Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ die Ar­beit ziem­lich hei­ßer Früh­som­mer­tag, der Him­mel ist strah­lend blau, und es ist, be­son­ders hier in der ge­schütz­ten Ecke nahe am Wal­de, fast wind­still. Wäh­rend des Ha­ckens hat Frau Eva ein Klei­dungs­stück nach dem an­de­ren ab­ge­legt; nun trägt sie nur noch Blu­se und Rock. Ihre kräf­ti­gen, nack­ten Bei­ne wie ihr Ge­sicht, wie ihre Arme sind gol­dig­braun.

      Ihre Ha­cke trifft Mel­de, He­de­rich, Dis­teln, Que­cken – sie kommt nur lang­sam vor­wärts, der Acker ist sehr ver­un­krau­tet. Oft trifft ihre Ha­cke auch einen Stein, dann klingt es sil­bern sin­gend – das hört sich gut an. Nun ge­rät Frau Eva nahe dem Wald­rand in ein Nest des ro­ten Wei­de­rich – die­se Sen­ke ist feucht, die Kar­tof­feln küm­mern, aber der rote Wei­de­rich tri­um­phiert. Ei­gent­lich hat sie jetzt früh­stücken wol­len, und nach dem Stand der Son­ne zu ur­tei­len, wäre es auch Zeit da­für, aber nun will sie doch lie­ber erst die­se Wei­de­rich­pest ver­nich­ten, ehe sie pau­siert. Sie hackt an­ge­strengt, ihre Lip­pen sind fest ge­schlos­sen. Sie hat es hier auf dem Lan­de ge­lernt, das Un­kraut zu ver­ach­ten, die­ses Un­ge­zie­fer, er­bar­mungs­los hackt sie dar­auf los.

      Aber wenn Frau Evas Mund auch fest ge­schlos­sen ist, ihr Auge blickt klar und ru­hig. Der Blick hat nicht mehr den stren­gen, stets ver­sorg­ten Aus­druck wie vor zwei Jah­ren in ih­rer Ber­li­ner Zeit. Sie ist ru­hig ge­wor­den, sie hat über­wun­den. Sie weiß, dass der klei­ne Enno tot ist, Frau Gesch hat es ihr aus Ber­lin ge­schrie­ben. Sie weiß, dass sie bei­de Söh­ne ver­lo­ren hat – Max ist in Russ­land ge­fal­len, und Kar­le­mann ist ihr ver­lo­ren. Sie ist noch nicht ganz fünf­und­vier­zig Jah­re alt, sie hat noch ein gu­tes Stück Le­ben vor sich, sie ver­zwei­felt nicht, sie ar­bei­tet. Sie will die ihr noch ver­blei­ben­den Jah­re nicht ein­fach ver­war­ten, sie will et­was schaf­fen.

      Sie hat auch et­was, auf das sie sich alle Tage freu­en kann: das ist das all­täg­li­che abend­li­che Zu­sam­men­sein mit dem Aus­hilfs­schul­meis­ter des Dor­fes. Der »rich­ti­ge« Leh­rer Schwoch, ein wü­ten­des Par­tei­mit­glied, ein klei­ner, fei­ger Kläf­fer und De­nun­zi­ant, der hun­dert Mal mit Trä­nen in den Au­gen ver­si­chert hat, wie leid es ihm tue, dass er nicht an die Front dür­fe, son­dern nach dem Be­fehl des Füh­rers auf sei­nem länd­li­chen Pos­ten aus­har­ren müs­se – der »rich­ti­ge« Leh­rer Schwoch also ist nun doch trotz al­ler ärzt­li­chen At­tes­te zur Wehr­macht ein­ge­zo­gen wor­den. Das ist nun fast ein hal­b­es Jahr her. Aber der Weg zur Front muss für die­sen Kampf­be­geis­ter­ten schwie­rig sein: vor­läu­fig sitzt der Leh­rer Schwoch noch im­mer als Schrei­ber auf ei­ner Zahl­meis­ter­stu­be. Öf­ter fährt Frau Schwoch mit Speck und Schin­ken zu ih­rem Mann, aber der Mann isst wohl nicht al­lei­ne die­se köst­li­chen Fet­tig­kei­ten: Es habe ge­klappt, jetzt wür­de ihr gu­ter Wal­ter Un­ter­of­fi­zier, hat Frau Schwoch nach ih­rer letz­ten Speck­rei­se ver­kün­det. Un­ter­of­fi­zier – wo doch nach ei­nem Be­fehl des Füh­rers Be­för­de­run­gen nur bei der kämp­fen­den Trup­pe er­fol­gen durf­ten. Aber für glü­hen­de Par­t­ei­ge­nos­sen mit Schin­ken und Speck gel­ten sol­che Führ­er­be­feh­le na­tür­lich nicht.

      Nun, Frau Eva Klu­ge ist das gleich­gül­tig. Sie weiß jetzt ge­nau, wie das al­les ist, seit sie aus der Par­tei aus­ge­tre­ten ist. Ja­wohl, sie war in Ber­lin; als sie wie­der die nö­ti­ge in­ne­re Ruhe ge­won­nen hat­te, fuhr sie nach Ber­lin und stell­te sich dem Par­t­ei­ge­richt und dem Post­amt. Es wa­ren kei­ne an­ge­neh­men Tage ge­we­sen, bei Wei­tem nicht, sie war an­ge­brüllt, be­droht und wäh­rend ih­rer fünf­tä­gi­gen Haft auch ein­mal ver­prü­gelt wor­den, das KZ war ihr nahe ge­we­sen – aber schließ­lich hat­te man sie lau­fen­las­sen. Staats­fein­din – nun, sie wür­de es ja ei­nes Ta­ges noch er­le­ben, was sie da­von hat­te.

      Eva Klu­ge hat­te ih­ren Haus­stand auf­ge­löst. Vie­les hat­te sie ver­kau­fen müs­sen, denn im Dorf hat­te man ihr nur eine Stu­be be­wil­ligt, aber sie wohn­te jetzt für sich al­lein. Sie ar­bei­te­te auch nicht mehr bloß für den Schwa­ger, der ihr am liebs­ten nur die Kost und nie Geld ge­ge­ben hät­te, sie sprang über­all bei den Bau­ern ein. Sie mach­te nicht nur Feld- und Ho­f­ar­beit, son­dern be­tä­tig­te sich auch als Kran­ken­pfle­ge­rin, als Nä­he­rin, als Gärt­ne­rin, als Schaf­sche­re­rin. Sie hat­te ge­schick­te Hän­de, ei­gent­lich war es nie so, als wenn sie et­was Neu­es lern­te, son­dern als er­in­ne­re sie sich nur ei­ner lan­ge nicht aus­ge­üb­ten Ar­beit. Die steck­te ihr im Blut, die Land­ar­beit.

      Aber die­ses gan­ze klei­ne, nun fried­vol­le Le­ben, das sie sich da in all dem Zu­sam­men­bruch auf­ge­rich­tet hat­te, be­kam erst sein rech­tes Licht und sei­ne Freu­de durch den stell­ver­tre­ten­den Leh­rer Kien­schä­per. Kien­schä­per war ein lan­ger, im­mer et­was vorn­über­ge­beugt ge­hen­der Mann aus­gangs der Fünf­zi­ger, mit wei­ßen, flat­tern­den Haa­ren und ei­nem sehr brau­nen Ge­sicht, in dem jun­ge blaue Au­gen lä­chel­ten. So wie Kien­schä­per die Kin­der des klei­nen Dor­fes mit die­sen lä­cheln­den blau­en Au­gen bän­dig­te und sie aus der za­cki­gen Er­zie­hung sei­nes Vor­gän­gers in et­was mensch­li­che­re Ge­fil­de führ­te, so wie er, mit ei­ner Baum­sche­re be­waff­net, durch die Bau­ern­gär­ten ging und die wild­wach­sen­den Obst­bäu­me von Was­ser­schos­sen und to­tem Holz be­frei­te, Krebs­wun­den aus­schnitt und mit Kar­bo­li­ne­um ver­strich – so hat­te er auch die Wun­den Evas ge­heilt, Bit­ter­keit auf­ge­löst, ihr Frie­den ge­bracht.

      Nicht gra­de, dass er viel dar­über ge­spro­chen hät­te, Kien­schä­per war kein großer Red­ner. Aber wenn er mit ihr auf sei­nem Bie­nen­stand war und von dem Le­ben der Bie­nen er­zähl­te, die er lei­den­schaft­lich lieb­te, wenn er mit ihr abends durch die Fel­der ging und ihr zeig­te, wie lie­der­lich die­ser Acker be­stellt war und mit wie we­nig Ar­beit er wie­der er­trag­rei­cher zu ma­chen wäre, wenn Kien­schä­per ei­ner Kuh beim Kal­ben half, einen um­ge­fal­le­nen Zaun, ohne ge­be­ten zu sein, wie­der auf­rich­te­te, wenn er an der Or­gel saß und sach­te nur für sie und sich spiel­te, wenn al­les hin­ter sei­nen Schrit­ten ge­ord­net und fried­lich er­schi­en – so tat das für Evas Be­frie­dung mehr als alle trös­ten­den Wor­te. Ein sich nei­gen­des Le­ben in ei­ner Zeit vol­ler Hass, Trä­nen und Blut, aber frie­de­voll, Frie­den at­mend.

      Die Leh­rers­frau Schwoch, die noch na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher war als ihr kriegs­be­geis­ter­ter Mann, hass­te na­tür­lich so­fort die­sen Kien­schä­per und tat ihm al­les zum Tort, was ih­rem ge­häs­si­gen Hirn nur ein­fiel. Sie hat­te den Stell­ver­tre­ter ih­res Man­nes zu be­hau­sen und zu be­kö­s­ti­gen, aber sie tat es mit solch ge­nau­er Be­rech­nung, dass Kien­schä­per vor dem Schul­an­fang nie ein Früh­stück be­kam, dass sein Es­sen stets an­ge­brannt war, sei­ne Stu­be aber nie ge­säu­bert.

      Doch ge­gen sei­ne hei­te­re Ge­las­sen­heit war sie macht­los. Sie konn­te sich er­hit­zen, stür­men, gei­fern, Übles von ihm re­den, an der Tür des Klas­sen­zim­mers lau­schen und dann beim Schul­rat De­nun­zia­tio­nen vor­brin­gen – un­ver­än­dert sprach er mit ihr wie mit ei­nem un­ge­zo­ge­nen Kind, das sei­ne Un­ar­ten ei­nes Ta­ges schon von selbst ein­se­hen wird. Und schließ­lich gab sich Kien­schä­per bei Frau Eva Klu­ge in Kost, zog ins Dorf, und die fet­te, zor­ni­ge Schwoch konn­te ih­ren Krieg nur noch aus der Fer­ne ge­gen ihn füh­ren.

      Wann Frau Eva Klu­ge und СКАЧАТЬ