Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke
Автор: Eduard von Keyserling
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962814601
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»Reich – gerechter Gott!« rief der Trödler und schlug sein Buch zu. »Wenn Sie, junger Herr, so reich wären wie ich, dann wär es aus mit dem hübschen Leben. Immer Spaß – feine Kleider – hübsche Fräuleins – das kann ich nicht.«
»Ach was! Sie haben genug«, scherzte Ambrosius und drohte mit dem Finger. Dann griff er nach dem wackeligen Rohrstuhl, der in der Ecke stand, und setzte sich. Es machte ihm Vergnügen, selbst vor Wulf den Mann zu spielen, der matt von Liebestriumphen ist. Langsam strich er sich mit der Hand über die Stirn und bat Ida um ein Glas Wasser.
Als Ida fort war, schwieg Ambrosius; er konnte sich nicht entschließen, mit seinem Anliegen herauszurücken, er beugte sich über den Tisch, musterte die Glasringe, nahm einen heraus und hielt ihn gegen das Licht: »Für die Leute vom Lande«, erklärte Wulf.
»Hm – nicht übel«, bemerkte Ambrosius, kniff ein Auge zu und schaute durch das bunte Glas. »Wulf«, sagte er plötzlich, immer noch den Ring am Auge haltend, »ich brauche Geld.« Der Jude antwortete nicht sogleich, blickte auch nicht auf, sondern tat, als wär das eine unwichtige Mitteilung, die nicht ernstgenommen sein wollte.
Erst nach einer Weile sagte er – so obenhin: »Ja – Geld, das braucht einer bald.«
»Nein, im Ernst, Wulf«, versetzte Ambrosius lebhaft, »ich brauche viel Geld, und Sie sollen’s mir geben.«
»Ich?« Wulf lachte. Herr von Tellerat spaßte wohl. Wo sollte er – Wulf – Geld hernehmen? Er brauchte selbst welches.
»Seien Sie kein Narr. Sie wissen doch, dass es ein sicheres Geschäft ist, Sie verdienen ja dabei.«
»Freilich, wer das hätte, würde was verdienen – aber ich…«
»Keine Flausen, Wulf. Sie haben genug im Kasten liegen. Ich stelle Ihnen einen Wechsel aus. Morgen brauche ich das Geld.«
»Es ist keines da, lieber junger Herr. Wieviel soll es denn sein?«
»Achthundert.«
»Das ist hübsch viel. Auf wie lange denn?«
»Auf kurze Zeit – ein – zwei – oder drei Monate.«
»Wer das hätte, könnte das Geschäft machen«, meinte Wulf und ließ seinen dünnen, abgetragenen Bart nachdenklich durch die Finger gleiten. »Ich habe nichts – Ehrenwort. – Wer kaviert denn auf dem Wechsel?«
»Wozu ist denn ein Kavent nötig?« fuhr Ambrosius auf. »Bin ich Ihnen nicht sicher genug?«
»Ich sage nicht nein, Gott bewahre!« besänftigte ihn der Trödler: »Sicher ist schon ein Papier, wo Sie daraufstehen; das ist wie bares Geld. Wer das Geld hat, gibt es auf Ihre Unterschrift allein.«
»Sie haben’s doch, sagen Sie doch nicht solche Dinge.«
»O Gott, nein! Und dann – ich würde Ihnen das Geld von Herzen gern geben, aber meine Alte erlaubt es nicht, sie hat es. Ja, wenn ich es hätte!«
»Wieder etwas Neues!«
»Werden Sie nicht böse, junger Herr. Wir sprechen ja nur über die Sache. Wenn die Alte will, so ist’s gut, reden Sie morgen mit ihr.«
»Abgemacht. Morgen hole ich das Geld.«
Der Jude sah den jungen Mann aus seinen kleinen gelben Augen misstrauisch an: »Zwei sind immer sicherer als einer«, bemerkte er.
»Sie immer mit Ihrem Zweiten«, rief Ambrosius entrüstet. »Es ist wirklich unverschämt. Wo soll ich denn einen Zweiten hernehmen!«
»Gott, wenn Sie nur wollten«, meinte Wulf lächelnd.
Ärgerlich und nervös nagte Ambrosius an seiner Unterlippe; es war zu widerwärtig, so in den alten Schelm dringen zu müssen. Ida war längst wieder da, sie wollte jedoch nicht stören und stand neben Ambrosius, das Glas Wasser in der Hand haltend. Sie hörte aufmerksam zu und begriff vollkommen, dass man nicht durstig ist, wenn man von Geld spricht. Jetzt blickte sie ihren Vater bedächtig an und sagte: »Der Herr Lurch drüben, der tut’s schon – für Fräulein Rosa.«
Ambrosius lachte – doch – Ida hatte vielleicht nicht unrecht. Auch Wulf lachte gerührt über sein Kind. »Ida – was weißt du! Der junge Herr wird das besser wissen; der ist gescheiter als wir beide zusammen.«
»Nein, lassen Sie sie nur. Sie hat recht.« Ambrosius gefiel der Einfall. Lurch war ja sein blindes Werkzeug, der würde ihm helfen. Bei Gott! Ida hatte das Wahre getroffen, und gut gelaunt kniff Ambrosius das Mädchen in die gelbe Backe, was Ida steif und kühl entgegennahm: »Also Lurch.« Ambrosius erhob sich. »Morgen komme ich. Ich rechne auf Sie – Wulf.«
»Ergebenster Diener, junger Herr«, erwiderte der Jude, »aber nichts Bestimmtes kann ich sagen.«
»Gehen Sie, Alter, die Sache ist abgemacht. Adieu, Ida, du bist ein kluges Mädchen.«
»Empfehl mich, junger Herr.«
Vornehm mit der Hand winkend verließ Ambrosius den Trödlerladen.
Achtzehntes Kapitel
Der Trödler Wulf hatte sein möglichstes getan, um den rücksichtslosen Sonnenschein dieses Sonntagmorgens aus seinem Wohnzimmer auszuschließen. Da die roten Vorhänge nicht genügten, hatte er das gelbe Tuch seiner Frau vor das Fenster gehängt, aber durch die kleinen, von den Motten hineingestochenen Löcher sandte die Sonne doch scharfgoldene Strahlen in das Zimmer, um die sich dann gleich ganze Staubsäulen drehten. Vor dieser unerwartet im September eingetretenen Hitze vermochte sich niemand zu schützen, so war auch das niedrige Gemach des Juden ganz durchglüht. Die Scherben, Lumpen, Papiere ringsum schienen in der Wärme zu neuem Leben zu erwachen, und dem Eintretenden schlug es wie ein heißer staubiger Atem entgegen, der sich auf die Lunge legte.
Ambrosius, Lurch und der Trödler saßen um den kleinen Tisch am Fenster und schwiegen. Ein jeder blickte starr und gereizt vor sich nieder. Lurch war sehr bleich. Den Kopf neigte er auf die rechte Schulter und knöpfte seine Weste СКАЧАТЬ