Kindheit, Jugend und Krieg. Theodor Fontane
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Название: Kindheit, Jugend und Krieg

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027225842

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СКАЧАТЬ mit unverbrüchlicher Ruhe antwortete: »Mein französisches Gefühl lehrt mich, daß es so heißen muß, so und nicht anders«, ein Ausspruch, der natürlich den Jubel nur steigerte.

      Ja, Napoleon und die Marschälle!

      Das Wissen meines Vaters nach dieser Seite hin war geradezu stupend, und ich verwette mich, daß es damals keinen Historiker gab und auch jetzt nicht gibt, der, was französische Kriegs- und Personalanekdoten aus der Zeit von Marengo bis Waterloo angeht, auch nur entfernt imstande gewesen wäre, mit ihm in die Schranken zu treten. Wo er alles her hatte, ist mir rätselhaft. Ich kann es mir nur so vorstellen, daß er in seinem Gedächtnis ein Fach hatte, drin, wie von selber, alles hineinfiel, was er bei seiner unausgesetzten Lektüre von Journalen und Miszellensammlungen in ebendiesen als seiner Passion dienend vorfand.

      Obenan auf dem von ihm beherrschten Gebiete stand natürlich Napoleon selbst, an dem er übrigens merkwürdigerweise die Sankt-Helena-Tage vor den Tagen seines soldatischen Ruhmes bevorzugte. Dann folgte Ney, sein ganz besonderer Liebling, beinah Abgott. Nach diesem aber, in einer Art von Salto mortale, sprang er über alle weiteren, mehr oder weniger berühmten Marschälle, für die er samt und sonders nicht allzuviel übrig hatte, hinweg und wandte sich sofort den Größen zweiten und dritten Ranges zu, also Männern wie Rapp, Duroc, Nansouty, Cambronne, Friant, Lannes. Diesem letzteren, der schon 1809 bei Groß-Aspern fiel, war er fast so zugetan wie seinem Lieblinge Ney. »Ja, dieser Lannes, dieser Herzog von Montebello! Sonderbar. Er soll sehr beschränkt gewesen sein. Aber am Ende, was tut das? Ney war auch beschränkt.« Und so bewies er aus der Beschränktheit des einen die Größe des andern oder stellte wenigstens die Bedeutungslosigkeit der ganzen Beschränktheitsfrage fest. In seiner Hinneigung zu den kleinen Größen lag aber nichts von Zufall oder Laune, ganz im Gegenteil, er wußte das »Warum« recht gut; mitunter waren es nur Äußerlichkeiten, und ihn beispielsweis über Nansouty, der eine Kürassierdivision kommandierte, sprechen zu hören, war ein vollkommener Hochgenuß. Nansouty stand dann leibhaftig vor einem. Ich war in diesen Dingen schließlich selber so zu Hause, daß ich hätte soufflieren können. Woher das so kam, davon erzähl ich an andrer Stelle, wenn ich von meines Vaters »sokratischer Methode« spreche.

      Vorläufig aber nach diesem Exkurse zurück zu den Gesellschaftsabenden selbst, deren zweite Hälfte regelmäßig die Komödie des Neckens und Aufziehens heraufführte. Selbst als Wirt war mein Vater nicht sicher dagegen, eher, daß sich das Necken dabei verdoppelte.

      Von einem dieser Abende, der mir noch besonders lebhaft im Gedächtnis ist, weil seiner, auch in späteren Jahren noch, öfters und in allerhand Einzelheiten gedacht wurde, will ich hier erzählen. Man war schon beim Dessert und sang eben ein Lied, das Konrektor Beda, ein Stiefsohn der in einem früheren Kapitel erwähnten schönen Frau gleichen Namens, nach der Melodie von »O, Schill, dein Säbel tut weh« gedichtet hatte. Meine Mutter und deren Schwester – die Kaffeestunde rückte bereits heran – hatten wie herkömmlich auf dem gelben Moirésofa Platz genommen, ich selber aber war auf gut Glück mit hereingeschlüpft und hielt mich in Nähe von Konsul Thompson, der sich denn auch ein Vergnügen daraus machte, mir zum Ärger meiner Mutter immer neue Massen von Traubenrosinen zuzustecken. Thompson, bequem in allem, sang das Schill-Lied nicht mit, und nur immer, wenn der Refrain kam, fiel er mit aller Macht ein. Am obren Ende der Tafel aber saß Kommerzienrat Krause und sagte, während er sich, als das Lied schwieg, zu meinem Vater wandte: »Sage mir, lieber Bruder, bei diesem Liede von Schill oder doch nach der Melodie von Schill ist mir mit einem Male wieder ›Bertrands Abschied‹ eingefallen. In welchem Zusammenhange, weiß ich nicht und ist auch am Ende gleichgültig; ich mochte nur wissen, ist dieser Bertrand in ›Bertrands Abschied‹ derselbe, der mit auf Sankt Helena war?«

      »Gewiß ist es derselbe. Es gibt nur einen. Er war, glaube ich, mit in Saint-Cyr und hatte die schwärmerischste Liebe für Napoleon, noch mehr als General Rapp.«

      »Das muß wohl so sein, denn ich habe da heute in der Times einen Artikel über die nun Gott sei Dank zurückliegenden Sankt-Helena-Tage gelesen und bei der Gelegenheit, ich muß doch sagen, zu meinem Staunen, erfahren, daß Bertrand in zu weit gehender Liebe zu seinem Kaiser diesem seine ihm angetraute Frau zeitweilig abgetreten haben soll, so daß Napoleon gewissermaßen dreimal verheiratet war, Josephine, Marie Luise und Madame Bertrand. Ich kann nur wiederholen, ich find es etwas übertrieben und möchte wissen, wie du dich zu dieser Sache stellst? Würdest du ... meine liebe Freundin wird verzeihn«, und er verbeugte sich gegen meine Mutter, »würdest du dich zu einem ähnlichen Akt loyaler Aufopferung entschlossen haben?«

      »Unbedingt, wenn ich Bertrand gewesen wäre.«

      »Das sind Ausflüchte, lieber Bruder. Wenn du Bertrand gewesen wirst! Natürlich. Wie Bertrand darüber dachte, das wissen wir, seine Taten sprechen. Aber ich möchte wissen, wie du dich persönlich dazu verhältst. Mein Bruder Eduard, der den Artikel auch gelesen, sprach von Infamie.«

      »Das ist zu hart. Alle solche Fragen empfangen in den oberen Regionen eine neue, von dem Gewöhnlichen mehr oder weniger abweichende Beleuchtung; die moralischen Anschauungen verschieben sich infolge davon und werden freier. Ich glaube, daß die Entscheidung bei Madame Bertrand gelegen hat. Wollte sie, so war es nur in der Ordnung, wenn Bertrand selbst im Punkte der Loyalität nicht hinter seiner Frau zurückbleiben wollte. Du darfst auch nicht vergessen, daß der Kaiser über das verfügte, was man Dämonismus nennt. Friedrich der Große hatte das auch, sein Auge zwang den Willen der Menschen.«

      »Ich glaube, daß du recht hast, und wir müssen am Ende glücklich sein, daß wir nicht in jenen oberen Regionen leben; wir wären sonst vor nichts sicher.«

      »Sind wir auch nicht. Im absoluten Staat gehört alles dem König; er kann mir nicht bloß meine Frau nehmen, auch meinen Kopf.«

      »Das hat er schon«, unterbrach meine Mutter und stand auf.

      Als die Gäste fort waren und die Fenster um frischer Luft willen trotz der miteinströmenden Kälte weit geöffnet wurden, ging mein Vater mit auf dem Rücken zusammengelegten Händen im Zimmer auf und ab. Meine Mutter sah ihm eine Weile zu, dann sagte sie: »Nun, Louis, du gehst ja auf und ab wie ein Sieger. Du bist wohl stolz darauf, daß du, wie Krause sagte, deinem Freunde Napoleon die dritte Frau angetraut hast!«

      Mein Vater nickte.

      »Merkst du denn nichts?« fuhr sie fort, »gar nichts? Einen Tag fragen sie dich nach der Einwohnerzahl von Buxtehude, den andern Tag wollen sie wissen, was mehr sei, das Eichenlaub am roten Adlerorden oder die Schleife. Durchschaust du denn nicht diese Posse?«

      Mein Vater nickte wieder.

      »Ja, Louis, wenn du das alles durchschaust, dann begreife ich dich nicht, dann weiß ich nicht, warum du ihnen immer wieder den Gefallen tust.«

      »Weil ich ein artiger Mann bin und guter Wirt.«

      »Guter Wirt. Nun vielleicht. Aber das ist es nicht. Du hast bloß die grenzenlose Schwäche, deine Geschichten immer wieder anbringen zu wollen, und bist schlimmer als die schlimmsten Anekdotenerzähler, die, wenn man ihnen sagt: ›Kenn ich schon‹, sich nicht stören lassen und ruhig weitersprechen. Ist es nicht so? Hab ich nicht recht?«

      »Ich glaube beinah, daß du recht hast. Aber was tut das? Ein jeder hat sein Steckenpferd, und wir wiederholen uns alle. Nimm mirs nicht übel, du wiederholst dich auch und betonst namentlich vieles ...«

      »Bitte, nichts davon.«

      »Außerdem aber nehme ich bei diesen Dingen allen Ernstes das für mich in Anspruch, daß ich in einem fort beflissen bin, nützliche Kenntnisse zu verbreiten. Ich bin kein elender Witz- und Wortspieljäger, ich kultiviere Historisches und helfe nach, wo nachzuhelfen ist. Und du wirst nicht bestreiten, daß die Summe historischer Kenntnis, namentlich bei den Studierten, СКАЧАТЬ