Marcel Proust: Gesammelte Romane & Erzählungen. Marcel Proust
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Marcel Proust: Gesammelte Romane & Erzählungen - Marcel Proust страница 45

Название: Marcel Proust: Gesammelte Romane & Erzählungen

Автор: Marcel Proust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027208821

isbn:

СКАЧАТЬ gehört, sie soll einen Tick haben, mein Mann kennt jemanden sehr Hochgestellten, und wenn die Herren untereinander plaudern ...«

      »Ach wissen Sie, gnädige Frau, da ist dann noch der Repräsentationschef, der hat einen richtigen Buckel, kaum ist er fünf Minuten bei mir, so muß ich dran rühren. Mein Mann sagt, ich werde es noch dahin bringen, daß er abgesetzt wird. Ach was! Ich pfeif auf das Ministerium! Ja, das möchte ich als Devise auf mein Briefpapier setzen lassen: ich pfeif auf das Ministerium. Sie werden sich sicher an mir ärgern; Sie sind so gut; ich muß bekennen, nichts macht mir soviel Spaß wie kleine Bosheiten. Ohne die wäre das Leben recht eintönig.«

      Und sie redete weiter immerfort vom Ministerium, als ob es der Olymp wäre. Um das Thema zu wechseln, wandte sich Frau Swann an Frau Cottard:

      »Sie sehen heut besonders schön aus. Redfern fecit?«

      »Nein, Sie wissen doch, ich bin eine eifrige Anhängerin von Rauthnitz. Übrigens ist es nur geändert.«

      »Aber einen Chik hat das!«

      »Wieviel glauben Sie? ... Nein, Sie müssen die erste Ziffer ändern.«

      »Wie? Das ist ja für nichts, das ist geschenkt. Mir hat man dreimal soviel gesagt.« »Ja, so wird Geschichte geschrieben«, schloß die Frau des Doktors. Dann zeigte sie Frau Swann eine Boa, die diese ihr geschenkt hatte:

       »Sehen Sie, Odette, erkennen Sie es wieder?«

      Ein Vorhang wurde gelüftet, und es zeigte sich mit zeremoniös ehrerbietiger Miene ein Kopf, er tat im Scherz, als fürchte er zu stören: es war Swann. »Odette, der Fürst von Agrigent, der bei mir im Arbeitszimmer ist, fragt, ob er Ihnen seine Aufwartung machen darf. Was soll ich ihm antworten?« »Daß ich entzückt sein werde«, pflegte dann Odette zu sagen, mit einer gewissen Genugtuung, doch ohne ihre Ruhe zu verlieren, was ihr um so leichter fiel, als sie immer, schon als Kokotte, elegante Männer empfangen hatte. Swann ging die Autorisation zu überbringen und in Begleitung des Fürsten kam er wieder zu seiner Frau, außer wenn etwa inzwischen Frau Verdurin eingetreten war. Als er Odette heiratete, hatte er sie gebeten, nicht mehr in dem kleinen Clan zu verkehren (dafür hatte er seine Gründe und, hätte er keine gehabt, er hätte es doch getan, einem Gesetz der Undankbarkeit folgend, das keine Ausnahme duldet und wieder einmal die Unvorsichtigkeit aller Kuppelei bewies oder ihre Uneigennützigkeit). Er hatte nur erlaubt, daß Odette einmal im Jahr Frau Verdurin empfing und besuchte, und sogar das schien gewissen Getreuen des Kreises noch zuviel, sie waren entrüstet über die Schmach, die man der Patronne antat, die jahrelang Odette und sogar Swann als Lieblingskinder des Hauses behandelt hatte. Denn wenn der kleine Kreis falsche Gesellen enthielt, die an bestimmten Abenden ausblieben, um, ohne es zu sagen, einer Einladung Odettes zu folgen – entschlossen im Fall der Entdeckung mit ihrer Neugier, Bergotte zu begegnen, sich zu entschuldigen (obschon die Patronne behauptete, er verkehre nicht bei den Swann, sei ohne Talent; und dennoch suchte sie ihn, nach einem ihrer Lieblingsausdrücke »zu ködern«) – wenn der kleine Kreis solche falschen Gesellen enthielt, so hatte er auch seine »Ultras«. Die wußten nicht von den Konventionen, welche ein extremes Verhalten untersagen, wie man es gern gesehen hätte, um jemanden zu ärgern, und hätten gewünscht – aber ihr Wunsch erfüllte sich nicht –, daß die Patronne alle Beziehungen zu Odette aufgebe, schon damit diese nicht die Genugtuung habe, lachend zu sagen: »Wir gehen sehr selten zur Patronne seit dem Schisma. Das war noch möglich, als mein Mann Junggeselle war, aber für ein Ehepaar ist es nicht immer ganz leicht ... Swann, um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, kann die alte Verdurin nicht vertragen und würde es nicht sehr schätzen, wenn ich gewohnheitsmäßig mit ihr verkehrte. Und ich, als treue Gattin ...« Swann begleitete seine Frau zu der Abendgesellschaft bei den Verdurin, vermied es aber zugegen zu sein, wenn Frau Verdurin Odette besuchen kam. Wenn also die Patronne im Salon war, mußte der Fürst von Agrigent ohne ihn eintreten. Er allein wurde übrigens von Odette vorgestellt, denn sie wollte nicht, daß Frau Verdurin obskure Namen zu hören bekam, sie sollte, wenn sie soviel unbekannte Gesichter sah, meinen, sich mitten unter namhaften Aristokraten zu befinden, und diese Berechnung glückte; des Abends sagte dann Frau Verdurin mit Abscheu zu ihrem Manne: »Ein reizender Kreis! Die ganze Blüte der Reaktion war anwesend!« Odette hatte in bezug auf Frau Verdurin die umgekehrte Illusion. Damals hatte deren Salon allerdings erst begonnen zu werden, was er später einmal sein sollte. Frau Verdurin war noch nicht einmal in der Inkubationsperiode, in der man die großen Feste aufschiebt, um die wenigen erst jüngst erworbenen glänzenden Elemente nicht in zuviel schlechte Masse zu tauchen, und lieber abwartet, daß die Zeugungskraft der zehn Gerechten, die man gewonnen hat, siebenzigmal zehn hervorbringe. Wie auch Odette es bald tun sollte, nahm Frau Verdurin die ›Gesellschaft‹ aufs Korn, aber ihre Angriffszonen waren noch sehr beschränkt und lagen so fern von denen, bei welchen Odette einige Aussicht hatte, zu einem entsprechenden Resultat durchzudringen, daß diese nichts von den strategischen Plänen ahnte, die die Patronne ausarbeitete. Wenn man zu ihr von Frau Verdurin als einem Snob sprach, sagte sie ganz gutgläubig lachend: »Ganz das Gegenteil ist sie. Erstens einmal fehlen ihr dazu alle Elemente, sie kennt niemanden. Dann muß man ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie es gar nicht anders haben will. Nein, was sie liebt, sind ihre Mittwoche mit ihren angenehmen Plauderstunden.« Und heimlich beneidete sie Frau Verdurin (obwohl sie immer noch hoffte, in einer so guten Schule schließlich etwas gelernt zu haben) um die Künste, welche die Patronne so hübsch wichtig nahm, obwohl sie nur ein Nichtvorhandenes nuancierten, im Leeren modellierten und Künste im Nichtsein waren: die Kunst einer Hausherrin nämlich, zu ›vereinen‹, zu ›gruppieren‹, ›zur Geltung zu bringen‹, ›sich selbst in den Schatten zu stellen‹ und nur als ›Bindestrich‹ zu dienen.

      Den Freundinnen von Frau Swann machte es immerhin einen großen Eindruck, bei ihr eine Frau zu sehen, die man sich gewöhnlich nur in ihrem eigenen Salon vorstellte, unzertrennlich umgeben von dem Rahmen ihrer Besucher, von dem ganzen kleinen Kreise; den sah man jetzt staunend hier heraufbeschworen, zusammengefaßt und auf einen einzigen Sessel beschränkt sub specie der Patronne, die selbst Besuch geworden war, wie sie da eingemummelt saß in ihren mit Eisvogel gefütterten Mantel, so daunenweich wie die weißen Stoffe, die diesen Salon bekleideten, in dessen Mitte Frau Verdurin selbst ein Salon war. Die schüchternsten Frauen wollten sich aus Diskretion zurückziehen, und – wie man den andern Besuchern begreiflich macht, daß es verständiger sei, eine Rekonvaleszentin, die sich zum erstenmal erhebt, nicht zu sehr zu ermüden, – wandten sie den Plural an und sagten: »Odette, wir wollen Sie jetzt allein lassen.« Man beneidete Frau Cottard, die von der Patronne beim Vornamen genannt wurde. »Werde ich sie entführen?« sagte Frau Verdurin zu ihr, da sie den Gedanken nicht ertragen konnte, daß eine der Getreuen dabliebe, statt ihr zu folgen. »Frau Bontemps ist schon so liebenswürdig, mich mitzunehmen«, antwortete Frau Cottard, die nicht den Eindruck erwecken wollte, als vergäße sie zugunsten einer berühmteren Person, daß sie das Anerbieten von Frau Bontemps, sie in ihrer Dienstkutsche heimzufahren, angenommen hatte. »Ich gestehe gern, daß ich den Freundinnen, die mich in ihrem Vehikel mitnehmen, ganz besonders dankbar bin. Das ist ein wahrer Glücksfall für mich, die selber keinen Rosselenker hat.« »Um so mehr,« erwiderte die Patronne (sie wollte nicht unfreundlich dazu schweigen, da sie Frau Bontemps ein wenig kannte und schon zu ihren Mittwochen eingeladen hatte), »als Sie bei Frau von Crécy ziemlich weit von Hause sind. O mein Gott! Ich werde es doch nie lernen, Frau Swann zu sagen.« Es war ein beliebter Scherz im kleinen Clan, so recht für Leute, die nicht viel Geist haben, zu tun, als könne man sich nicht daran gewöhnen, Frau Swann zu sagen. »Ich hatte so sehr die Gewohnheit, Frau von Crécy zu sagen, daß ich mich beinah wieder versprochen hätte.« Frau Verdurin war die einzige, auf die dies ›beinah‹ nicht zutraf, sie versprach sich absichtlich. »Ängstet es Sie nicht, Odette, dies verlorene Viertel zu bewohnen. Wenn ich abends hier auf dem Heimweg wäre, ich glaube, ich würde ein bißchen unruhig sein. Und dann ist es so feucht. Das kann nicht gut sein für das Exzem Ihres Mannes. Sie haben doch wenigstens keine Ratten?« »Aber nein! Das wäre ja scheußlich!« »Gott sei Dank. Man hat es mir gesagt. Ich bin froh, daß es nicht wahr ist, denn ich habe schreckliche Furcht vor Ratten und wäre nicht wieder zu Ihnen gekommen. Auf Wiedersehen, Liebste, Beste, auf bald, СКАЧАТЬ