Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg страница 9

СКАЧАТЬ langsamen Flugs fern und immer ferner in die Landschaft hinein. Jetzt flog ein schöner, geflügelter Knabe auf die Bühne, er trug eine Lyra im Arm, und senkte sich wie im jauchzenden Entzücken der Jugend tief in die roten Blumen und schwankenden Rosenkelche hinein; dann begann er ein wunderlich feuriges Lied, das eine abenteuerliche, aber liebliche Sage behandelte: es war die Geschichte der Liebe. – »Gott liebte einst, liebte menschlich, liebte ein Weib, aber ein Götterweib, wie er ein Gott. Ihr Lächeln schuf den ersten Frühlingskeim und nach ihren Träumen bildete Gott die Blumen; sie aber liebte einen Raum im flutenden Meere der Schöpfung besonders und bat einst den Ewigen: Schaffe mir hierher ein Gestirn und schenke es mir, hier muß es köstlich sein zu wohnen, mild flammt das Licht des nächsten Fixsterns herüber und süß fließt der Strom der Lüfte dahin. Sie hatte den Wunsch kaum ausgesprochen, als in dem Momente die neugeschaffene Erde ihre Bahn dahinrollte – die kleine Erde, und der höchste Geist sprach mit Lächeln: da ist sie! nimm sie, schasse sie zu einem Paradiese um, sie sei dein Brautgeschenk, schalte mit ihr, wie es deiner Laune gefällt. Da sah die Gottgeliebte auf die kleine Erde mit rührender Freundlichkeit nieder, und dachte über Pläne nach, wie sie sie am zierlichsten schmücken solle. Endlich schuf sie ein sonderbares Wesen mit einem Barte, einem krausen Lockenkopf und in der Brust mit einem rotenklopfenden Herzen, und ihm zur Seite, nach ihrem eigenen Bilde, ein süßes kränkliches Püppchen, voll Sehnsucht und Tränen und voll Lächeln und Narrenspossen. Diese Beiden, sagte sie, sollen sich nun gegenseitig freuen und betrüben, beides bis zum Tode; es soll eines die Lippen des andern suchen und nicht wissen, was es tun will, und so entstehe der erste Kuß; sie sollen viel tolles, einfältiges Zeug sprechen und über die albernsten Dinge zusammen weinen; sie sollen in den Mond blicken und lachen und weinen, und weinen und lachen durcheinander. Er soll fluchen und zürnen, wenn sie geht, sie aber soll tanzen, wenn er sich ärgerlich fortschleicht, lachen, wenn er weint, innerlich aber ersticken wollen an zurückgehaltenen Tränen, und all der neckende Unmut, das weinende Entzücken der Liebe soll bei ihnen wohnen und Hütten bauen in ihren Herzen. – Sie sprach es, und die ersten Menschenherzen fingen ihr unruhiges Geklopfe an. Ein schöner Garten war erbaut, mit düstern heimlichen Gängen, wie der quälende Dämon der Liebe es verlangt, und die Gottgeliebte freute sich der Genüsse und Qualen ihrer lieben Puppen. Aber ach, sie selbst mußte untergehen, ihre Natur war zu schön, um ewig zu sein, sie starb am Geruch einer Blume. Als sie nicht mehr war, fand der höchste Gott kein Gefallen mehr an der Erde, er mochte den Schauplatz, der ihn an sein verlorenes Glück mahnte, nicht mehr schauen, einsam ließ er die arme Erde in die Nacht hinrollen und sie kam unter den Pöbel der übrigen Gestirne. Alljährig aber, o Himmel, welch Entzücken! wirft er einen Blick auf sie, und ein seliges Liebeserinnern gießt sich dann über sie aus. Dann sagen wir Menschen, der Frühling ist da und freuen uns innig; der hohe Gottestraum der Liebe geht in den Blicken unserer Knaben und Mädchen, in unsern Blumen und klaren Brunnen auf.« –

      Er schwieg und Massiello hob den schönen Pagen mit einem Kuß aus dem Blumenbecken, und trocknete ihm die Tränen von den vollen roten Wangen und sprach: »Tröste Dich, mein Enzio, wenn jene Frühlinge und Götterträume immer kürzer werden, so haben wir jetzt so viel Erziehung und Bildung, daß wir das gar nicht bemerken, ja man kann bei einem wärmenden Schlückchen Magentee, bei einem Stümpfchen Licht und bei der Abendzeitung auf die alleranständigste Weise aller Frühlinge entbehren! Ist man nun auch so glücklich, daß man von einem soliden Frauenzimmer ein Paar grauer wollener Strümpfe zum Winter erhält, dazu sich die Füße und den Kopf warm hält, so kann ein Billigdenkender die übertriebenen Anstrengungen der Sonne und all das farbige Gras ganz entbehren.« Er sprach die letzten Worte mit fast kreischender Stimme, indem er den weinenden Knaben an sich drückte, und wenig fehlte, daß er nicht selbst in Tränen ausbrach. Jokonde lachte, weil sie glaubte, der Herzog wünsche das, als dieser aber ihr sehr ernst in die Augen sah, wußte sie nicht, was sie denken und tun sollte.

      Der Vorhang rauschte jetzt von neuem auf. Die Bühne hatte sich gänzlich verändert, sie stellte eine dunkle Höhle vor in tiefer Nacht. Eine düstre niedergebrannte Ampel erhellte phantastisch die dicken Steinwände, dunkles Gebüsch, dessen Enden vom Lichte smaragdgrün anliefen, wehte im Nachtwinde. Zwei rohe, aber schöne Buben saßen an einem Steintisch und würfelten, ein schlankes volles Mädchen lehnte zwischen beiden, und ihr Antlitz, besonders zwei große schwarze Augen, sogen das Licht ein und starrten in glänzender Pracht. Es gab einen warmen Streit, jeder der Buben wollte die volle Schöne für sich, sie redeten heftig und das Mädchen trat mit einem lustigen Vorschlag hervor. »Nun, Ihr Gesellen, so will ich mich teilen, wenn Ihr anders Frieden halten wollt; bis hierher, – sie zeigte auf den goldenen Gürtel, – gehöre ich mit dem obern Teil, mit Mund, Kuß und Rede dem Einen, mit dem übrigen muß der Andere zufrieden sein! Nun würfelt!« »Guten Dank,« rief der Schwarze, »ich soll also die Füße erhalten, die zu nichts weiter dienen, als zum Davonlaufen?« Sie würfelten, und der Blonde erhielt den Oberleib, der Schwarze lachte, daß der volle Lockenkopf schüttelte und die dunkeln sinnlichen Augen blitzten im höchsten Feuer, das sonderbare Mädchen aber lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, und sah gedankenvoll vor sich hin. »Nun gut,« rief der Blonde, und strich sich die goldenen Locken aus der hellen Stirne, »ich bin zufrieden, ich will von Küssen, Seufzern, holden Blicken und süßen Träumen leben, meine Seele soll im Gesang aufblühen und diese Blüte soll Liebe heißen, von der heißen, reifen Frucht der Sinnlichkeit will ich nichts wissen.« Der Schwarze lachte aber noch wilder und leerte einen hohen Becher mit Wein, indem er die Schöne zu sich auf den Schoß zog, – sie aber blickte mit sehnsüchtigen Augen hinüber zum Blonden, und der hatte eine Zither hervor geholt, auf der er weiche, rührende Lieder sang, die sich draußen mit dem stillen Lispeln der Gebüsche, mit dem ruhigen Walten der Mitternacht mischten.

      »Das ist die Liebe im Mittelalter,« erklärte der Herzog, zu seiner Nachbarin gewendet, »so teilen sich in dieser wunderbaren Zeit Sinnlichkeit und Andacht in ihre Flammen, und die Feuerrosen der Poesie blühen mit den reinen Lilien edler Sitte gepaart.« Als sich die Szene von neuem gestaltete, saß Massiello im Schlafpelz, mit dem Almanach der Liebe und Freundschaft, vor dem Ofen. An den Wänden hingen in saubern Stahlstichen zwölf politische Küpferchen, den übel abgelaufenen Freiheitskampf der Griechen, Polen und noch etlicher unterdrückter Völker und Völkchen darstellend, mit unterschriebenen liberalen Phrasen, um Feuer zu wecken, verziert. Die Büsten des Themistokles und Brutus lagen zertrümmert auf dem Boden. Ein altes Ritterschwert diente zur Kamingabel, und auf einem Schilde wurden Kastanien mit etwas Butter gebraten. In einer kleinen Bibliothek sah man die Memoiren des Casanova und ein paar frivole Kupferwerke hervorleuchten. Es wurde nichts gesprochen, sondern leise, aber immerwährend gegähnt, zwischendurch hörte man den Mops schnarchen. Der Vorhang fiel schnell, und verbreitete durch sein Niederschießen einen kalten Luftzug über das Parterre. Der Fürst erhob sich, und die alberne Musik ging wieder an. Eduard und der Abt schlichen verstimmt herum, der Graf ließ sich nicht blicken, der Herzog lag mit Jokonden in den Polstern einer Fensternische. Mit Unmut sprang er auf, als ein Kammerjunker vom Hof sich melden ließ; er wechselte mit diesem einige Worte und kehrte dann höchst verdrüßlich zu seinem Platz zurück. Es verbreitete sich augenblicklich das Gerücht, die Prinzessin Braut sei nur wenige Stunden von der Residenz entfernt, und wünsche und erwarte ihren hohen Geliebten zu sehen. Über Jokondens Antlitz zuckte es wie ein Schmerz, sie hing in einem langen Kusse an der Lippe ihres Freundes, dann sank sie in die Polster zurück, und die Wellen ihrer Atlasrobe rauschten über sie zusammen. –

      Der Herzog ging, die Gäste zerstreuten sich und Eduard stand unschlüssig in seinen Mantel gehüllt vor der Türe der Hütte. Der Sturm wehte, die Wolken flogen auf der Himmelsbühne wie wimmernde Schatten durcheinander, ziemlich hoher Schnee lag auf den niedern Dächern wie auf der Gasse, hier und da leuchtete ein dünnes Lichtlein, an dem ein altes Fischerweib die schadhaft gewordenen Netze besserte. Jetzt näherten sich zwei Männergestalten dem Hause, ohne Eduard zu bemerken. »Er ist fort,« rief eine Stimme, die Roberten angehörte, »kommen Sie, er darf, er wird heute nicht wiederkehren.« Eduard trat hervor und Robert eilte auf ihn zu. »Bist Du es? Schön, komme mit uns, Du Jugendlicher, ich will Dich mit einem hübschen Menschen bekannt machen; komm, das Wetter ist kalt, wir trinken ein Glas Punsch.« Eduard folgte und bemerkte jetzt, daß ein bildschöner, erhitzter Jüngling, in einen engen Überrock geknüpft, mit ihm zur Türe sich eindrängte. Ein heißer Atem СКАЧАТЬ