Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 142

СКАЧАТЬ wäre ich keine dreißig Jahre hier. Aber drei Tage vor dem Unglück auf der Römerwiese, da habe ich selbst nimmer nach schlagenden Läden und Ofenblechen gesucht. Der junge Herr ist aus drei Zimmern ausgewandert. Immer, sie wären ihm zu kalt oder zu heiß oder was weiß ich. Der hat es auch gehört. Ich habe von unserem Herrgott mitbekommen, daß ich mich nicht fürchte. Wie wenn ich fürs Schloß geboren wäre. Und so habe ich mich, wie ich's wieder gehört habe, in das Vorzimmer gestellt, wo die eine Säule ist, neben der Wendeltreppe dort ins Eck. Weil's dort herkam. Das ist auf drei Schritt an mir vorbei, Schritte und wieder Schritte. Es hat schier kein Ende genommen. Herauf und herunter. Und als trügen und schleppten sie. Gesehen habe ich nichts. Es schien ein Mond irgendwo, finster war es nicht. Und im Hof heulten alle Hunde. Lieber noch die Schritte als das Geheul. Auf einmal ging das Licht an, der Fürst kam ganz angezogen mitten in der Nacht. Er sieht mich, zum großen Glück war ich anständig gekleidet, und er sagt: ›Fräulein Berger, hören Sie die Hunde auch?‹ Er wundert sich gar nicht, daß ich auf bin. ›Es ist überhaupt nicht geheuer heute nacht, Durchlaucht.‹ Da faßt er mich am Arm und deutet hinüber. Jetzt ist wie ein mattes Licht im großen Saal. Die weißen Vorhänge gehen auf einmal herunter, auf denen zeichnen sich allerhand Schatten ab. Von Menschen, die da innen gehen. Sie gingen zu schnell und waren zu weit in der Mitte des Saales, wir konnten's nicht erkennen, was es für Schatten waren. Aber große und kleine, dünne und breite waren's gewiß. Viele, viele Schatten. Dann erlosch das Licht. Und der Fürst ließ meinen Arm los. Den hatte er die ganze Zeit gepackt gehalten. Er muß es gar nicht gewußt haben. Dann sagte der Fürst mit denselben Worten: ›Fräulein Berger, es gibt ein Unglück...‹

      Ich sage: ›Durchlaucht, wir wollen nicht hoffen ...‹

      Da schüttelt er sich und geht in sein Zimmer.

      Und daß Sie mir nichts davon verlauten lassen, Karoline. Es bliebe mir kein Zimmermädchen, und Geister gibt es nicht. Das habe ich bei dem Herrn Kantor selig schon gelernt. So müssen wohl die alten Bilder spazieren gegangen sein. Und seit vorgestern haben wir Ruhe. Ein wahrer Gottesfriede, Karoline!«

      Dreiundvierzigstes Kapitel.

       Von den himmlischen Gärten

       Inhaltsverzeichnis

      Schwer und dumpf lastete heute der Tag auf Thorstein. Grau versponnen der Himmel, in kurzen, mürrischen Stößen riß der Wind an den Rosenstämmen und zerzauste Harros mühsam gehütete Lilienecke, denn es war nicht mehr lange zum Lilientag. Die Frau von Thorstein war heute gar nicht aus ihrem Schlafzimmer gekommen und hatte, wie Harro sagte, nur eine viertelstündige Audienz erteilt.

      Klein Heinz, der heute ganz der Babette anheimgefallen war, war darauf verfallen, Vaters Marmorbüsten im Empfangsraum mit einer Peitsche zu bearbeiten. Schreiend wurde er hinausgetragen. Im Garten hatte er sofort Märts Gießkanne umgestoßen und sich auch, ehe es Lisa hindern konnte, in der Wasserlache gewälzt und seine Locken mit feuchtem Sand bearbeitet. Mama hatte ihn auch da wieder brüllen hören, als ihm sein Vergnügen gestört wurde. Jetzt war er sicher in der Tantenstube untergebracht, und sein Vater hatte ihm dort eine Tracht tüchtiger Hiebe erteilen müssen, weil er eben dazu kam, wie der junge Herr die Enttäuschungen des Morgens dadurch rächte, daß er Baublöckchen nach der armen Babette warf. Wie einfach war vorher die Bändigung des jungen Thorsteiners gewesen und wie schwierig wurde sie jetzt. Harro hatte sich immer eingebildet, daß Heinz' Tugend hauptsächlich s e i n e r Erziehung zu danken sei, aber nun zeigte es sich, daß der Mutter ein sehr viel größerer Teil zugekommen war.

      Seufzend stieg er hinunter, während die schluchzenden Klagetöne ihm noch nachhallen. Am Treppenfenster macht er halt, man genoß hier den weitesten Überblick, und seit er seinen Saal nicht mehr betrat, blieb er oft hier stehen. Grau versponnen der Himmel. Das Land, schon im vielfarbigen Sommergewand, zeigte in dem glanzlosen Lichte ein zerstückeltes Aussehen. Dunkel schwarz glitt unten der Fluß vorbei und in kurzen Windstößen wirbelten die Rosenblätter. Hochsommer, und doch lag eine drückende Müdigkeit auf dem Land, über das die zerfaserten dichten grauen Schleier hinjagten.

      Harro dünkte es, er habe Jahre an dem Fenster da verwartet, wie oft hatte er in letzter Zeit dagestanden, ruhig und traurig, seine sonst so unermüdlichen Hände auf dem Rücken und dem schweren Schlagen des Reiherfluges nachsehend.

      Aus dem Atelier vertrieb ihn die Unrast. Die Bilder, die er in so ganz anderer Stimmung begonnen hatte, fremdeten ihn an, er versuchte vergeblich, sich wieder auf die gleichen Gefühle zurückzuschrauben. Diese fliegenden Reiher, diese grau zerfaserten Wolkenschleiergewebe, diese düstern, glanzlosen Wipfel da unten, das wäre ein Bild. Das gäbe einen Ausdruck für seine Stimmung: seine unruhige Sehnsucht, die metallisch dunkeln Flügel würden sie dahintragen unter diesem verschleierten Himmel. Er sah es greifbar vor sich, das Bild, in düsterer Schönheit, aber seine auf den Rücken gelegten Hände zuckten nur, er blieb stehen und ließ die Stunde zerrinnen, bis ihn der Gong zum Essen rief. Ein einsames Mahl mit Tante Uli. Alfred fehlte.

      Weder der Hausherr noch die Stiftsdame sprachen ein Wort. Tante Ulrike war nicht für unnötiges Reden, wenn sie sah, wie wenig es doch verschlug. Tante Ulrike hatte reichlich Eisen im Blut ... weich war sie eigentlich nur gegen das Kind, das ihr verspätete Mutterfreuden und -schmerzen zu genießen gab. Darum fing sie erst, als Harro seine Nachtisch-Johannisbeeren verzehrte, an zu sprechen.

      »Harro, du mußt mir Geld geben.«

      Sie führte die Rechnung, den einzigen Teil ihrer Pflichten, den Rosmarie ungemein gern und freudig abgegeben hatte.

      »Habe nichts mehr ... du mußt Rosmaries braunes Buch nehmen und sie soll ihre Unterschrift geben. Dann kann Märt nach Brauneck hinüber. Die Füchse stehen sich ja die Beine ab.«

      »Ha,« sagte Tante Uli. »steht es so? – – – Wir leben jetzt ganz von Braunecks Gnaden ...«

      »Was willst du,« knurrte Harro, »ich habe zu früh mein Haus frei haben wollen. Ich hätte auch damit warten können. Und dann steht noch einiges aus, was ich bekommen muß.«

      »Aber es liegen doch alle Morgen Stöße von Briefen da, die du nicht aufmachst, Harro. Wer weiß, was da alles darin steckt.«

      »Schon möglich.«

      Harro schob seinen Teller hinweg und zündete sich eine Zigarre an.

      »Harro, wenn man so am Rande ist wie du, dann würde ich wenigstens nicht so mit gekreuzten Beinen dasitzen und nicht einmal Briefe aufmachen.«

      »Bin noch lange nicht am Rande. Rosmaries Goldhaufen muß auch bewacht werden.«

      »Harro, du wirst frivol .... Laß mich deine Briefe aufmachen, wenn es dich zu viel Anstrengung kostet bei deinem so außerordentlich nützlich verbrachten Leben.«

      »Verlangst du, daß man bei dem Wetter arbeitet?« sagte Harro matt. »Such die Briefe ab, ob du etwas Aufregendes darunter findest, dann kannst du es mir sagen.«

      Tante Ulrike griff mit dem langen Arm nach dem obersten Haufen und fing an, die Briefe zu öffnen.

      »Du starrst auch in den blendendsten Sonnenschein, Harro. Das Wetter ist eine Ausrede .... Hier. Von einer Dame: Mein teuerster Harro! Eine Handschrift wie gestochen ... soll ich weiter lesen?«

      »Sieh doch nach dem Namen unten,« rief Harro, der schon wieder am Fenster stand.

      Sie waren in Rosmaries Zimmer gegangen .... »Dein Hans Friedrich.«

      »Gib!« СКАЧАТЬ