Die Seele Chinas. Richard Wilhelm
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Название: Die Seele Chinas

Автор: Richard Wilhelm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Kleine historische Reihe

isbn: 9783843800495

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СКАЧАТЬ moderne Republik überzuführen, wenn er sich damit begnügt hätte, Präsident zu bleiben. Denn solange er das tat, stand er – wie man auch im Übrigen seine Handlungsweise beurteilen mag – auf legalem Boden. Allein er ging einen Schritt weiter und wollte Kaiser werden. Inwieweit das sein eigener Gedanke war, ob er sich nicht durch andere Einflüsse dahin hat treiben lassen, mag dahingestellt bleiben. Er ging auch dabei sehr klug vor, indem er die Initiative seinen Freunden zuschob und selber gleichsam nur gezwungen ihren Forderungen sich anbequemte.

      Die Zeit für das Unternehmen schien nicht ungünstig zu sein. Der Weltkrieg war hereingebrochen, der auch in Ostasien seine Wellen warf. Yüan Schï K’ai ließ sich zwar nicht bewegen, in den Krieg aktiv einzugreifen – er war zu klug, um solchen uferlosen Gedanken sich hinzugeben – aber auf der anderen Seite fand er auf Seiten der fremden Mächte ein geneigtes Ohr, und schon wurde sein Sohn bei einem Empfang in der englischen Gesandtschaft als Kronprinz geehrt. Schritt für Schritt ging er dazu über, die Herrschaft in seine Hände zu bekommen. Eine neue Devise wurde geschaffen. Das Jahr 1915 sollte das erste der Periode »Hung Hsiän« sein. Yüan Schï K’ai selbst vollbrachte das kaiserliche Opfer am Himmelsaltar in Peking nach einem eigens für diesen Zweck zusammengestellten Zermoniell, das sich an gewisse Vorbilder aus der Hanzeit anlehnte. Freilich der Gedanke des Opfers wurde sehr stark in positivistischem Sinne abgewandelt. Während früher auf drei hohen Masten drei rote Laternen brannten in der Winternacht des Opfers, durch die das Göttliche im Himmel, auf Erden und im Menschen symbolisiert werden sollte, wurden die Lampen für den Himmel und die Erde beseitigt. Die kosmische Beziehung fiel weg aus dem Gottesdienst. Gott war nur noch ein symbolischer Ausdruck für den Genius der Menschheit, dem Yüan Schï K’ai seine Huldigung darbrachte. Wie sehr die Opfer ihren Sinn gewechselt hatten, geht auch schon daraus hervor, dass Yüan Schï K’ai im Panzerauto – aus Furcht vor Attentaten – unmittelbar vor dem Opfer ankam und auch ebenso verschwand, während früher die Herrscher zu dreitägigem Fasten in der Sänfte sich nach der Halle des Fastens begab.

      Am schwierigsten war das Verhältnis zu Japan. Japan hatte durch die Bindung der Großmächte im Weltkrieg in Ostasien freie Hand bekommen, die es auch weidlich auszunützen suchte. Unter dem Vorwand, Tsingtau den Deutschen zu entreißen, marschierten die japanischen Truppen raubend und plündernd von Norden her quer durch die Schantunghalbinsel auf Tsingtau zu, stießen dann aber die Schantungbahn entlang nach der Provinzialhauptstadt von Schantung, Tsinanfu, vor, ehe sie daran dachten, Tsingtau ernstlich zu bekämpfen. Sie führten den Krieg gegen Deutschland lässig und ohne jede Begeisterung, stets darauf bedacht, sich eine Hintertür offen zu lassen für den Fall, dass Deutschland siege. Umso ungenierter suchte Japan dagegen China unter seine Herrschaft zu bringen. Yüan Schï K’ai war nie der Freund Japans gewesen und musste die Duldung für seine Pläne durch die 21 Bedingungen teuer bezahlen, die Japan dem chinesischen Staat auferlegte. Durch diese Bedingungen wollte sich Japan nicht nur in den Besitz der wichtigen Kohlenminen von P’ing Hsiang, der ungeheuer ausgiebigen Eisenminen von Taye am Yangtse und der Eisenwerke von Hanyang setzen, sondern China sollte auch auf allen anderen Gebieten, besonders dem militärischen, dem japanischen Staat rettungslos ausgeliefert werden. So übel waren die Machenschaften, dass die Japaner sie sogar ihren englischen Bundesgenossen in ihren wesentlichen Punkten zu verheimlichen für gut befanden. Noch bis auf den heutigen Tag wird der Tag, da die 21 Bedingungen oktroyiert wurden, als Tag nationaler Schmach in China begangen.

      Dennoch gelang es Yüan Schï K’ai nicht, sein Ziel zu erreichen. In Yünnan entstand ein Aufruhr, der sich sehr rasch über das ganze Reich verbreitete. Provinz nach Provinz fiel ab, und schließlich blieb nichts übrig, als nach ein paar Monaten die Devise »Hung Hsiän« wieder abzuschaffen, und den Schritt vom Kaiser zum Präsidenten wieder zurück zu tun. Aber solche weltgeschichtlichen Schritte werden nicht ungeschehen gemacht. Wie um Wallenstein alles unsicher wurde und misslang, nachdem er offen sich seinem Kaiser entgegengestellt hatte, so wich nun der Erfolg von den Fahnen Yüan Schï K’ais, der ja in mehr als einer Hinsicht mit Wallenstein verglichen werden kann. Er starb schließlich, wie die Sage meldet, beunruhigt und gequält von den Geistern, die ihn nicht mehr losließen: Ein Mann mit gebrochenen Herzen.

      Fünftes Kapitel

      Die Kämpfe der Diadochen

      Yüan Schï K’ai schon hatte es nicht ganz leicht gehabt, die verschiedenen Generäle mit fester Hand zusammenzuhalten. Doch hat er zum Mindesten im Norden die Macht unbedingt besessen. Er hatte immer kluge Männer zur Seite, die dem Militär die Waage zu halten vermochten. Er versammelte sie in Peking als seine Freunde, die von jedem Untergebenenverhältnis dispensiert waren und ihm nur mit ihrem Rat zur Verfügung standen. Unter ihnen ragte an geistiger Bedeutung hervor Hsü Schï Tsch’ang, der den Titel eines Erziehers des Kaisers bekommen hatte und sich von seiner Ruhe in den Tsingtauer Hügeln am Meer wenn auch schweren Herzens löste, um seinem Freunde zu Diensten zu sein.

      Nach dem Tode Yüan Schï K’ais regten sich die antagonistischen Kräfte. Auf dem Präsidentenstuhl saß Li Yüan Hung, ein Mann voll von rechtschaffenen Gesinnungen, der auch das Parlament wieder berief und mit der Ausarbeitung einer ständigen Verfassung betraute. Ministerpräsident war Tuan K’i Jui, der fähigste unter Yüan Schï K’ais früheren Generälen. Er hatte eine Partei oder richtiger einen Klub von Generälen, Staatsmännern und Finanzleuten um sich versammelt. Nach dem Lokal, in dem sie zusammenzukommen pflegten, wurden sie der Anfuklub genannt. Sie bestanden zum großen Teil aus Elementen von der Yangtsegegend. Ihnen gegenüber bildete sich ein anderer Teil der Militärführer als Tschïlipartei aus, die ihr Haupt in den Generälen der Nordarmee Ts’ao K’un und Wu P’e Fu hatten. Ts’ao K’un war an sich ein unbedeutender Mensch, der weiter nichts erstrebte als den Genuss der Annehmlichkeiten, wie sie die Macht verleiht. Aber er war in den Händen ehrgeiziger und gemeiner Menschen. Wu P’e Fu überragte ihn weit an Bildung und persönlichem Kaliber. Wu P’e Fus Grundsatz war die Einigung Chinas durch Blut und Eisen. Er war aber ständig in Not, die zur Unterhaltung seines Heeres nötigen Mittel aufzubringen, da die Familie T’sao K’uns in schamloser Weise die öffentlichen Gelder stahl. Das bildet überhaupt ein charakteristisches Merkmal der Zeit der Diadochenkämpfe in China, dass die meisten von den Leuten, die auf kürzere oder längere Zeit zur Macht kamen, in ganz großzügiger Weise sich aus öffentlichen Mitteln bereicherten. Man hat vielfach in Europa über die Korruption gesprochen, die unter den Beamten während der letzten Zeiten des Kaisertums geherrscht habe, und es lässt sich in der Tat nicht leugnen, dass wenigstens einige – längst nicht die Mehrzahl – der höheren Beamten im Lauf ihres Lebens eine oder mehrere Millionen zusammenbrachten. Aber diese Beträge verschwinden gegenüber den Beträgen, die im modernen China auf die Seite gebracht wurden. Man ging jetzt mit wahrhaft amerikanischer Großzügigkeit vor. Der zehn- und mehrfache Betrag der Summen, die früher in Jahrzehnten aufgesammelt wurden, kam jetzt in Jahren und Monaten zusammen. Der Unterschied zwischen China und Amerika ist nur der, dass der amerikanische Staat so ungeheure Einkünfte hat, dass Skandal auf Skandal folgen kann, ohne dass die Staatskassen sich leeren, während in China das Geld so knapp ist, dass vom Universitätsprofessor bis zum Polizisten die Beamten monate- und jahrelang mit ihren Gehältern im Rückstand bleiben müssen, wenn die Machthaber ihre Beutel füllen.

      Außer diesen Epigonen Yüan Schï K’ais kam noch eine dritte Gruppe in Betracht: Das kleine Häufchen der Kaisertreuen. Unter ihnen war General Tschang Hsün die ausgesprochenste Persönlichkeit. Er war vollkommen ungebildet und eine absolut unkomplizierte Natur. Angeblich soll er vom Rossknecht an allmählich sich emporgearbeitet haben unter persönlicher Förderung der Kaiserin-Witwe. Das vergaß er der Dynastie nicht. Er hatte die Achtung vor dem konservativen konfuzianischen Ideal nicht verloren. Er behielt noch jahrelang seinen Zopf, und auch seine Soldaten gingen noch stolz mit ihren dicken gepflegten Zöpfen umher zu einer Zeit, da in Schanghai und Peking die Zöpfe als reaktionär schon den Leuten auf der Straße von eigens dazu bestellten Polizisten abgeschnitten wurden. Er kannte weder die Gesetze der Taktik noch der Strategie, aber er war ein alter Haudegen und hatte Mut, und wenn es aufs Kämpfen ankam, dann stellte er sich wirklich zum Kampf.

      Ihm СКАЧАТЬ