Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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      Elf Wo­chen hat­ten sie ihn dort be­hal­ten, er hat­te tüch­tig Tü­ten kle­ben und Tau­werk zup­fen müs­sen, sonst zo­gen sie ihm noch von dem Es­sen ab, von dem er so­wie­so nicht satt wur­de. Das Schlimms­te aber wa­ren die Näch­te ge­we­sen, wenn Flie­ger­an­grif­fe er­folg­ten. Bark­hau­sen hat­te eine ge­wal­ti­ge Angst vor Flie­ger­an­grif­fen. Er hat­te mal eine Frau in der Schön­hau­ser Al­lee ge­se­hen: eine Phos­phor­bom­be war in sie ge­fah­ren und in ihr ste­cken­ge­blie­ben – nie in die­sem Le­ben wür­de Bark­hau­sen den An­blick ver­ges­sen.

      Er hat­te also Angst vor Flie­gern, und wenn die im­mer nä­her dröhn­ten, und die gan­ze Luft war voll von ih­rem Geräusch, und dann ka­men die ers­ten Ein­schlä­ge, und sei­ne Zel­len­wand war rot be­leuch­tet vom Flacker­schein fer­ner und na­her Brän­de … Nein, sie schlos­sen die Ge­fan­ge­nen nicht aus der Zel­le, sie lie­ßen sie nicht in dem Kel­ler, in dem sie si­cher ge­ses­sen hät­ten, die­se Speck­jä­ger, die! In sol­chen Näch­ten wur­de das gan­ze rie­si­ge Zel­len­ge­fäng­nis Moa­bit hys­te­risch, an den Fens­tern hin­gen sie und schri­en – oh, wie sie schri­en! Und Bark­hau­sen hat­te mit­ge­schri­en! Er hat­te ge­heult wie ein Tier, er hat­te den Kopf auf sei­ner Schlaf­prit­sche ver­bor­gen, und dann war er mit die­sem Kopf ge­gen die Zel­len­tür ge­rannt, im­mer mit dem Schä­del vor­an ge­gen die Zel­len­tür, bis er dann vor Be­täu­bung am Bo­den lie­gen­ge­blie­ben war … Das war sei­ne Art Nar­ko­se, durch die er die­se Näch­te über­stand!

      Aber er war nach die­sen elf Wo­chen Un­ter­su­chungs­haft na­tür­lich nicht in sehr freund­li­cher Stim­mung nach Haus zu­rück­ge­kehrt. Selbst­ver­ständ­lich hat­ten sie ihm nicht das Ge­rings­te nach­wei­sen kön­nen, das wäre ja auch ge­lacht; aber die­se elf Wo­chen hät­te er sich er­spa­ren kön­nen, wenn Otti nicht so ein Aas ge­we­sen wäre! Und wie ein Aas be­han­del­te er sie nun auch, sie, die mit ih­ren Freun­den kein schlech­tes Le­ben in sei­ner Woh­nung ge­führt hat­te (de­ren Mie­te sie re­gel­mä­ßig be­zahl­te), wäh­rend er hat­te Taue zup­fen und vor Angst halb wahn­sin­nig wer­den müs­sen.

      Von da an ha­gel­te es Schlä­ge in der Bark­hau­sen’­schen Woh­nung. Bei dem ge­rings­ten Mucks schlug der Mann zu, ganz gleich, was er in der Hand hat­te, er schmiss es ihr in die Fres­se, dem Aas, dem ver­damm­ten, das ihn so ins Un­glück ge­bracht hat­te.

      Aber auch Otti setz­te sich zur Wehr. Nie war Es­sen für ihn da, nie Geld, nie was zu rau­chen. Sie schrie un­ter sei­nen Schlä­gen, dass die Haus­be­woh­ner zu­sam­men­lie­fen, und alle nah­men sie Par­tei ge­gen Bark­hau­sen, wo sie doch ge­nau wuss­ten, sie war nichts als eine ge­mei­ne Nut­te. Und dann ei­nes Ta­ges, als er ihr bü­schel­wei­se die Haa­re vom Kopf ge­ris­sen hat­te, tat sie das All­er­ge­meins­te: sie ver­schwand auf Nim­mer­wie­der­se­hen aus der Woh­nung und ließ ihn sit­zen mit den rest­li­chen vier Gö­ren, von de­nen bei kei­nem sei­ne Va­ter­schaft si­cher war. Ver­dammt noch mal, Bark­hau­sen hat­te rich­tig auf Ar­beit ge­hen müs­sen, sonst wä­ren sie alle ver­hun­gert, und die zehn­jäh­ri­ge Pau­la führ­te nun die Wirt­schaft.

      Ein be­schei­de­nes Jahr, ein wahr­haft be­schis­se­nes Jahr war das ge­we­sen! Und dazu die­ser im­mer wei­ter­boh­ren­de Hass auf die Per­sickes, de­nen er nichts aus­wi­schen konn­te noch durf­te, die ohn­mäch­ti­ge Wut und Ei­fer­sucht, als im Hau­se be­kannt wur­de, der Bal­dur käme auf eine Na­po­la, und schließ­lich das klei­ne, dün­ne Wie­der­auf­glim­men von Hoff­nung, als er den Suff des al­ten Per­si­cke be­ob­ach­te­te – viel­leicht – viel­leicht doch …

      Und nun saß er in der Woh­nung der Per­sickes, da auf dem Tisch­chen un­ter dem Fens­ter stand der Ra­dio­ap­pa­rat, den Bal­dur der al­ten Ro­sen­thal ge­klaut hat­te. Bark­hau­sen war nahe am Ziel, und nun kam es nur noch dar­auf an, wie er die­se Wan­ze da un­ver­däch­tig weg­krieg­te …

      Bark­hau­sens Au­gen leuch­ten auf, wenn er dar­an denkt, wie Bal­dur to­ben wür­de, wenn er den Bark­hau­sen da am Tisch sit­zen sähe. Die­ser schlaue Fuchs, der Bal­dur, aber im­mer noch nicht schlau ge­nug. Ge­duld ist manch­mal mehr wert als Schlau­heit. Und plötz­lich fällt Bark­hau­sen ein, wie es der Bal­dur mit ihm und dem Enno Klu­ge ei­gent­lich hat­te trei­ben wol­len, da­mals als sie in die Woh­nung der Ro­sen­thal ein­ge­bro­chen wa­ren, das heißt, ein rich­ti­ger Ein­bruch war es ja gar nicht ge­we­sen, son­dern eine be­stell­te Sa­che …

      Bark­hau­sen schiebt die Un­ter­lip­pe vor, er be­trach­tet sein wäh­rend des lan­gen Schwei­gens sehr zap­pe­lig ge­wor­de­nes Ge­gen­über nach­denk­lich und sagt: »Na, dann zei­gen Sie mir mal, was Sie in den Kof­fern ha­ben!«

      »Hö­ren Sie mal«, die Rat­te ver­sucht sich zu wi­der­set­zen, »ich glau­be, das ist ein biss­chen viel ver­langt. Wenn mir mein Freund, der Herr Per­si­cke, er­laubt hat – das über­schrei­tet doch Ihre Rech­te als Haus­ver­wal­ter …«

      »Ach, quas­seln Sie nicht!«, sagt Bark­hau­sen. »Ent­we­der zei­gen Sie mir hier, was Sie in den Kof­fern ha­ben, oder wir bei­de ge­hen ge­mein­sam zur Po­li­zei.«

      »Ich brau­che es nicht«, stellt die Rat­te quie­kend fest, »aber ich zei­ge es Ih­nen frei­wil­lig. Mit der Po­li­zei hat man im­mer bloß Sche­re­rei­en, und wo jetzt mein Par­t­ei­ge­nos­se Per­si­cke so krank ge­wor­den ist, kann es viel­leicht noch Tage dau­ern, bis er mei­ne An­ga­ben be­stä­tigt.«

      »Los! Los! Auf­ma­chen!«, sagt Bark­hau­sen plötz­lich wild und hat nun doch einen Schluck aus der Fla­sche ge­nom­men.

      Die Rat­te Klebs sieht ihn an, plötz­lich kommt ein hä­mi­sches Lä­cheln in das Ge­sicht des Spit­zels. »Los! Los! Auf­ma­chen!« Durch die­sen Ruf hat Bark­hau­sen sei­ne Gier ver­ra­ten. Er hat auch ver­ra­ten, dass er nicht der Haus­ver­wal­ter ist, und wenn er es doch sein soll­te, so ist er ein Haus­ver­wal­ter, der die Ab­sicht hat, un­ge­treu zu sein.

      »Na, Kum­pel?«, sagt die Rat­te plötz­lich in ei­nem ganz an­de­ren Ton. »Wol­len wir nicht hal­be-hal­be ma­chen?«

      Und ein Faust­schlag schickt ihn zu Bo­den. Der Si­cher­heit hal­ber gibt Bark­hau­sen dem Klebs noch zwei, drei Schlä­ge mit ei­nem Stuhl­bein nach. So, der wird nicht muck­sen die nächs­te Stun­de!

      Und dann fängt Bark­hau­sen an ein­zu­pa­cken, um­zu­pa­cken. Wie­der wech­selt die ehe­mals Ro­sent­hal’­sche Wä­sche den Be­sit­zer. Bark­hau­sen ar­bei­tet rasch und völ­lig ru­hig. Dies­mal soll kei­ner zwi­schen ihn und den Er­folg tre­ten. Lie­ber macht er alle hin, und wenn er die Kohl­rü­be da­für her­ge­ben muss! Er lässt sich nicht noch ein­mal nep­pen.

      Und es war dann, eine Vier­tel­stun­de spä­ter, doch nur ein ganz kur­z­er Kampf mit den bei­den Schu­pos, als Bark­hau­sen aus der Woh­nung trat. Ein biss­chen Ge­tram­pel und Ge­zer­re nur, dann war Bark­hau­sen ge­bän­digt und ge­fes­selt.

      »So!«, sag­te der klei­ne Herr Kam­mer­ge­richts­rat a.D. Fromm zu­frie­den. »Und da­mit, glau­be ich, ist es mit Ih­rer Wirk­sam­keit in die­sem Hau­se für im­mer vor­bei, Herr Bark­hau­sen. Ich wer­de nicht ver­ges­sen, СКАЧАТЬ