Название: Der Kolonialismus
Автор: Ludolf Pelizaeus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843800389
isbn:
Insgesamt werden die Osmanen in der Druckgraphik oft als grausam, nie aber als Barbaren oder als Unzivilisierte dargestellt, was auch vizeversa nicht geschieht. Diese Beobachtung hat auch Almut Höfert für die Gattung Text hervorgehoben und darauf verwiesen, dass man die Osmanen zwar als Boten des Antichristen, nie aber als »nicht menschliche« Wesen betrachtet habe, während man in gelehrten Kreisen umfassend die Frage diskutierte, ob die Indigenen in Afrika und Amerika denn Menschen seien.
John Derricke: Image of Irelande
Es wird darüber diskutiert, ob die englische Politik in Irland das Verhalten einer Kolonialmacht war. Manches spricht dafür, nämlich dass man in den Iren ebenfalls unzivilisierte Wilde sah, die missioniert und zivilisiert werden mussten und denen man mit Militär und einer importierten Verwaltung auf die Beine zu helfen hatte. Dagegen spricht, dass Irland als europäisch katholisches Land in den gleichen Werte- und Traditionskanon wie England eingebaut war und daher nie die gleichen Erfahrungen wie Länder in Afrika zu machen hatte. In Bezug auf das hier angesprochene Thema des fabrizierten Bildes passt aber auch Irland in das Schema der wichtigen Beobachtungen. Denn wie in Amerika, wurde die Sicht von außen allein von der siegreichen englischen Seite geprägt, da die orale irisch-gälische Tradition der englischen schriftlichen und bildlichen ebenfalls kein adäquates Medium entgegen zu setzen hatte. Die 1581 erschienenen Stiche des Engländers John Derricke waren zur Illustration der englischen Feldzüge in Irland 1570 gedacht. Auch hier erfolgte, wie in den Stichen von der Begegnung in Cajamarca, die stete Gegenüberstellung von Unordnung und Ordnung, von gepflegt und ungepflegt, von Ritterlichkeit und Verschlagenheit. Ziel ist daher nicht nur aus englischem, sondern letztlich aus zivilisatorischem Gesamtinteresse, die Unterwerfung. Und auch in diesem Bilderzyklus findet sich der Kulturvermittler. Wie Felipe tritt uns ein Bote als Wesen zwischen zwei Welten entgegen, also nicht nur zwischen Irland und England, sondern auch zwischen der auf oraler Tradition und der auf schriftlicher Tradition fußenden Gesellschaften.
Hinzu kommt, dass, wenn auch mit deutlichen graduellen Unterschieden, Sprache und Zeremoniell bei der Phase der Unterwerfung von zentraler Bedeutung sind. Mehr als bei Columbus, und das gilt besonders auch für Hernán Cortés, haben die Eroberer zunächst mit dem vorhandenen System zu kooperieren und deren Sprache und Zeichen zu verwenden. Die Begegnung in Cajamarca zwischen Pizarro und Atahualpa ist aber auch gleichzeitig ein Beispiel für das Misstrauen durch das Nicht-Verstehen des Sprache, dass sich später auch in den verschiedenen Berichten, sei es von Cortés, oder für Peru durch Titu Kusi Yupanki, bzw. durch Anhänger von Pizarro, niederschlug.
Diese Sicht des Fremden durch Berichte und Bilder, die nicht überprüft wurden oder nicht überprüft werden konnten, finden sich die ganze Neuzeit hindurch und prägen teilweise die Situation bis heute. In Zeitungen des 17. und 18. Jahrhunderts wurden Vorstellungen durch Texte transportiert. Im 19. Jahrhundert kamen dann in den Zeitungen, wie beispielsweise in der Leipziger »Illustrierten Zeitung« oder der »London Illustrated News«, Illustrationen in Gestalt von Holz- und Stahlstichen, ab der Mitte des Jahrhunderts häufig nach Fotovorlagen, hinzu. Auch bei Missionszeitungen griff man auf Fotos zurück, war man doch auf Spenden angewiesen und wollte man einerseits den Erfolg bei der »Zivilisierungsmission«, andererseits aber die Notwendigkeit zeigen, weiter tätig zu bleiben. Daher musste bildlich verdeutlicht werden, für was die zu spendenden Mittel verwandt werden sollten. Selbstverständlich betraute man europäische Künstler mit der Bildumsetzung, da die Rezipienten ein Bild erhalten sollten, das dem vorgeprägten entsprach,. Als die Fotografie erfunden wurde, waren Fotografen, die auch die negativen Seiten der Kolonialisierung vor Ort aufnahmen, wie der Italiener Felice Beato, der auch getötete Inder nach dem Aufstand gegen die Engländer fotografierte, eher eine Seltenheit. Ebenso selten blieben aber auch einheimische Fotografen oder Maler, denen es ermöglicht wurde, in ihrem Herkunftsland Aufnahmen zu machen und diese auch zu veröffentlichen. Ein Beispiel ist der Javaner Cassian Cephas, der im Dienst des Sultans von Yogyakarta stand und das Hofleben festhielt.
Es war der Regelfall, dass Aufnahmen in den Kolonien von »Eingeborenen« inszeniert wurden: Im Studio konnte man eine »Wirklichkeit« aufbauen, wie sie in Europa erwartet wurde. Sorgsam wurden die Kostüme aus dem Kostümfundus festgelegt. Selbst wenn vor Ort fotografiert wurde, so ordnete man die zu Fotografierenden so, dass die gewünschte Aussage erreicht wurde. Stand bei der kolonialen Fotografie in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts das Abnormale, das Außergewöhnliche im Vordergrund, so begann man ab den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts eher zu versuchen, die Ethnien des eigenen Kolonialreiches abzubilden und diese gleichsam der heimischen Bevölkerung in Aufnahmen vorzustellen. Es sollte eine Solidarität des Mutterlandes mit den Kolonien über das Medium Bild hergestellt werden. Dies geschah besonders über die Postkarte. Dabei war Deutschland bei der Produktion von 145 Millionen Postkarten jährlich vor dem ersten Weltkrieg führend. Allein 1907 erschienen über 300 Millionen Postkarten, also fast eine Million täglich. Dies macht die nachhaltige Prägung, die durch diese Druckwerke erfolgte, gut deutlich.
Durch die Texte und Bilder wurden Zuschreibungen vorgenommen, die entweder durch das Kunstwerk selbst oder in Zusammenhang mit dem Begleittext erfolgten. So entstand dort, wo man keine Kenntnis der tatsächlichen Situation hatte, eine konstruierte »Wirklichkeit«. Die christlichen Europäer fanden die in ihren Bildern oder Texten wiedergegebenen Ansichten im überseeischen Bereich nur bestätigt. Diese Sichtweise prägte dann aber nicht nur die Europäer in Europa, sondern auch diejenigen, die nach Übersee gingen und meist das, was sie aufgrund ihrer vorherigen Bildung und Kenntnis mitbrachten, auch vor Ort sahen.
Mythen und Sagen wurden von den Europäern nach Übersee mitgenommen. Daher bestand auch für Kolumbus, als er in der Karibik landete, kein Zweifel, dass er hier Kannibalen antreffen würde. Diese Vorstellung wurde bereitwillig von vielen Verfassern übernommen, wie wir es auch in den ersten wichtigen Berichten von deutschen »Conquistadoren«, wie Ulrich Schmidl oder Hans von Staden finden. Zwar kennt man rituelle Menschenopfer bei amerikanischen indigenen Kulturen, für das Verzehren von Menschenfleisch aber gibt es keine Belege. Dennoch hielt sich diese Sicht beharrlich und wurde mit der weiteren Expansion der Europäer auch weiter in der Welt verbreitet. Als man Ende des 18. Jahrhunderts in die Südsee vordrang, glaubte man dort genauso auf Kannibalen zu stoßen, wie im 19. Jahrhundert in Afrika oder in der Südsee.
Wie abhängig solche Berichte von der Sichtweise und dem Erfahrungshintergrund sind, mag ein Bericht aus dem 15. Jahrhundert zeigen, indem nämlich die Bewohner der Gegend um die Gambia-Mündung in Afrika umgekehrt mit der gleichen Selbstverständlichkeit annehmen, die Europäer seien Menschenfresser:
»Ihre [d.h. der Bewohner von Gambia] Antwort war, sie wüssten über uns Bescheid, z. B. wie wir mit den Negern des Senegal umgegangen seien und da ihnen bekannt sei, dass wir Christen Menschenfleisch äßen und Neger wegen des Fleisches kauften, könnten nur schlechte Menschen mit uns Freundschaft wollen; daher gäbe es keine mit uns und sie würden uns alle töten und alles, was uns gehörte, ihrem Herrn zum Geschenk machen, der sich drei Tage von hier aufhalte und das hier sei das Land Gambra und der Fluß sei sehr groß; sie nannten auch seinen Namen, aber ich habe ihn vergessen. In diesem Augenblick frischte der Wind auf und wir, die wir ihre bösen Absichten erfahren hatten, segelten in sie hinein und sie flohen ans Ufer und damit war der Krieg mit ihnen СКАЧАТЬ