Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ zwi­schen den Fin­gern das Röhr­chen. Sie drückt es ge­gen die Stein­wand, sie fühlt, der dün­ne Hals bricht ab. Sie lässt das Gift in die Tie­fe des Ho­fes fal­len.

      Als sie wie­der in der Zel­le ist, riecht sie an ih­ren Fin­gern: sie rie­chen stark nach bit­te­ren Man­deln. Sie wäscht sich die Hän­de, sie legt sich auf das Bett. Sie ist tod­mü­de, ihr ist, als sei sie ei­ner schwe­ren Ge­fahr ent­ron­nen. Sie schläft rasch ein. Sie schläft sehr tief und traum­los. Sie wacht er­frischt auf.

      Von die­ser Nacht an gab 76 kei­nen An­lass mehr zu Ta­del. Sie war ru­hig, hei­ter, flei­ßig, freund­lich.

      Sie dach­te kaum noch an ih­ren schwe­ren Tod, sie dach­te nur noch dar­an, dass sie Otto Ehre ma­chen muss­te. Und manch­mal, in trü­ben Stun­den, hör­te sie wie­der die Stim­me des al­ten Kam­mer­ge­richts­rats Fromm: Nicht ban­ge sein, Kind, bloß nicht ban­ge sein.

      Sie war es nicht. Nie mehr.

      Sie hat­te es über­wun­den.

      70. Es ist so weit, Quangel

      Es ist noch Nacht, als ein Auf­se­her die Tür zu Otto Quan­gels Zel­le auf­schließt.

      Quan­gel, aus tie­fem Schlaf er­wacht, sieht blin­zelnd auf die große, schwar­ze Ge­stalt, die in sei­ne Zel­le ge­tre­ten ist. Im nächs­ten Au­gen­blick ist er hell­wach, und sein Herz klopft schnel­ler als sonst, denn er hat be­grif­fen, was die­se große, dort schwei­gend un­ter der Tür ste­hen­de Ge­stalt be­deu­tet.

      »Ist es so weit, Herr Pas­tor?«, fragt er und greift schon nach sei­nen Klei­dern.

      »Es ist so weit, Quan­gel!«, ant­wor­tet der Geist­li­che. Und fragt: »Füh­len Sie sich be­reit?«

      »Ich bin jede Stun­de be­reit«, ant­wor­tet Quan­gel, und sei­ne Zun­ge be­rührt das Röhr­chen in sei­nem Mun­de.

      Er fängt an, sich an­zu­klei­den. Alle sei­ne Grif­fe ge­sche­hen ru­hig, ohne Hast.

      Ei­nen Au­gen­blick mus­tern sich die bei­den schwei­gend. Der Pas­tor ist ein noch jun­ger, grob­kno­chi­ger Mann, mit ei­nem ein­fa­chen, viel­leicht et­was tö­rich­ten Ge­sicht.

      Nicht viel los mit dem, ent­schei­det Quan­gel. Kein Mann wie der gute Pas­tor.

      Der Pas­tor wie­der sieht vor sich einen lan­gen, ver­ar­bei­te­ten Mann. Das Ge­sicht mit dem schar­fen, vo­gel­haf­ten Pro­fil miss­fällt ihm, der mus­tern­de Blick des dun­keln, merk­wür­dig run­den Au­ges miss­fällt ihm, es miss­fällt ihm auch der schma­le, blut­lo­se Mund mit den ein­ge­knif­fe­nen Lip­pen. Aber der Geist­li­che gibt sich einen Stoß und sagt so freund­lich, wie er kann: »Ich hof­fe, Sie ha­ben Ihren Frie­den mit die­ser Welt ge­macht, Quan­gel?«

      »Hat die­se Welt Frie­den ge­macht, Herr Pas­tor?«, fragt Quan­gel da­ge­gen.

      »Lei­der noch nicht, Quan­gel, lei­der noch nicht«, ant­wor­tet der Geist­li­che, und sein Ge­sicht ver­sucht, einen Kum­mer aus­zu­drücken, der nicht emp­fun­den wird. Er über­geht die­sen Punkt und fragt wei­ter: »Aber den Frie­den mit Ihrem Herr­gott ha­ben Sie doch ge­macht, Quan­gel?«

      »Ich glau­be an kei­nen Herr­gott«, ant­wor­tet Quan­gel kurz.

      »Wie?«

      Der Pas­tor scheint fast er­schro­cken von die­ser brüs­ken Er­klä­rung. »Nun«, fährt er fort, »wenn Sie viel­leicht auch an kei­nen per­sön­li­chen Gott glau­ben, so wer­den Sie doch ein Pan­the­ist sein, nicht wahr, Quan­gel?«

      »Was ist das?«

      »Nun, das ist doch klar …« Der Pas­tor ver­sucht et­was zu er­klä­ren, was ihm selbst nicht ganz klar ist. »Eine Welt­see­le, ver­ste­hen Sie. Al­les ist Gott, Sie ver­ste­hen? Ihre See­le, Ihre un­s­terb­li­che See­le wird in die große Wel­ten­see­le heim­keh­ren, Quan­gel!«

      »Al­les ist Gott?«, fragt Quan­gel. Er ist jetzt mit An­zie­hen fer­tig ge­wor­den und steht vor der Prit­sche. »Ist Hit­ler auch Gott? Das Mor­den drau­ßen Gott? Sie Gott? Ich Gott?«

      »Sie ha­ben mich falsch ver­stan­den, ver­mut­lich ab­sicht­lich falsch ver­stan­den«, ant­wor­tet ge­reizt der Geist­li­che. »Aber ich bin nicht hier, Quan­gel, um mit Ih­nen über re­li­gi­öse Fra­gen zu dis­ku­tie­ren. Ich bin ge­kom­men, Sie auf Ihren Tod vor­zu­be­rei­ten. Sie wer­den ster­ben müs­sen, Quan­gel, in we­ni­gen Stun­den. Sind Sie be­reit?«

      Statt ei­ner Ant­wort fragt Quan­gel: »Ha­ben Sie den Pas­tor Lo­renz ge­kannt im Un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis beim Volks­ge­richts­hof?«

      Der Pas­tor, schon wie­der aus dem Kon­zept ge­bracht, ant­wor­tet är­ger­lich: »Nein, aber ich habe von ihm ge­hört. Ich darf wohl sa­gen, der Herr hat ihn zur rech­ten Zeit ab­be­ru­fen. Er hat un­serm Stan­de Schan­de ge­macht.«

      Quan­gel sah den Geist­li­chen auf­merk­sam an. Er sag­te: »Er war ein sehr gu­ter Mann. Vie­le Ge­fan­ge­ne wer­den mit Dank­bar­keit an ihn den­ken.«

      »Ja«, rief der Pas­tor in un­ver­hüll­tem Är­ger. »Weil er eu­ren Lüs­ten nach­ge­ge­ben hat! Er war ein sehr schwa­cher Mann, Quan­gel. Der Die­ner Got­tes hat ein Kämp­fer zu sein in die­sen Kriegs­zei­ten, kein flau­er Kom­pro­miss­ma­cher!« Er be­sann sich wie­der. Er sah has­tig auf die Uhr und sag­te: »Ich habe nur noch acht Mi­nu­ten für Sie, Quan­gel. Ich habe noch ei­ni­ge Ih­rer Lei­dens­ge­fähr­ten, die gleich Ih­nen heu­te den letz­ten Gang an­tre­ten, mit mei­nem geist­li­chen Trost zu ver­se­hen. Wir wol­len jetzt be­ten …«

      Der Geist­li­che, die­ser stark­kno­chi­ge, gro­be Bau­er, hat­te ein wei­ßes Tuch aus der Ta­sche ge­zo­gen und ent­fal­te­te es be­hut­sam.

      Quan­gel frag­te: »Ver­se­hen Sie auch die hin­zu­rich­ten­den Frau­en mit Ihrem geist­li­chen Trost?«

      Sein Spott war so un­durch­dring­lich, dass der Pas­tor nichts von ihm merk­te. Er brei­te­te das schnee­wei­ße Tuch auf dem Zel­len­bo­den aus und ant­wor­te­te da­bei gleich­gül­tig: »Es fin­den heu­te kei­ne Hin­rich­tun­gen von Frau­en statt.«

      »Erin­nern Sie sich viel­leicht«, frag­te Quan­gel hart­nä­ckig wei­ter, »ob Sie in der letz­ten Zeit bei ei­ner Frau Anna Quan­gel ge­we­sen sind?«

      »Frau Anna Quan­gel? Das ist Ihre Frau? Nein, be­stimmt nicht. Ich wür­de mich er­in­nern. Ich habe ein un­ge­wöhn­lich gu­tes Na­men­ge­dächt­nis …«

      »Ich habe eine Bit­te, Herr Pas­tor …«

      »Nun, sa­gen Sie schon, Quan­gel! Sie wis­sen, mei­ne Zeit ist knapp!«

      »Ich bit­te Sie, mei­ner Frau, wenn es so weit ist, nicht zu sa­gen, dass ich vor ihr hin­ge­rich­tet wor­den bin. Sa­gen Sie ihr bit­te, dass ich in СКАЧАТЬ