Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ streck­te Quan­gel die Hand hin.

      »Nun, Sie wer­den se­hen, ich wer­de we­der trö­deln noch quä­len. Macht ihr kei­ne Schwie­rig­kei­ten, ma­che ich auch kei­ne. Ich sage im­mer zu mei­nen Jun­gens: ›Jun­gens‹, sage ich, ›wenn ei­ner sich un­ver­nünf­tig an­stellt und schmeißt sich hin und brüllt und schreit, so seid ihr auch un­ver­nünf­tig. Packt ihn an, wo ihr ihn zu fas­sen kriegt, und wenn ihr ihm die Ho­den raus­reißt!‹ Aber bei ver­nünf­ti­gen Leu­ten, wie du ei­ner bist, im­mer fein sach­te!«

      Wäh­rend er so im­mer wei­ter­re­de­te, war eine Haar­schnei­de­ma­schi­ne über Quan­gels Kopf hin und her ge­wan­dert, sein sämt­li­ches Kopf­haar lag auf dem Zel­len­bo­den. Der an­de­re Hen­kers­ge­hil­fe hat­te Sei­fe zu Schaum ge­schla­gen und ra­sier­te Quan­gels Bart. »So«, sag­te der Scharf­rich­ter be­frie­digt. »Sie­ben Mi­nu­ten! Wir ha­ben wie­der auf­ge­holt. Noch ein paar sol­che Ver­nünf­ti­ge, und wir sind pünkt­lich wie die Ei­sen­bahn.« Und bit­tend zu Quan­gel: »Sei so nett und feg dein Zeug sel­ber zu­sam­men. Du bist nicht dazu ver­pflich­tet, ver­stehst du, aber wir sind knapp mit der Zeit. Der Di­rek­tor und der An­klä­ger kön­nen je­den Au­gen­blick kom­men. Schmeiß die Haa­re nicht in den Kü­bel, ich leg dir hier ’ne Zei­tung hin: wick­le sie ein und lege sie ne­ben die Tür. Es ist ein klei­ner Ne­ben­ver­dienst, du ver­stehst?«

      »Was machst du denn mit mei­nen Haa­ren?«, frag­te Quan­gel neu­gie­rig.

      »Ver­kauf ich an einen Perücken­ma­cher. Perücken wer­den im­mer ge­braucht. Nicht nur für die Schau­spie­ler, auch so. Na, dann dank ich auch schön. Heil Hit­ler!«

      Auch die wa­ren ge­gan­gen, mun­te­re Bur­schen, konn­te man wohl sa­gen, sie ver­stan­den ihr Hand­werk, man konn­te nicht mit mehr See­len­ru­he Schwei­ne schlach­ten. Und doch ent­schied Quan­gel, dass die­se ro­hen, herz­lo­sen Bur­schen bes­ser zu er­tra­gen sei­en als der Pas­tor vor­hin. Dem Scharf­rich­ter hat­te er doch so­gar ohne Wei­te­res die Hand ge­ge­ben.

      Quan­gel hat­te ge­ra­de die Wün­sche des Scharf­rich­ters, die Zel­len­rei­ni­gung be­tref­fend, er­füllt, als schon wie­der die Tür ge­öff­net wur­de. Es tra­ten ein, be­glei­tet von ei­ni­gen Uni­for­mier­ten, ein di­cker Herr mit ro­tem Schnurr­bart und ei­nem fet­ten, blei­chen Ge­sicht – der Ge­fäng­nis­di­rek­tor, wie sich gleich her­aus­stell­te, und ein al­ter Be­kann­ter Quan­gels: der An­klä­ger aus der Haupt­ver­hand­lung, der wie ein Pin­scher kläff­te.

      Zwei Uni­for­mier­te pack­ten Quan­gel und ris­sen ihn roh ge­gen die Zel­len­wand zu­rück, wo sie ihn zwan­gen, Hal­tung ein­zu­neh­men. Dann stell­ten sie sich ne­ben ihn.

      »Otto Quan­gel«, schrie der eine.

      »Ach so!«, kläff­te der Pin­scher los. »An das Ge­sicht er­in­ne­re ich mich doch!« Er wand­te sich an den Di­rek­tor. »Dem habe ich sel­ber sein To­des­ur­teil ver­schafft!«, sag­te er stolz. »Ein ganz un­ver­schäm­ter Bur­sche das. Er dach­te, er könn­te dem Ge­richt und mir frech kom­men. Aber wir ha­ben’s dir ge­ge­ben, Bur­sche!«, kläff­te er, zu Quan­gel ge­wen­det, wei­ter. »Was, wir ha­ben’s dir ge­ge­ben! Wie ist dir nun? Nicht mehr ganz so frech, wie?«

      Ei­ner der Män­ner ne­ben ihm puff­te Quan­gel in die Sei­te. »Ant­wor­ten!«, flüs­ter­te er be­feh­lend.

      »Ach, leckt mich doch alle!«, sag­te Quan­gel ge­lang­weilt.

      »Wie? Was?« Der An­klä­ger tanz­te vor Er­re­gung von ei­nem Bein aufs an­de­re. »Herr Di­rek­tor, ich ver­lan­ge …«

      »Ach was!«, sag­te der Di­rek­tor, »las­sen Sie die Leu­te doch zu­frie­den! Sie se­hen doch, das ist ein ganz ru­hi­ger Mann! Nicht wahr, das sind Sie doch?«

      »Na­tür­lich!«, ant­wor­te­te Quan­gel. »Er soll mich nur zu­frie­den las­sen. Ich las­se ihn schon in Ruhe.«

      »Ich pro­tes­tie­re! Ich ver­lan­ge …!«, schrie der Pin­scher.

      »Was denn?«, sag­te der Di­rek­tor, »was kön­nen Sie denn jetzt noch ver­lan­gen? Mehr als hin­rich­ten kön­nen wir den Mann doch nicht, und das weiß der sehr gut. Also, ma­chen Sie los, le­sen Sie ihm schon das Ur­teil vor!«

      End­lich be­ru­hig­te sich der Pin­scher, ent­fal­te­te ein Ak­ten­stück und be­gann vor­zu­le­sen. Er las has­tig und un­deut­lich, über­sprang Sät­ze, ver­wirr­te sich und schloss ganz plötz­lich: »Also, Sie wis­sen Be­scheid!«

      Quan­gel ant­wor­te­te nicht.

      »Füh­ren Sie den Mann nach un­ten!«, sag­te der rot­bär­ti­ge Di­rek­tor, und die bei­den Wa­chen pack­ten Quan­gel fest bei den Ar­men.

      Er mach­te sich un­wil­lig los.

      Sie pack­ten ihn noch fes­ter an.

      »Las­sen Sie den Mann al­lein ge­hen!«, be­fahl der Di­rek­tor. »Der wird schon kei­ne Schwie­rig­kei­ten ma­chen.«

      Sie tra­ten auf den Gang hin­aus. Dort stan­den eine Men­ge Leu­te, Uni­for­mier­te und Zi­vi­lis­ten. Plötz­lich hat­te sich ein Zug ge­bil­det, des­sen Mit­tel­punkt Otto Quan­gel war. An der Spit­ze gin­gen Wacht­meis­ter. Dann folg­te der Pas­tor, der jetzt einen Talar mit weißem Kra­gen trug und ir­gen­det­was Un­ver­ständ­li­ches vor sich hin be­te­te. Hin­ter ihm ging Quan­gel, in eine gan­ze Trau­be von Auf­se­hern gehüllt, aber der klei­ne Arzt im hel­len An­zug hielt sich dicht bei ihm. Da­hin­ter folg­ten der Di­rek­tor und der An­klä­ger, de­nen wie­der Zi­vi­lis­ten und Uni­for­mier­te nach­gin­gen, die Zi­vi­lis­ten zum Teil mit Fo­to­ap­pa­ra­ten be­waff­net.

      So be­weg­te sich der Zug über Kor­ri­do­re, die schlecht be­leuch­tet wa­ren, über ei­ser­ne Trep­pen, de­ren Lin­ole­um­be­lag schlüpf­rig war, durch das To­ten­haus. Und wo er vor­bei­kam, schi­en ein Stöh­nen in den Zel­len laut zu wer­den, ein ver­hal­te­nes Äch­zen aus tiefs­ter Brust. Plötz­lich rief eine Stim­me aus ei­ner Zel­le sehr laut: »Lebe wohl, Ge­nos­se!«

      Und ganz me­cha­nisch ant­wor­te­te Otto Quan­gel laut: »Lebe wohl, Ge­nos­se!« Erst einen Au­gen­blick spä­ter fiel ihm ein, wie wi­der­sin­nig die­ses »Le­be­wohl« an einen Ster­ben­den ge­we­sen war.

      Jetzt wur­de eine Tür auf­ge­schlos­sen, und sie tra­ten auf den Hof hin­aus. Noch hing das nächt­li­che Dun­kel zwi­schen den Mau­ern. Quan­gel sah rasch rechts und links, sei­ner über­wa­chen Auf­merk­sam­keit ent­ging nichts. Er sah an den Fens­tern des Zel­len­ge­fäng­nis­ses das Rund vie­ler blei­cher Ge­sich­ter, die Ka­me­ra­den, die, gleich ihm zum Tode ver­ur­teilt, noch leb­ten. Ein Schä­fer­hund fuhr laut bel­lend dem Zuge ent­ge­gen, wur­de von dem Pos­ten zu­rück­ge­pfif­fen und zog sich knur­rend zu­rück. Der Kies knirsch­te un­ter den vie­len Fü­ßen, es sah aus, als müs­se er bei Ta­ges­licht leicht gelb­lich aus­se­hen, jetzt, im Schein der elek­tri­schen Lam­pen, wirk­te er weiß­lich­grau. Über die Mau­er sah schat­ten­haft der Um­riss ei­nes ent­blät­ter­ten СКАЧАТЬ