Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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»Ick bin doch nich evakuiert! Ick bin doch von meine Ollen jetürmt!«
Er lag jetzt auf der Seite, die schmutzige Backe ruhte auf dem ebenso schmutzigen Unterarm. Er blinzelte sie träge an, völlig bereit zu einem kleinen Quatsch. »Ick will dir erzählen, wie allet jekommen is. Also, wat mein sojenannter Vata is, der hat mich damals, det is schon über ’n Jahr her, um fuffzig Emm beschissen, und dazu hat a mir noch vakloppt. Na, da ha’ck mir ’n paar Freunde jeholt, det heeßt, Freunde waren’s eijentlich ooch nich, so Halbstarke, weeßte, un denn sind wa alle über Vatan her und haben nu ma ihn vatrimmt. Det war den Mann janz jesund, hat a doch mal jelernt, det det nich imma so jeht: die Jroßen uff de Kleenen! Und denn ham wa ihn noch sein Jeld aus die Tasche jeklaut. Ick weeß nich, wie viels jewesen ist, die Jroßen von uns ham’s jeteilt. Ick hab bloß zwanzich Emm jekricht, und denn ham se mir jesacht: Hau du bloß ab, dein Olla schlächt dir tot oder steckt dir in Fürsorge. Mach uff ’t Land bei de Bauern. Und da bin ick denn uff ’t Land bei de Bauern jemacht. Un een janz schönet Leben ha’ck seitdem jeführt, det kann ick wohl behaupten!«
Er schwieg und sah sie wieder an.
Sie sah still auf ihn hinunter, sie dachte an Karlemann. Dieser war nur noch drei Jahre später auch ein Karlemann, ohne Liebe, ohne Glauben, ohne Streben, nur auf sich selbst bedacht.
Sie fragte: »Und was, denkst du, soll einmal aus dir werden, Kuno?« Und sie setzte hinzu: »Du willst wohl später mal zu der SA oder zu der SS?«
Lang gedehnt: »Bei die Brüder? So blau! Die sind ja noch schlimma wie Vata! Imma bloß schimpfen un kommandieren! Nee, danke für Backobst, det is nischt für mich!«
»Aber vielleicht würde es dir Spaß machen, wenn du erst andere kommandieren kannst?«
»Wieso denn det? Nee, ich bin for so wat nich. Weeßte – wie heißte eijentlich?«
»Eva – Eva Kluge.«
»Weeßte, Eva, wat mir richtig Spaß machen würde, det wäre Auto. Von’t Auto möcht ick jerne allet wissen, woso der Motor funktioniert und wie det is mit Vajaser un Zündung – nee, nich, wie det is, det weeß ick schon halweje, aba warum det so is … Aba det möcht ick schon ma wissen, bloß, for so wat bin ick zu doof. Mir ham se in meine Jugend zu ville uff de Birne gekloppt, seitdem is die weech. Nich ma richtich schreiben kann ick!«
»Aber so dumm siehst du gar nicht aus! Ich bin sicher, du lernst das, das Schreiben und später auch das mit den Motoren.«
»Lernen? Nochma in de Schule jehn? Knif, kommt nicht in Frage, für so wat bin ick schon zu alt. Ick hab doch schon zwei Jeliebte jehabt.«
Einen Augenblick schauderte ihr. Aber dann sagte sie mutig: »Glaubst du denn, so ein Ingenieur oder Techniker hat je ausgelernt? Die müssen doch immer weiterlernen, auf der Hochschule oder in Abendkursen.«
»Weeß ick doch! Weeß ick doch allet! Det steht ja an de Litfasssäulen! Abendkurse für fortgeschrittene Elektrotechniker« – plötzlich sprach er ein ganz fehlerfreies Deutsch –, »die Grundlagen der Elektrotechnik.«
»Na also!«, rief Frau Eva. »Und du denkst, du bist zu alt für so was! Du willst nichts mehr lernen? Du willst dein Lebtag ein Penner bleiben, der den Winter über Gläser wäscht und Holz hackt? Das wird ja ein nettes Leben werden, viel Spaß wird dir das nicht machen!«
Er hatte die Augen jetzt wieder weit geöffnet und sah sie forschend, aber auch misstrauisch an.
»Du willst wohl, det ick bei meine Leute zurückmache und in Berlin zur Schule jeh? Oder willste mir in Fürsorge stecken?«
»Nichts von beiden. Ich will sehen, dass du bei mir bleiben kannst. Und dann will ich dich selber unterrichten, und ein Freund von mir.«
Er blieb misstrauisch. »Un wat vadienst du denn bei det Jeschäft? Ick würde dir doch ’ne Masse kosten, mit Essen un Kleider un Schulbücher und so weiter.«
»Ich weiß nicht, ob du das verstehen wirst, Kuno. Ich habe mal einen Mann und zwei Jungens gehabt, die habe ich verloren. Und nun bin ich ganz allein, nur den einen Freund habe ich noch!«
»Da kannste doch noch ’n Kind kriejen!«
Sie wurde rot, sie, die alternde Frau, errötete unter dem Blick des vierzehnjährigen Jungen.
»Nein, ich kann keine Kinder mehr kriegen«, sagte sie und sah ihn fest an. »Aber es würde mir Freude machen, wenn du noch etwas würdest, ein Autoingenieur oder ein Flugzeugkonstrukteur. Das würde mir Freude machen, dass ich aus so einem Jungen, wie du bist, noch etwas gemacht habe.«
»Du denkst woll, ick bin een janz jemeenet Aas?«
»Das weißt du doch selbst, dass jetzt nicht viel mit dir los ist, Kuno!«
»Da haste recht. Det muss wahr sind!«
»Und du hast keine Lust, was anderes zu werden?«
»Lust schon, aba …«
»Aber was? Möchtest du nicht zu mir kommen?«
»Möchten schon, aba …«
»Was ist das noch für ein Aber?«
»Ick denk imma, du krichst mir schnell üba, und fortschicken lass ick mir nich jerne, ick jeh lieba von alleene.«
»Du kannst jeden Tag von mir fortgehen, ich werde dich nie halten.«
»Is det ein Wort?«
»Das ist ein Wort, ich verspreche es dir, Kuno. Bei mir bist du ganz frei.«
»Aba, wenn ick bei dir bin, denn muss ick richtich jemeldet wern, und denn wissen’s ooch meine Ollen, wo ick bin. Die lassen mir nich eenen Tach bei dir.«
»Wenn das so aussieht bei euch zu Haus, wie du erzählt hast, wird dich keiner zwingen zurückzugehen. Vielleicht werden mir dann die Rechte übertragen, und du bist ganz mein Junge …«
Einen Augenblick sahen sich die beiden an. Sie meinte, in diesem blauen gleichgültigen Blick einen fernen Glanz zu entdecken. Aber dann sagte er – und legte den Kopf auf den Arm, schloss die Augen: »Na, denn schön. Denn will ick ma ’n bissken schlafen. Jeh du man wieder bei deine Kartoffeln!«
»Aber, СКАЧАТЬ