Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ krie­gen!«

      »Ste­cke dir we­nigs­tens Brot ein!«

      »Ja, ja, Anna, sor­ge dich um nichts. Es ist schlimm, dass ich dich hier so lan­ge al­lein lie­gen­las­sen muss.«

      »Um eins hät­test du doch ge­hen müs­sen.«

      »Ich wer­de mei­ne ei­ge­ne Schicht gleich hin­ter­her ab­rei­ßen.«

      »Der Mann war­tet?«

      »Ja, ich fah­re gleich mit ihm zu­rück.«

      »Also komm schnell wie­der, Otto. Nimm heut mal die Elek­tri­sche!«

      »Ver­steht sich, Anna. Gute Bes­se­rung!«

      Er war schon im Ge­hen, da rief sie: »Ach, bit­te, Otto, gib mir doch noch einen Kuss!«

      Er kam zu­rück, ein we­nig ver­wun­dert, ein we­nig ver­le­gen we­gen die­ses bei ih­nen so un­ge­wohn­ten Zärt­lich­keits­be­dürf­nis­ses. Er drück­te sei­ne Lip­pen auf ih­ren Mund.

      Sie zog sei­nen Kopf fest an sich und küss­te ihn herz­haft.

      »Ich bin dumm, Otto«, sag­te sie. »Ich habe noch im­mer Angst. Das macht wohl das Fie­ber. Aber jetzt geh!«

      So trenn­ten sie sich. Als freie Men­schen soll­ten sie sich nie wie­der­se­hen. An die Post­kar­ten in sei­ner Ta­sche hat­ten sie bei­de im ei­li­gen Auf­bruch nicht mehr ge­dacht.

      Aber dem al­ten Werk­meis­ter fal­len die Kar­ten so­fort wie­der ein, als er mit sei­nem Beglei­ter in der Elek­tri­schen sitzt. Er fasst in die Ta­sche – da sind sie! Er ist un­zu­frie­den mit sich, dar­an hät­te er den­ken müs­sen! Lie­ber hät­te er die Din­ger zu Haus ge­las­sen, lie­ber wäre er noch jetzt aus der Bahn ge­stie­gen, um sie in ir­gend­ei­nem Hau­se ab­zu­le­gen. Aber er fin­det kei­nen Vor­wand, den er sei­nem Beglei­ter plau­si­bel ma­chen kann. So muss er die Kar­ten in den Be­trieb mit­neh­men, et­was, das er noch nie ge­tan hat, das er nie hät­te tun dür­fen – aber jetzt ist es zu spät.

      Er steht auf dem Klo­sett. Er hat die Kar­ten schon in den Hän­den, er will sie zer­rei­ßen, fort­spü­len – und sein Blick fällt auf das mit so vie­ler Mühe, in so vie­len Stun­den Ge­schrie­be­ne: es scheint ihm stark, wir­kungs­voll. Es wäre scha­de dar­um, eine sol­che Waf­fe zu ver­nich­ten. Sei­ne Spar­sam­keit, sein »schmut­zi­ger Geiz« hin­dern ihn an der Ver­nich­tung, aber auch sein Re­spekt vor der Ar­beit; al­les, was Ar­beit ge­schaf­fen hat, ist hei­lig. Es ist eine Sün­de, Ar­beit nutz­los zu zer­stö­ren.

      Aber in der Ja­cke, die er auch in der Werk­statt trägt, kann er die Kar­ten nicht las­sen. So legt er sie in die Ak­ten­ta­sche zu dem Brot, zu der Ther­mos­fla­sche mit Kaf­fee. Otto Quan­gel weiß sehr wohl, dass an der Sei­te der Ak­ten­ta­sche eine Naht of­fen ist, schon seit Wo­chen soll­te sie zum Satt­ler. Aber der ist über­las­tet mit Ar­beit und hat ge­knurrt, zwei Wo­chen wer­de die Re­pa­ra­tur we­nigs­tens dau­ern. So lan­ge hat Quan­gel die Ta­sche nicht ent­beh­ren wol­len, und es ist ihm ja auch noch nie et­was her­aus­ge­fal­len. Also legt er die Kar­ten un­be­sorgt hin­ein.

      Er geht durch die Werk­statt zu den An­klei­de­schrän­ken, lang­sam, schon dort­hin und da­hin schau­end. Es ist eine frem­de Be­leg­schaft, er sieht kaum ein be­kann­tes Ge­sicht, manch­mal nickt er. Ein­mal legt er auch Hand an. Die Leu­te se­hen ihn neu­gie­rig an, ihn ken­nen vie­le: Ach ja, das ist der olle Quan­gel, ein ko­mi­scher Vo­gel, aber sei­ne Be­leg­schaft schimpft nie auf ihn, ge­recht ist er, das muss man ihm las­sen. I wo, ein An­trei­ber ist er, das Letz­te holt er aus sei­nen Leu­ten her­aus. Aber nein, nie schimpft je­mand aus sei­ner Be­leg­schaft auf ihn. Wie der ko­misch aus­sieht, der hat wohl Schar­nie­re am Kopf, der nickt da­mit so ko­misch. Still, jetzt kommt er zu­rück, der kann Quas­seln auf den Tod nicht aus­ste­hen, der kiekt je­den, der quas­selt, in Grund und Bo­den.

      Otto Quan­gel hat sei­ne Ak­ten­ta­sche in den Schrank ge­stellt, die Schlüs­sel sind in sei­ner Ta­sche. Gut, noch elf Stun­den, und die Kar­ten wer­den aus der Fa­brik fort sein, und wenn es dann auch Nacht ist, er wird sie schon los­wer­den, er kann sie nicht noch ein­mal mit nach Haus neh­men. Anna ist im­stan­de und steht auf, bloß um die Kar­ten weg­zu­brin­gen.

      Bei die­ser neu­en Be­leg­schaft kann Quan­gel nicht sei­nen ge­wohn­ten Beo­b­ach­ter­pos­ten in der Mit­te des Rau­mes ein­neh­men – wie das ratscht und tratscht! Er muss von ei­ner Grup­pe zur an­de­ren ge­hen, und hier wis­sen sie das noch nicht alle, was sein Schwei­gen und Star­ren be­deu­ten soll; man­che ha­ben ja so­gar die Un­ver­fro­ren­heit, sie wol­len den Meis­ter ins Ge­spräch zie­hen. Es dau­ert eine gan­ze Wei­le, bis die Ar­beit so schnurrt, wie er es ge­wohnt ist, bis sie stil­ler sind und be­grif­fen ha­ben, dass es hier nichts gibt als ar­bei­ten.

      Quan­gel will sich ge­ra­de an sei­nen Auf­sichts­pos­ten be­ge­ben, da stockt sein Fuß. Sein Blick wei­tet sich, ein Ruck geht durch ihn: vor ihm auf der Erde, auf dem mit Sä­ge­mehl und Ho­bel­spä­nen be­deck­ten Fuß­bo­den der Werk­statt liegt die eine sei­ner bei­den Kar­ten.

      Es zuckt ihm in den Fin­gern, er will die Kar­te so­fort heim­lich auf­he­ben und sieht, dass zwei Schrit­te wei­ter die an­de­re liegt. Un­mög­lich, sie un­ge­se­hen auf­zu­he­ben. Im­mer wie­der rich­tet sich der Blick ei­nes Ar­bei­ters auf den neu­en Meis­ter, und was die Wei­ber sind, so kön­nen sie es nicht las­sen, ihn an­zu­star­ren, als hät­ten sie noch nie einen Mann ge­se­hen.

      Ach was, ich hebe sie ein­fach auf, ob sie es nun se­hen oder nicht! Was geht das die an! Nein, ich kann es nicht tun, die Kar­te muss hier schon eine Vier­tel­stun­de lie­gen, ein Wun­der, dass sie nicht schon ei­ner auf­ge­ho­ben hat! Vi­el­leicht hat sie aber schon ei­ner ge­se­hen und rasch wie­der hin­ge­wor­fen, als er den In­halt las. Wenn der mich die Kar­te auf­he­ben und ein­ste­cken sieht!

      Ge­fahr! Ge­fahr!, schreit es in Quan­gel. Äu­ßers­te Ge­fahr! Lass die Kar­te lie­gen! Tu, als hät­test du sie nicht ge­se­hen, lass einen an­de­ren sie fin­den! Stell dich auf dei­nen Platz!

      Aber plötz­lich geht et­was Selt­sa­mes in Otto Quan­gel vor. So lan­ge nun schon, zwei Jah­re nun schon hat er Post­kar­ten ge­schrie­ben, ver­teilt – aber nie hat er ihre Wir­kung ge­se­hen. Im­mer nur hat er in sei­ner dunklen Höh­le ge­lebt; was mit den Kar­ten wur­de, der Wir­bel, den sie er­zeu­gen muss­ten – er hat ihn sich hun­dert­mal vor­ge­stellt, aber er hat ihn nicht er­lebt.

      Ich möch­te das doch ein­mal se­hen, ein ein­zi­ges Mal! Was kann mir denn ge­sche­hen? Ich bin hier ei­ner von acht­zig Ar­bei­tern, alle sind eben­so in Ver­dacht wie ich, ja mehr noch, weil mich je­der als al­tes Ar­beit­s­tier kennt, fern von al­ler Po­li­tik. Ich ris­kie­re es, ich muss es ein­mal er­le­ben.

      Und ehe er sich noch recht be­son­nen hat, ruft er einen Ar­bei­ter an: »Du da! Heb das mal auf! Die Din­ger muss ei­ner ver­lo­ren ha­ben. Was ist das? Was glotzt du?«

      Er nimmt dem Ar­bei­ter die eine Kar­te aus der Hand, er tut, als läse er sie. Aber er kann jetzt nicht le­sen, sei­ne ei­ge­ne СКАЧАТЬ