Kindheit, Jugend und Krieg. Theodor Fontane
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Название: Kindheit, Jugend und Krieg

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027225842

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СКАЧАТЬ seiner Verhältnisse. Beim alten Krause kam zur Stärkung des Selbstgefühls und eines aus glücklichen Lebensverhältnissen erwachsenen Glaubens an sich noch ein anderes hinzu: die Macht einer ausgesprochenen, in jedem Augenblick in Haltung und Miene sich kundgebenden Männlichkeit, eine Macht, die vielleicht zu keiner Zeit eine so hervorragende Rolle gespielt hat wie während des vorigen Jahrhunderts und nicht zum wenigsten – man gedenke des russischen Hofes – auf dem Felde großer und kleiner Politik.

      Und auf ebendiesem Felde mit Hilfe glücklicher natürlicher Gaben sich zu betätigen, dazu bot auch der Beginn dieses Jahrhunderts noch volle Gelegenheit und vielleicht nirgends mehr als in unseren Seestädten, wo die Kontinentalsperre die Schwierigkeiten der durch die Fremdherrschaft geschaffenen Lage verschärfte. Jedenfalls lag es dementsprechend in Swinemünde, das zu jener Zeit eine französische Garnison besaß oder doch das, was man damals so nannte. Sah man näher zu, so waren es meist Truppen aus den Rheinbundstaaten, Hessen, Nassauer, Westfalen. An den Odermündungen, speziell in Swinemünde, standen Badenser, die sich gut nahmen und mit denen man, unter gegenseitigem Entgegenkommen, auf vortrefflichem Fuße lebte, bis eines Tages Fritz von Blanckenburg, wenn ich nicht irre, der Vater oder Oheim des späteren konservativen Abgeordneten, durch einen geschickt geplanten Überfall die ganze badisch-französische Besatzung gefangennahm. Inmitten solcher Ereignisse sich gegen den Verdacht der Mitschuld und andererseits, bei Bekämpfung dieses Verdachts, auch wiederum gegen den Vorwurf einer undeutschen und illoyalen Gesinnung zu schützen, konnte nur einer so siegreichen und zugleich so diplomatischen Persönlichkeit, wie die des alten Krause, gelingen, die denn auch klug und fest alles zu gutem Ende führte.

      Ja, der alte Krause! Solange es die Verhältnisse forderten, war er, neben vielem anderen, auch ein guter, in die Zeit sich schickender Diplomat gewesen, als dann aber die Tage des ersten freien Aufatmens kamen, erwies er sich als ein noch besserer Patriot. Kaum daß der Aufruf des Königs erlassen war, so war er da, sich in seiner Vaterlandsliebe zu betätigen. Er begnügte sich nicht, einen reitenden Jäger in voller Equipierung zu stellen, sondern machte zugleich das Anerbieten, zwanzig Jäger zu Fuß zu rüsten und ein Jahr lang zu unterhalten. Zwei Jahre später, nach der Rückkehr Napoleons von Elba, ließ er seinen inzwischen herangewachsenen ältesten Sohn als Freiwilligen eintreten, in welcher Eigenschaft dieser den Feldzug von Anno 15 mitmachte.

      Zeigte dies alles seine loyale Gesinnung, so bewies es nicht minder seinen glänzenden, durch die voraufgegangenen Kriegsjahre mehr geförderten als verminderten Besitz- und Vermögensstand. Und so lag es in der Tat. Hätte es aber noch eines Beweises dafür bedurft, so wäre dieser dadurch erbracht worden, daß der alte Krause, nach wiederhergestelltem Frieden, ein in der Nähe Stettins gelegenes Gutsareal, die Güter Kolbatz, Hoffdamm und Heidchen, für die damals bedeutende Summe von 255.000 Talern an sich brachte. Das war 1816, und diese Zeit bezeichnete wohl den Höhepunkt im Ansehn der Familie.

      Sommer 1837 sah ich den alten Geheimrat zum letztenmal. Er traf damals Anstalten, den 1816 erworbenen Besitz wieder zu veräußern, und zwar an den Staat. Zu diesem Zwecke war er nach Berlin gekommen und hatte daselbst in dem in der Burgstraße gelegenen Hotel de Portugal Wohnung genommen. Natürlich eine Flucht Zimmer im ersten Stock. Ich machte mich eines Nachmittags auf, um hier an den, wenn er bei guter Laune war, ziemlich umgänglichen alten Herrn eine Frage nach seinem mir befreundeten Enkel zu richten, ein Vorhaben, das scheiterte. Denn im selben Augenblicke, wo ich, von der Treppe her, in den zwischen den Vorder- und Hinterzimmern hinlaufenden Korridor einbiegen wollte, sah ich auch schon am äußersten Ende desselben eine hohe, von einer Gasflamme hell beleuchtete Gestalt, die, während sie mit einem mächtigen Weichselrohr (ich erkannte von weither die Elfenbeinkrücke) wie mit einem Gewehrkolben auf die Diele stieß, den Gang hinunter mit Donnerstimme »Louis« rief. Louis war sein Diener, ein bildhübscher, etwas durchtriebener Schlingel. Ich sah sofort, daß von einer gemütlichen Anfrage keine Rede sein konnte, machte deshalb kehrt und hörte nur noch, wie sein Rufen nach dem Diener zum zweiten-und drittenmal, alles aufstörend, das Hotel durchschütterte. Solche Störung war ihm aber gleich. Er war nicht daran gewöhnt, auf Kellner oder Portier oder wohl gar auf einen seine Nachmittagsruhe haltenden Weinreisenden irgendwelche Rücksicht zu nehmen.

      Drei Jahre später starb er, der »König von Swinemünde«.

      Zu der Zeit, als wir daselbst eintrafen (1827), war der alte Geheimrat nominell noch in voller Herrschaft, hatte jedoch, weil er seit 1816 die Hälfte des Jahres auf seinem Gute Kolbatz zubrachte, das Tatsächliche der Herrschaft an seine zwei Söhne Wilhelm und Eduard, wie an zwei Statthalter, abgetreten. Eduard, damals noch jung, wirkte wie ein Adlatus des erheblich älteren Bruders und kam erst zu voller Bedeutung, als es ihm einige Jahre danach vergönnt war, den jungen Prinzen Adalbert, späteren Admiral, in seinem unter prächtigen Linden am Bollwerk gelegenen Hause wiederholentlich als Gast begrüßen zu können. Den überaus liebenswürdigen Prinzen mit dem schon damals sprechend ähnlichen Großen-Kurfürsten-Profil, ebenso wie zwei, drei seiner Adjutanten, darunter Hauptmann von Bonin, den späteren Führer des Ersten Armeekorps 1866, habe ich aus jenen Tagen her noch deutlich im Gedächtnis.

      All dies war im Beginn der dreißiger Jahre, wo meine Swinemünder Tage sich schon ihrem Ende zuneigten. Während der unmittelbar voraufgehenden Zeit aber lag, gesellschaftlich angesehen, das Stadtregiment bei des alten Krause schon genanntem ältesten Sohne, dem Kommerzienrat Wilhelm Krause, von dem ich in Nachstehendem zu berichten haben werde.

      Das von ihm bewohnte Haus erhob sich neben dem seines Bruders an einer besonders malerischen Stelle. Das Ganze, voll Eigenart und mit künstlerischem Sinn ausgeführt, war ein Hochparterrebau, von einem Fliesengang eingefaßt, um den sich kurze Pfeiler mit dazwischen ausgespannten Ketten zogen. Eine von einem zierlichen und geschweiften Gitter eingefaßte Sandsteintreppe führte zu dem Hochparterre hinauf und mündete auf einen breiten Flur, den wieder ein langer querlaufender Korridor durchschnitt. Dadurch entstand eine Vierteilung, die für Ordnung und Übersicht des Ganzen sorgte: Wirtschaftsräume, Schlafzimmer, Wohnzimmer und großer Saal. Die Wohnzimmer und der große Saal lagen nach vorn hinaus und bildeten jedesmal einen Gegenstand meiner Bewunderung. In den Wohnzimmern waren es besonders die Kupfer- und Stahlstiche, die mich entzückten, zu nächst Landschaften und Genrestücke, dann aber auch Porträts englischer Staatsmänner samt Kriegs- und Seehelden, so daß sich mir schon damals die Köpfe von Lord Canning, Lord Melbourne, Lord Palmerston und mehr noch die von Nelson, Wellington und Codrington, dem »Sieger von Navarino«, tief einprägten. Am meisten Eindruck aber machte Präsident Bolivar auf mich, Held und Befreier von Südamerika, das mir als Cortez- und Pizarro-Gegend ohnehin teuer war, ein sehr schöner Mann, der ebenso durch sein Aussehen wie durch den Klang seines Namens meine Sinne gefangennahm. Ja, diese den Hauptschmuck der Wohnung ausmachenden Bilder fesselten mich immer wieder, mein Hauptstaunen aber war doch wohl der große Frontsaal, der, meist geschlossen, nur bei Festvorbereitungen geöffnet wurde, bei welcher Gelegenheit ich dann einen flüchtigen Einblick tun konnte. Zu beiden Seiten standen zahllose Stühle dicht nebeneinander gerückt, ein mächtiger Glaskronleuchter hing von der Decke herab, und dem Eingange gegenüber, ganz wie bei uns, erhob sich ein bis an die Decke reichender Trumeau. Das Ganze wie das einzelne gab mir ein Gefühl von Befriedigung, und es freut mich heute noch, daß ich schon damals die schönheitliche Überlegenheit dieser aus der Empirezeit stammenden und wahrscheinlich aus England bezogenen Möbel ganz deutlich empfand. All die Kapitel 5 geschilderten »Prachtstücke«, die wir in unserm eigenen Hause besaßen, wirkten trotz einer gewissen Ähnlichkeit oder vielleicht auch um derselben willen höchst spießbürgerlich daneben.

      Von Spießbürgerlichkeit konnte nun hier überhaupt an keiner Stelle die Rede sein. Auf dem durch ein Gitter von dem eigentlichen Hofe abgetrennten Hühnerhofe ragten Volieren und Taubenhäuser in japanischen Formen auf, aber einen noch viel größeren Eindruck als diese zierlich-phantastischen Bauten im Hofe machten auf mich im Hause selbst die großen und kleinen Giebelstuben samt dem dazwischen gelegenen pittoresken Bodenflur, der den Krauseschen Kindern als Spielplatz diente. Zur Sommerzeit hatte dieser Spielplatz keine Bedeutung, winters aber und besonders in der Woche zwischen Heiligabend und Neujahr, wenn alle Geschenke vom Weihnachtstisch fortgenommen und hier hinaufgeschafft wurden, war СКАЧАТЬ