, das Wort ist ihm schon zu viel. Immer still. traurig und Ruhe, so will er es. СКАЧАТЬ