Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ Fromm. Da steht das Männ­lein, sieht ihr ent­ge­gen mit sei­nen blau­en Au­gen, die von ei­nem Fält­chen­kranz um­ge­ben sind, und sagt: »Ich woll­te doch mal nach Ih­nen se­hen, Frau Quan­gel.«

      Der Auf­sichts­be­am­te hat sich ans Git­ter ge­stellt, er be­trach­tet nach­denk­lich die bei­den. Dann wen­det er sich ge­lang­weilt ab und geht ans Fens­ter.

      »Schnell!«, flüs­tert der Rat und hält ihr durchs Git­ter et­was hin.

      In­stink­tiv fasst sie zu.

      »Ste­cken Sie es weg!«, flüs­tert er.

      Und sie ver­birgt das wei­ße Röll­chen.

      Ein Brief von Otto, denkt sie, und ihr Herz klopft wie­der frei­er. Die Ent­täu­schung ist über­wun­den.

      Der Be­am­te hat sich wie­der um­ge­dreht und sieht vom Fens­ter her auf die bei­den.

      End­lich fin­det Anna ein paar Wor­te. Sie be­grüßt den Kam­mer­ge­richts­rat nicht, sie sagt kei­nen Dank, sie stellt die ein­zi­ge Fra­ge, die sie noch auf der Welt in­ter­es­siert: »Ha­ben Sie Otto ge­se­hen, Herr Kam­mer­ge­richts­rat?«

      Der alte Herr wiegt den klu­gen Kopf hin und her. »Nicht in der letz­ten Zeit«, ant­wor­tet er. »Aber ich habe durch Freun­de ge­hört, dass es ihm gut geht, sehr gut. Er hält sich wun­der­bar.«

      Er be­denkt sich und setzt nach ei­nem kur­z­en Zö­gern hin­zu: »Ich glau­be, ich darf Sie von ihm grü­ßen.«

      »Dan­ke«, flüs­tert sie. »Dan­ke sehr.«

      Vie­le ver­schie­de­ne Emp­fin­dun­gen sind bei sei­nen Wor­ten durch sie ge­lau­fen. Wenn er ihn nicht ge­se­hen hat, kann er auch kei­nen Brief von ihm ha­ben. Aber nein, er spricht von Freun­den; viel­leicht be­kam er durch die Freun­de einen Brief? Und die Wor­te »Er hält sich wun­der­bar« ge­ben ihr Glück und Stolz … Und die­ser Gruß von ihm, die­ser Gruß zwi­schen den Ei­sen- und Stein­zel­len, die­ser Früh­ling zwi­schen Mau­ern! O herr­lich, herr­lich, ein herr­li­ches Le­ben!

      »Sie se­hen aber nicht gut aus, Frau Quan­gel«, sagt der alte Rat.

      »Ja?«, fragt sie, ein we­nig ver­wun­dert, geis­tes­ab­we­send. »Aber mir geht es gut. Sehr gut. Sa­gen Sie das Otto. Bit­te, sa­gen Sie es ihm! Ver­ges­sen Sie nicht, ihn von mir zu grü­ßen. Sie wer­den ihn doch se­hen?«

      »Ich den­ke, ja«, ant­wor­tet er zö­gernd. Er ist so pe­ni­bel, der klei­ne, or­dent­li­che Herr. Die kleins­te Un­wahr­heit die­ser Ster­ben­den ge­gen­über wi­der­strebt ihm. Sie ahnt es ja nicht, wel­che Lis­ten er hat auf­wen­den, wel­cher Int­ri­gen er hat an­zet­teln müs­sen, um die­se Be­suchs­er­laub­nis zu er­hal­ten! Dass er sei­ne sämt­li­chen Be­zie­hun­gen hat ein­span­nen müs­sen! Für die Welt ist Anna Quan­gel ja tot – kann man denn Tote be­su­chen?

      Aber er wagt ihr nicht zu sa­gen, dass er Otto Quan­gel in die­sem Le­ben nie wie­der­se­hen wird, dass er nichts von ihm ge­hört hat, dass er eben ge­lo­gen hat mit sei­nem Gruß, um die­ser völ­lig ver­fal­le­nen Frau doch ein we­nig Mut zu ge­ben. Manch­mal muss man eben auch Ster­ben­de be­lü­gen.

      »Ach!«, sagt sie plötz­lich ganz leb­haft, und – sie­he! – ihre blas­sen, ein­ge­fal­le­nen Wan­gen rö­ten sich. »Sa­gen Sie Otto doch, wenn Sie ihn se­hen, dass ich alle Tage, dass ich jede Stun­de an ihn den­ke und dass ich be­stimmt weiß, ich wer­de ihn noch se­hen, ehe ich st­er­be …«

      Der Auf­se­her sieht einen Au­gen­blick ver­wirrt auf die al­tern­de Frau, die hier spricht wie ein jun­ges, ver­lieb­tes Mäd­chen. Al­tes Stroh brennt am hells­ten!, denkt er und geht wie­der ans Fens­ter.

      Sie hat nichts da­von ge­merkt, sie fährt fie­ber­haft fort: »Und sa­gen Sie Otto doch auch, dass ich eine schö­ne Zel­le habe für mich ganz al­lein. Es geht mir gut. Ich den­ke im­mer an ihn, und so bin ich glück­lich. Ich weiß, dass uns nie et­was tren­nen kann, nicht Mau­ern, nicht Git­ter. Ich bin bei ihm, jede Stun­de bei Tag und bei Nacht. Sa­gen Sie ihm das!«

      Sie lügt, oh, wie sie lügt, um ih­rem Otto nur et­was Gu­tes zu sa­gen! Sie will ihm Ruhe ge­ben, die Ruhe, die sie nicht eine Stun­de ge­habt hat, seit sie in die­sem Hau­se ist.

      Der Kam­mer­ge­richts­rat schielt zu dem Auf­se­her hin­über, der aus dem Fens­ter starrt, er flüs­tert: »Ver­lie­ren Sie nicht, was ich Ih­nen ge­ge­ben habe!«, denn Frau Quan­gel sieht aus, als habe sie die gan­ze Welt ver­ges­sen.

      »Nein, ich ver­lie­re nichts, Herr Rat.« Und plötz­lich lei­se: »Was ist es?«

      Und er noch lei­ser: »Gift, Ihr Mann hat es auch.«

      Sie nickt.

      Der Be­am­te am Fens­ter dreht sich um. Er sagt mah­nend: »Hier darf nur laut ge­spro­chen wer­den, sonst ist gleich Schluss. Üb­ri­gens«, er be­fragt sei­ne Uhr, »ist die Be­suchs­zeit so­wie­so in an­dert­halb Mi­nu­ten um.«

      »Ja«, sagt sie nach­denk­lich. »Ja«, und plötz­lich weiß sie, wie sie es sa­gen soll. Sie fragt: »Und glau­ben Sie, dass Otto bald ver­rei­sen wird – vor sei­ner großen Rei­se noch? Glau­ben Sie das?«

      Ihr Ge­sicht drückt jetzt so sehr schmerz­li­che Un­ru­he aus, dass selbst der stump­fe Be­am­te merkt, es geht hier um ganz an­de­re Din­ge, als ge­spro­chen wird. Ei­nen Au­gen­blick will er ein­schrei­ten, aber dann sieht er die­se al­tern­de Frau an und die­sen Herrn mit dem wei­ßen Spitz­bart, der laut Be­suchs­schein Kam­mer­ge­richts­rat ist – der Be­am­te hat eine groß­mü­ti­ge An­wand­lung und sieht wie­der aus dem Fens­ter.

      »Ja, das ist schwer zu sa­gen«, ant­wor­tet der Rat vor­sich­tig. »Mit dem Rei­sen ist es ja jetzt auch schwie­rig.« Und ganz rasch, flüs­ternd: »War­ten Sie bis zur al­ler­letz­ten Mi­nu­te, viel­leicht se­hen Sie ihn noch vor­her. Ja?«

      Sie nickt, sie nickt wie­der.

      »Ja«, ant­wor­tet sie laut. »So ist es wohl das Al­ler­bes­te.«

      Und dann ste­hen sich die bei­den stumm ge­gen­über, plötz­lich füh­len sie, sie ha­ben sich nichts mehr zu sa­gen. Zu Ende. Vor­bei.

      »Ja, ich glau­be, ich muss dann ge­hen«, sagt der alte Rat.

      »Ja«, flüs­tert sie zu­rück, »ich glau­be, es wird Zeit.«

      Und plötz­lich – der Auf­se­her hat sich schon um­ge­wen­det und sieht, mit der Uhr in der Hand, auf­for­dernd die bei­den an – über­kommt es Frau Quan­gel. Sie presst den Kör­per ge­gen das Git­ter, sie flüs­tert, den Kopf an den Git­ter­stä­ben: »Bit­te, bit­te – Sie sind viel­leicht der letz­te an­stän­di­ge Mensch auf der Welt, den ich zu se­hen be­kom­me. Bit­te, Herr Rat, ge­ben Sie mir einen Kuss! Ich wer­de die Au­gen zu­ma­chen, ich wer­de glau­ben, es ist Otto …«

      Manns­toll!, denkt der Auf­se­her. Soll hin­ge­rich­tet СКАЧАТЬ