Kindheit, Jugend und Krieg. Theodor Fontane
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Название: Kindheit, Jugend und Krieg

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027225842

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СКАЧАТЬ Flügel drehte. Mir drehte sich dabei alles im Kopf, so benommen war ich von dieser Herrlichkeit. Was aber das Allerwichtigste war und meinem militärischen Enthusiasmus (der sich übrigens [leider] sehr bald wieder von dieser Niederlage erholte) den ersten Stoß versetzte, das war bei Musterung dieser Spielsachen die totale Abwesenheit alles karikiert Martialischen, nichts von Helm oder Tschako, nichts von Trommel oder Säbel. Der feingebildete Sinn des Hausherrn mied solche Gewöhnlichkeiten.

      Und hier muß es gesagt werden: In dieser feinen Schulung des Hausherrn bestand recht eigentlich sein Übergewicht über alle seine Mitbürger, unter denen einige durch eine gewisse Genialität, andere durch gründlicheres Wissen ihm überlegen sein mochten. Er hatte dafür jene weltmännischen Formen, wie sie Reisen, Lektüre, gute Lebensverhältnisse zu geben pflegen, und vertrat im eminenten Grade jenen erfreulichen vornehmen Dilettantismus, der, an allem Höheren ein Interesse nehmend, sich, aus ebendiesem Interesse, mit dem Höheren nun auch wirklich zu beschäftigen beginnt. Man wurde von dieser Eigenart des auch in seinen Umgangsformen überaus liebenswürdigen Mannes auf einen Schlag überzeugt, wenn man ihn, statt in den unteren Wohnzimmern, in den schon erwähnten, nach dem Bollwerk hinaus gelegenen Giebelzimmern aufsuchte, deren geräumigstes er sich zu einem physikalischen Kabinett eingerichtet hatte. Jetzt begegnet man dergleichen häufiger, damals aber war es wohl ein Unikum in der ganzen Provinz. Da befanden sich Instrumente, um die Fallgesetze zu demonstrieren, optische Gläser, Leydener Flaschen und Voltasche Säulen, Elektrophore, Vergrößerungsgläser, Mikroskope, vor allem auch eine Luftpumpe. Noch mehr aber als die Luftpumpe selbst interessierte uns eine Windbüchse, die nach dem Luftpumpenprinzip geladen wurde. Machten sich nun Krähen und Raubvögel auf des Kommerzienrats Hühnerhofe bemerklich, so ging er – wahrscheinlich weil in der Stadt mit einer gewöhnlichen Schußwaffe nicht geschossen werden durfte – mit dieser seiner Windbüchse auf Jagd, und das Raubzeug wurde dann, nach seiner Erlegung, unter allseitigem Jubel an die Remisentür genagelt.

      Das war das physikalische Kabinett. Aber im Laufe der Jahre sah sich dasselbe von dem etwas kleineren chemischen Laboratorium fast überholt, was teils mit dem raschen Fortschreiten der Chemie, teils mit dem zufälligen Umstande zusammenhängen mochte, daß unter den häufiger in Swinemünde eintreffenden Badegästen auch einige Berliner Chemiker waren, obenan Major Tourte, der, mit dem Kommerzienrat innig befreundet, von den Öfen und Schmelztiegeln nicht fortkam und halbe Tage lang vor seinen Retorten saß.

      So war der, dem, um es zu wiederholen, die gesellschaftliche Reformaufgabe der Stadt zugefallen war. Er unterzog sich derselben und modelte, will sagen moderierte den Ton. Aber er ging damit nur bis an eine gewisse Grenze, so daß, wie schon an anderer Stelle erzählt, die Derbheit zwar eingeschränkt, aber nicht ganz aufgehoben wurde. Auch unter seinem Regime blieb das gesellschaftliche Leben von einer gewissen Neckteufelei beherrscht, entweder weil er die Unmöglichkeit einer totalen Umgestaltung einsah oder vielleicht auch dieser etwas sonderbaren Gesellschaftsform selber ein wenig zuneigte. Alles lief in dem Leben der das Groteske liebenden Swinemünder Kaufleute darauf hinaus, die Träger des sogenannten »Höheren« – trotzdem der Kommerzienrat für seine Person sich diesen »Trägern des Höheren« mit Fug und Recht zuzählen durfte – jeden Augenblick fühlen zu lassen, daß es mit dem Geistigen oder gar mit dem Idealen nicht allzuviel sei. Man konnte sich in die Tage des Tabakskollegiums zurückversetzt denken, wo die »Gelehrten« desselben, die Gundlings und Morgensterns, trotzdem oder richtiger weil sie kluge Leute waren, vieles über sich ergehen lassen mußten. Genauso verliefen die Swinemünder Gesellschaften. Mal erschien ein berühmter Professor, Theolog und Philosoph (ich glaube, es war Marheineke) an der Krauseschen Tafel und hatte natürlich die Frau vom Hause, eine durch Schönheit und Klugheit ausgezeichnete Dame, zur Tischnachbarin, mit der er sich schon beim Ragoût fin in ein Gespräch über philosophische Themata verwickelt sah. In geschickter Weise Fragen stellend, immer nur in anscheinender Bescheidenheit eine ganz leise Vertrautheit mit den Dingen andeutend, erreichte die von Fichte, Hegel und Schelling wie von ihr wenigstens oberflächlich bekannten Größen sprechende Rätin alsbald soviel, den berühmten Professor in das alleraufrichtigste Staunen zu versetzen. Und doch war alles bloß Rolle, die die Dame, den Wünschen ihrer Umgebung nachgebend, sich mit Hilfe des Konversationslexikons einstudiert hatte.

      Neckereien derart waren es denn auch, denen sich mein Vater, freilich sehr durch seine Schuld, beständig ausgesetzt sah. Ich komme weiterhin darauf zurück. Hier nur schon soviel, daß man ihm eines Tages erklärte, ihn in den Freimaurerorden – zu dessen Mitgliedern (was aber meinem Vater unbekannt war) in Wahrheit kein einziger aus der Honoratiorenschaft gehörte – aufnehmen zu wollen. Er ängstigte sich etwas davor, weil er von »In Sarglegen« und dergleichen gehört hatte. Und nun kam schließlich der dafür festgesetzte Tag, und alle Prozeduren, wie sie der landläufigen Annahme der damaligen Nichtfreimaurerwelt entsprachen, wurden in feierlicher Sitzung bei Stockfinsternis und unter Ansprachen und Schwüren mit ihm vorgenommen. Er merkte nichts und wollt auch nichts davon wissen, als ihm meine Mutter tags darauf erklärte, daß man ihn gefoppt habe. Schließlich gab er es zu, aber mit der durchaus versöhnlichen Bemerkung: »Dann haben sie's wenigstens gut gemacht.«

      Ich überlasse es jedem, zu solchen gewagten Scherzen, sei's zustimmend, sei's mißbilligend, Stellung zu nehmen; wie man sich aber auch dazu stellen möge, das wird zugestanden werden müssen, daß in dem allem ein Etwas steckte, nach dem man sich in binnenländischen Nestern von viertausend Einwohnern vergeblich umgesehen hätte. Von Pfahlbürgertum, von Engem und Kleinem überhaupt, existierte keine Spur. Und das gab dem ganzen Leben nicht bloß Reiz und Unterhaltlichkeit, sondern, aller Tollheiten unerachtet, doch auch etwas von einem höheren Stempel. Ich habe später in jugendlichen Künstler- und Dichterkreisen oft Ähnliches erlebt, aber als stadtbeherrschendem Ton bin ich ihm nie wieder begegnet.

      Wie wir in unserem Hause lebten – Sommer- und Herbsttage – Schlacht- und Backfest

       Inhaltsverzeichnis

      Wie wir in unserem Hause lebten? Im ganzen genommen gut, weit über unsern Stand und unsere Verhältnisse hinaus. Allerdings schoben sich, speziell auf das Küchendepartement hin angesehen, auch sonderbare Zeitläufte mit ein, so beispielsweise, wenn wir in Sommertagen wegen überreichen Milchertrages wochenlang im Zeichen der Milchsuppe standen. Alles streikte dann, Appetitlosigkeit vorschützend.

      Aber das waren doch nur kurze Ausnahmezustände, für gewöhnlich wurden wir gut und zugleich sehr verständig verpflegt, was wir mehr noch als meiner Mutter unserer Wirtschaftsmamsell, einer Mamsell Schrödter, zuzuschreiben hatten. Von dieser muß ich, ehe ich weitergehe, berichten. Als wir in Swinemünde eintrafen, war meine Mutter, wie schon in einem früheren Kapitel erzählt, einer Nervenkur halber in Berlin zurückgeblieben, und die Frage trat gleich nach unserer Ankunft an meinen Vater heran, wer inzwischen die Wirtschaft führen solle. Lokalzeitungen gab es nicht, also mußte mündlich herumgefragt werden, und schon wenige Tage später traf ein von einem Boten überbrachter Brief aus der Pudaglaschen Oberförsterei bei uns ein, worin der Oberförster Schrödter anfragte, ob sich seine Schwester uns vorstellen dürfe, sie habe die Wirtschaft in seinem Hause gelernt. Mein Vater antwortete sofort zustimmend und war zwei Tage lang glücklich in der Vorstellung, eine Oberförsterschwester, noch dazu aus Pudagla, als Wirtschafterin in sein Haus nehmen zu können. Das gab Relief; er fühlte sich wie geehrt. Und am dritten Tage fuhr die Schrödter denn auch bei uns vor und wurde seitens meines Vaters empfangen. Er versicherte später, Kontenance bewahrt zu haben, doch bin ich dessen nicht ganz sicher, trotzdem ihm sein gutes Herz und seine Politesse den Sieg über sich erleichtert haben mögen. Die gute Schrödter war nämlich ein Pendant zu der ungefähr um dieselbe Zeit in Berlin auftauchenden »Prinzessin mit dem Totenkopf«. Was bei dieser letzteren (die dann durch Dieffenbach in einer berühmt gewordenen Kur mittelst »plastischer Chirurgie« wieder hergestellt wurde) das Unheil verschuldet hatte, weiß ich nicht, bei der Schrödter aber waren es die Blattern. Indessen was heißt Blattern! Jeder hat einmal von den Blattern heimgesuchte Personen gesehen und dabei den Ausdruck, der Teufel habe Erbsen СКАЧАТЬ