Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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»Bitte, Herrn Kommissar Escherich aus dem Keller zu holen und mich an seiner Stelle festzusetzen!«
Obergruppenführer Prall sah den kleinen Mann eine Weile sprachlos an. Dann sagte er, zitternd vor Wut: »Wissen Sie, dass ich Sie in ein KZ schicken werde? Sie wagen, mir einen solchen Vorschlag ins Gesicht hinein zu machen, und Sie zittern und heulen nicht vor Angst? Aus dem Zeug, wie Sie sind, sind auch die Roten, die Bolschewiken, gemacht! Sie bekennen Ihre Schuld, aber Sie scheinen noch stolz darauf!«
»Ich bin nicht stolz auf meine Schuld. Aber ich bin bereit, die Folgen zu tragen. Und ich hoffe, ich werde es ohne Zittern und Heulen tun!«
Obergruppenführer Prall lächelte verächtlich zu diesen Worten. Er hatte unter den Schlägen der SS-Männer schon viel Würde zerfallen gesehen. Aber er hatte auch den Blick in den Augen mancher Gemarterten gesehen, diesen Blick, der in aller Qual von einer kühlen, fast spöttischen Überlegenheit sprach. Und die Erinnerung an diesen Blick machte es, dass er, statt zu schreien und zu schlagen, nur sagte: »Sie halten sich in diesem Zimmer zu meiner Verfügung. Ich muss erst Bericht erstatten.«
Kriminalrat Zott neigte zustimmend den Kopf, und der Obergruppenführer Prall ging.
1 Trinker <<<
46. Kommissar Escherich wieder frei
Der Kommissar Escherich ist wieder im Amt. Der Totgeglaubte ist aus den Kellern der Gestapo wieder zum Leben auferstanden. Ein wenig beschädigt und zerknittert, sitzt er doch wieder an seinem Schreibtisch, und seine Kollegen beeilen sich, ihn ihrer Sympathie zu versichern. Sie hätten immer an ihn geglaubt. Sie hätten alles gerne für ihn getan, was in ihrer Macht stand. »Nur, weißt du, wenn erst die höhere Führung jemanden in Verschiss tut, kann unsereiner nichts mehr machen. Da verbrennt man sich nur die Pfoten. Nun, das weißt du ja alles selbst, das verstehst du ja, Escherich.«
Escherich versichert, dass er alles versteht. Er verzieht den Mund zu einem Lächeln, das ein wenig unglücklich aussieht, vermutlich weil Escherich noch nicht gelernt hat, mit einigen Zahnlücken im Munde zu lächeln.
Nur zwei Reden haben auf ihn bei seinem Diensteintritt Eindruck gemacht. Die eine kam vom Kriminalrat Zott.
»Kollege Escherich«, hatte der gesagt. »Ich werde nicht statt Ihrer in den Bunker gesandt, obwohl ich es zehnmal mehr als Sie verdient hätte. Nicht nur wegen der Fehler, die ich gemacht habe, sondern weil ich mich wie ein Schwein Ihnen gegenüber benommen habe. Meine einzige Entschuldigung ist: ich glaubte, Sie hätten schlecht gearbeitet …«
»Nun reden Sie nicht mehr davon«, hatte Escherich mit seinem zahnlückigen Lächeln gesagt. »Im Fall Klabautermann haben bisher alle schlecht gearbeitet, Sie, ich, alle. Es ist komisch, ich bin wirklich gespannt darauf, diesen Mann kennenzulernen, der so viel Unglück mit seinen Karten über seine Mitmenschen gebracht hat. Es muss ein seltsamer Vogel sein …«
Er sah den Kriminalrat gedankenvoll an.
Der gab ihm seine kleine aktengelbe Hand. »Denken Sie nicht zu böse von mir, Kollege Escherich«, sagte er leise. »Und noch eins: ich habe da so eine neue Theorie aufgestellt, dass der Täter irgendetwas mit der Straßenbahn zu tun hat. Sie werden es bei den Akten finden. Bitte verlieren Sie diese Theorie bei Ihren Ermittlungen nicht ganz aus dem Auge. Ich wäre sehr glücklich, wenn wenigstens dieser Punkt meiner Erwägungen sich als wahr erwiese! Ich bitte Sie darum!«
Und damit entschwand der Kriminalrat Zott auf sein abgelegenes, stilles Zimmer, nur noch seinen Theorien hingegeben.
Die zweite denkwürdige Ansprache hielt natürlich der Obergruppenführer Prall. »Escherich«, sagte er mit erhobener Stimme, »Kommissar Escherich! Sie fühlen sich doch ganz wohl?«
»Völlig wohl!«, antwortete der Kommissar. Er stand hinter seinem Schreibtisch, unwillkürlich lagen die Hände mit eng angepressten Daumen an der Hose, wie er es unten in der Zelle gelernt hatte. Sosehr er dagegen ankämpfte, der Kommissar zitterte. Sein Auge war aufmerksam auf den Vorgesetzten gerichtet. Diesem Manne gegenüber erfasste ihn nichts wie Angst, besinnungslose Angst, jeden Augenblick konnte der ihn wieder in den Keller schicken.
»Wenn Sie sich also völlig wohl fühlen, Escherich«, fuhr Prall fort, der sehr wohl die Wirkung seiner Worte spürte, »so können Sie doch auch arbeiten. Oder nicht?«
»Ich kann arbeiten, Herr Obergruppenführer!«
»Wenn Sie arbeiten können, Escherich, so können Sie doch auch den Klabautermann fangen! Das können Sie doch?«
»Das kann ich, Herr Obergruppenführer!«
»In kürzester Zeit, Escherich!«
»In kürzester Zeit, Herr Obergruppenführer!«
»Sehen Sie, Escherich«, sagte der Obergruppenführer Prall gnädig und weidete sich an der Angst seines Untergebenen. »Wie gut so ’n kleiner Ferienaufenthalt im Bunker tut! So liebe ich meine Leute! Sie fühlen sich mir nicht mehr sehr überlegen, Herr Escherich?«
»Nein, Herr Obergruppenführer, gewiss nicht. Zu Befehl, Herr Obergruppenführer!«
»Sie denken nicht mehr, dass Sie der allerschlaueste Hund in der ganzen Gestapo sind und dass alle anderen bloß aus Hundedreck gemacht sind – das denken Sie doch nicht mehr, Escherich?«
»Zu Befehl, nein, Herr Obergruppenführer, das denke ich nicht mehr.«
»Sehen Sie, Escherich«, fuhr der Obergruppenführer fort und gab dem angstvoll zurückfahrenden Escherich einen kräftigen, scherzhaften Nasenstüber, »und wenn Sie sich nun mal wieder sehr schlau fühlen oder wenn Sie Eigenmächtigkeiten begehen oder wenn Sie denken, der Obergruppenführer Prall ist bloß ein doofes Aas, dann sagen Sie mir das rechtzeitig. Dann schicke ich Sie gleich, ehe es noch zu schlimm wird, zu einer kleinen Kur in den Keller. Na, na?«
Der Kommissar Escherich sah seinen Vorgesetzten nur starr an. Jetzt konnte es ein Blinder hören, СКАЧАТЬ