Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 116

СКАЧАТЬ ihr Kind und die Fürstin. »Der Ring geht nicht herunter, er hat eine Feder. Nur Vater kann ihn lösen. Ich weiß ja, daß der Ring mir nicht zu Recht gehört.«

      Ach, wenn Harro käme, die Angst befällt sie wieder, die törichte, dumme Angst. Die Fürstin sieht sie mit starren Augen an:

      »Also auch das noch! Du weißt wohl auch, warum ich nicht nach Wiesbaden ging?«

      Rosmarie hat die unglückliche Unfähigkeit, ihre Gedanken zu verbergen. Sie hat ja von Tante Helen doch etwas erfahren. Mit einem Blick sieht die Fürstin ihr an, daß sie etwas weiß. Aber auf das Richtige kommt sie nicht. Sie hat ja immer irgend welche nicht eingestandene Toilettenrechnungen stehen, und Rosmarie wird von dem letzten Großreinemachen in Brauneck gehört haben. Vielleicht soll sie durch den Landaufenthalt von Versuchungen ferngehalten werden. Und Rosmarie weiß darum, das überlegt sie sich blitzschnell, und darunter liegt noch eine dumpfe Angst.

      Und Rosmarie schweigt. Mit Ausreden hat sie immer nur Unglück gehabt.

      »Nun, ich bekomme keine Antwort. Da du so wenig gastfreundlich bist...«

      »Mama,« fleht Rosmarie, aber sie verstummt schon wieder, denn sie fühlt, daß sie so froh sein wird, wenn Mama wieder ihren Rappen bestiegen hat.

      »So sehe ich nicht ein, warum wir uns länger aneinander erfreuen sollen. Also lebe wohl, teure Rosmarie, und ich wünsche dir, daß all die Freundlichkeiten, die du mir schon erwiesen hast, dir einmal ebenso vergolten werden. Ich habe eine schöne lange Liste, Rosmarie. Von vielen Jahren her...«

      Und damit faßt sie ihren Reitrock zusammen und geht hinter das Haus zu ihrem Reitknecht. Rosmarie macht nicht einmal den Versuch, sie zu begleiten.

      Von diesem Besuche haben die Herren nichts erfahren. – –

      Im Spätherbste dieses Jahres malte Harro in wenig Wochen im großen Saal des Braunecker Schlosses, für den es bestimmt ist, das Bild seiner Frau, das unter dem Namen »die Lindenprinzessin« in die Welt hinausging und Harro mit einem Schlage berühmt machte. Rosmarie trug das Silberkleid und in ihren Haaren, an der alten, goldenen Spange, zwei Büschelchen Lindenblüten und -blätter. Den Hintergrund bildete der alte Saal selbst, im Spätnachmittaglicht, das ihm am besten stand, und zwar die eine, noch leere Wand, für welche der Fürst das Bild bestimmt hatte. Die Fürstin war so lange bei ihren Eltern gewesen, wo eine ihrer Schwestern Hochzeit hatte.

      Als sie zurückkam, erfuhr sie den Verkauf von Palais Brauneck in Berlin, und daß ihr ein Braunecker Winter bevorstünde.

      Ihr erster Gedanke ist: das ist Rosmarie. Die Fürstin hat Arno Schwelm nicht wiedergesehen und wird ihn also nicht wiedersehen. Nach Brauneck kann er ja nicht kommen. Seine Briefe waren selten geworden wie Diamanten. Und wenn er einmal schrieb, so schwelgte er in Herbstgefühlen, welken Rosenblättern, grauen Dämmernebeln, – er hatte ein sehr dünnes, auf dickem Papier gedrucktes Bändchen Lyrik herausgegeben, – Entsagen, Versinken, Seligkeit des Vergehens, entschwindende Masten in fernen Brandungen.

      Auf diese Note war die Fürstin nicht eingestellt. Wenn er schoß und über seine seltsamen zweifarbigen Augen ein wunderliches Flackern lief, gefiel er ihr viel besser. Was hatte sie mit entschwindenden Masten zu tun?

      Und die Lindenprinzessin hielt ihren Triumphzug. Die Damen der hohen Aristokratie wünschten brennend, von Harro gemalt zu werden, und eine Akademie bietet ihm eine Professorenstelle an. Der Wert seiner Bilder steigt um ein Beträchtliches. Unter den vielen Briefen, die er nun täglich bekommt, erhält er einen, der als Autogramm sehr interessant ist, denn er stammt von einem ganz großen Kunstgenossen, mit dem er in früheren Jahren einmal zusammengetroffen war, und den er dennoch nicht seiner neugierigen Rose zeigt.

      Lieber Thorstein.

      Ich gehe wie alle Welt und sehe mir Ihre Lindenprinzessin an. Schon zum zweiten Male. Und je öfter ich sie ansehe, desto mehr ergreift mich eine unruhige Sorge um Sie. Ich warne Sie, lieber Thorstein, lassen Sie sich von dem Radau. den die Leute mit Ihnen machen, nicht blenden. Ich höre, daß die blonde Liebliche Ihre Frau sei. Wenn sie doch Ihre Geliebte wäre! So kommen Sie ja von dem himmlischen Blondhaar und den Händen, die eine Novelle von Paul Heyse verdienen, gar nicht mehr los. Ein zeitgenössischer, hochgeschätzter Dichter singt:

      Er malt sie mit dem Papagei,

       Er malt sie mit dem Brief,

       Er malt sie, wenn sie wachte,

       Und er malt sie, wenn sie schlief.

      Freilich, Sie können Ihr Brot finden, wenn Sie daran kleben und die Galerien mit Ihrer blonden Schönheit bevölkern. Aber für Sie ist's schade. Sie sind ein ganz anderer Kerl, ein großartiger Kerl, und das wollte ich Ihnen wieder sagen, wie ich eben zum dritten Male gehe und mir Ihre Lindenprinzessin ansehe. Von einem Kollegen alles Mögliche. Und lernen Sie bitte den Vers auswendig.

      Ihr...

      Harro legte mit lautem Lachen den Brief zu den übrigen. Anfragen um Erlaubnis zur Vervielfältigung und so weiter, die er alle ablehnte. »Du kommst nicht in den Kunsthandel, Rosmarie, daß dich jeder jugendliche Handelsbeflissene an seine Wand nageln kann, neben einer Varitéschönheit.«

      Der Fürst war ungeduldig, das Bild wieder zu bekommen, und freute sich doch, wenn Rosmarie ihm einen Zeitungsausschnitt zeigte, die Hans Friedrich zu sammeln und zu schicken pflegte. Und eines Tages erfuhr die Fürstin, daß das Bild für den großen Saal bestimmt sei. Ihr eigenes Bild, mit dem sie immer noch sehr zufrieden war, hing ja im blauen Zimmer. Aber Rosmaries Bild hatte doch im großen Saal nicht seinen Platz. Sie fiel sogar Harro damit an: obgleich Harro sonst sehr gut verstand, mit ihr umzugehen, so schien er sich diesmal durchaus keine Mühe zu geben. Er war höchst eigensinnig, und der Fürst führte ihn mit Wonne ins Vordertreffen. Das Bild sei für den Saal gemalt und abgestimmt und passe nur dorthin, und man habe ihm den Platz versprochen und er verlange es nun auch. Er setzte es, im Plane wenigstens, durch, aber Rosmaries Schuldkonto bekam eine neue Kerbe. Und dazu kam die Tatsache, daß der Fürstin der Verkauf von Palais Brauneck mitgeteilt worden war und sie immer deutlicher fühlte, daß das gefährliche, schöne Spiel auf dem Florentiner Blumenboot ein Ende habe. Die Masten verschwanden immer endgültiger in den fernen Brandungen.

      Und an einem schönen Novembertags kommen die Möbelwagen mit der Berliner Einrichtung an. Das Braunecker Schloß, das schon von unten bis oben voll ist, bemüht sich lange vergeblich, auch diese Happen noch zu schlucken. Wie die großen grauen Wagen sich im Schloßhof entleerten, alle Galerien voll Bilder und Spiegel standen, heimatlose Diwans ein verzweifeltes Unterkommen in der Schloßkapelle suchten, Kronleuchter in grauen Säcken unter den großen Bogen im Hofe lehnten, wurde der Fürstin erst die ganze Unwiderruflichkeit der Sache klar. Sie empfand, was eine junge stolze Bäurin empfindet, die sich plötzlich ins Altenteil versetzt sieht.

      Brauneck ist ein Altenteil. Sie wird jetzt das Leben einer Matrone führen, immer im gleichen Kreislauf. Einige Besuche bei den Jagden, Empfänge, Wohltätigkeit. Keine amüsante Wohltätigkeit wie in Berlin, sondern von der tristen, ländlichen Sorte. Wo man gute Goldstücke hergibt, Krankenschwestern empfängt, Kinderschulen mit wimmelnden Kinderscharen in geschmacklosen Röckchen besichtigt. Die Möbelwagen, die sich da entleeren und immer neue verhüllte Gegenstände auswerfen, kommen ihr wie große graue Särge vor. Wenn sie abziehen, nehmen sie ihre Jugend mit.

      Die Fürstin sieht auf den Schloßhof herab, wo sich die Ratlosigkeit allmählich aller, sogar der weiblichen Oberleitung, der trefflichen Fräulein Berger, bemächtigt hat. Eben fährt ein Wagen vor. Die Fürstin kennt den Ton, es sind die Thorsteiner Goldfüchse. Da kommt schon Rosmarie in den Schloßhof und bleibt verwundert stehen. Sie ist nicht allein, sie wendet sich, СКАЧАТЬ