Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ sie will sich jetzt die letz­te Le­bens­stre­cke ver­trau­ens­voll füh­ren las­sen. Als es ganz dun­kel war, da, als sie völ­lig ver­zagt war, da trat noch ein­mal die Son­ne durch die Wol­ken.

      Der rote Wei­de­rich liegt am Bo­den, fürs Ers­te ist er ein­mal aus­ge­rot­tet. Ge­wiss, er wird nach­wach­sen, das ist so ein Un­kraut, das muss man beim Pflü­gen aus der lo­cke­ren Erde sam­meln, je­des un­ter­ir­di­sche Wur­zel­stück­chen treibt im­mer wie­der neu aus. Aber Frau Eva kennt jetzt die­se Stel­le, sie wird sie nicht ver­ges­sen, sie wird so lan­ge hier­her­ge­hen, bis der Wei­de­rich völ­lig aus­ge­rot­tet ist.

      Ei­gent­lich könn­te sie jetzt früh­stücken, es wäre Zeit da­für, ihr Ma­gen sagt es auch. Aber als sie zu den im Schat­ten des Wald­ran­des hin­ge­leg­ten Bro­ten und ih­rer Kaf­fee­fla­sche hin­blickt, sieht sie, dass sie nicht früh­stücken wird, heu­te nicht, ihr Ma­gen hat still zu sein. Denn da ist schon ei­ner am Werk, ein viel­leicht vier­zehn­jäh­ri­ger Jun­ge, un­glaub­lich ab­ge­ris­sen und ver­dreckt, und er schlingt an ih­ren Bro­ten, als sei er dem Ver­hun­gern nahe ge­we­sen.

      So sehr ist die­ser Jun­ge mit sei­ner Sät­ti­gung be­schäf­tigt, dass er gar nicht dar­auf ach­tet, wie die Ha­cke im Un­kraut­a­cker still ge­wor­den ist. Er fährt erst zu­sam­men, als die Frau di­rekt vor ihm steht, und starrt sie mit großen blau­en Au­gen un­ter sei­nem ver­filz­ten Schopf blon­der Haa­re an. Ob­wohl er nun beim Steh­len er­wi­scht und die Flucht nicht mehr nö­tig ist, blickt der Ben­gel nicht angst­voll oder schuld­be­wusst, son­dern sein Auge sieht eher her­aus­for­dernd drein.

      In den letz­ten Mo­na­ten hat das Dorf und in ihm Frau Klu­ge sich an die­se Kin­der ge­wöh­nen ge­lernt: die Flie­ger­an­grif­fe auf Ber­lin ha­ben sich stän­dig ge­stei­gert, und die Be­völ­ke­rung ist auf­ge­for­dert wor­den, ihre Kin­der aufs Land zu schi­cken. Die Pro­vinz ist mit Ber­li­ner Kin­dern über­schwemmt. Aber selt­sam, man­che die­ser Kin­der konn­ten sich durch­aus nicht an das stil­le Land­le­ben ge­wöh­nen. Hier hat­ten sie Ruhe, bes­se­res Es­sen, un­ge­stör­ten Nacht­schlaf, aber sie hiel­ten es nicht aus, es zog sie in die große Stadt zu­rück. Und sie mach­ten sich auf den Weg; bar­fuß, um ein biss­chen Es­sen bet­telnd, ohne Geld, von den Land­jä­gern be­droht, such­ten sie un­be­irrt ih­ren Weg in die fast all­nächt­lich bren­nen­de Stadt zu­rück. Auf­ge­grif­fen, in ihre länd­li­che Ge­mein­de zu­rück­ge­schickt, war­te­ten sie es kaum ab, dass sie wie­der ein biss­chen auf­ge­füt­tert wur­den, und sie lie­fen von Neu­em los.

      Die­ser da mit dem her­aus­for­dern­den Blick, der Frau Evas Früh­stücks­brot aß, war wohl schon lan­ge un­ter­wegs. Die Frau konn­te sich nicht er­in­nern, je eine so zer­lump­te, ver­dreck­te Ge­stalt ge­se­hen zu ha­ben. Im Haar hin­gen ihm Stroh­hal­me, und in den Ohren hät­te man Mohr­rü­ben säen kön­nen.

      »Na, schmeck­t’s?«, frag­te Frau Klu­ge.

      »Klar!«, sag­te er, und schon dies eine Wort ver­riet sei­ne Ber­li­ner Her­kunft.

      Er sah sie an. »Wills­te mir va­haun?«, frag­te er.

      »Nein«, sag­te sie. »Iss nur ru­hig wei­ter. Bei mir geht’s auch mal ohne Früh­stück, und du hast Hun­ger.«

      »Klar!«, sag­te er wie­der nur. Und dann: »Wills­te mir nach­her lau­fen­las­sen?«

      »Vi­el­leicht«, ant­wor­te­te sie. »Aber viel­leicht bist du ein­ver­stan­den, dass ich dich vor­her wa­sche und dei­ne Klei­der ein biss­chen in Ord­nung brin­ge. Vi­el­leicht fin­de ich auch noch eine pas­sen­de hei­le Hose für dich.«

      »Det lass man!«, sag­te er ab­wei­send. »Die ver­scheu­er ick bloß, wenn ick Kohldampf habe. Wat denks­te, wat ick al­les schon ver­scheu­ert habe in dem Jahr, wo ick uff de Wal­ze bin! Min­des­tens fuff­zehn Ho­sen! Und zehn Paar Schu­he!«

      Er sah sie tri­um­phie­rend an.

      »Und warum er­zählst du mir das?«, frag­te sie. »Für dich wäre es doch vor­teil­haf­ter ge­we­sen, du hät­test die Hose ge­nom­men und mir nichts ge­sagt.«

      »Weeß ick nich«, sag­te er ab­wei­send. »Va­leicht weil de mir nich aus­ge­schimpft hast, weil ick dein Früh­stück je­klaut habe. Ick fin­de Schimp­fen blö­de.«

      »Also ein Jahr bist du schon un­ter­wegs?«

      »Det is ’n biss­ken je­prahlt. Den Win­ter über bin ick un­ter­je­kro­chen. Bei so ’nem Knei­pier in ’nem Kaff. Hab die Schwei­ne je­füt­tert und Bier­jlä­ser je­wa­schen, ick hab al­let je­macht. Det war ’ne janz jute Zeit«, sag­te er nach­denk­lich. »’ne ul­ki­ge Kru­ke, der Jast­wirt. Imma be­sof­fen, aber mit mir hat er je­re­det, als wär ick detsel­be wie er, eben­so alt und so. Da ha’ck Schnapstrin­ken und Rau­chen je­lernt. Mags­te ooch Schnaps?«

      Frau Klu­ge ver­schob die Er­ör­te­rung der Fra­ge, ob Schnapstrin­ken für vier­zehn­jäh­ri­ge Jun­gens ge­ra­de rät­lich sei, auf spä­ter.

      »Aber du bist dann da doch wie­der fort­ge­lau­fen? Willst du zu­rück nach Ber­lin?«

      »Nee«, sag­te der Jun­ge. »Bei mei­ne Leu­te jeh ick nich mehr. Die sind mir zu je­wöhn­lich.«

      »Aber dei­ne El­tern wer­den sich Sor­gen um dich ma­chen; sie wis­sen doch gar nicht, wo du steckst!«

      »Die un Sor­jen! Die sind froh, det se mir los sind!«

      »Was ist denn dein Va­ter?«

      »Der? Ach, der is so ’n biss­ken von al­let: Louis un Spit­zel, und klau­en tut der ooch. Wenn a wat zu klau­en findt. Bloß, er is duss­lig, er findt nie wat Rechts.«

      »So«, sag­te Frau Klu­ge, und nach die­sen Er­öff­nun­gen klang ihre Stim­me doch et­was schär­fer. »Und was sagt dei­ne Mut­ter dazu?«

      »Mei­ne Mut­ta? Wat soll die sagn? Die is doch ooch bloß Nut­te!«

      Batsch! Nun hat­te er doch, trotz ih­res Ver­spre­chens, sei­ne Ohr­fei­ge weg.

      »Schämst du dich denn gar nicht, so von dei­ner Mut­ter zu re­den? Pfui Dei­bel!«

      Der Ben­gel rieb sich, ohne die Mie­ne zu ver­zie­hen, die Ba­cke.

      »Die hat je­ses­sen«, stell­te er fest. »Von die Sor­te möch­te ick nich mehr.«

      »Du sollst nicht so von dei­ner Mut­ter spre­chen! Ver­stehst du?«, sag­te sie zor­nig.

      »Wa­rum denn nich?«, frag­te er und lehn­te sich zu­rück. Er blin­zel­te, jetzt völ­lig ge­sät­tigt, be­hag­lich auf sei­ne Gast­ge­be­rin. »Wa­rum denn nich! Wo se doch mal ’ne Nut­te is. Sie sag­t’s doch sel­ber. ›Wenn ick nich uff ’n Strich gin­ge‹, hat se oft je­sacht, ›müss­tet ihr alle va­hun­gern!‹ Wa sind nem­lich fümf Je­schwis­ter, aba alle mit ’n an­de­ren Vata. Mei­ner soll ’n Rit­ta­jut in Pom­mern habn. Ick wollt СКАЧАТЬ