Die Seele Chinas. Richard Wilhelm
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Название: Die Seele Chinas

Автор: Richard Wilhelm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Kleine historische Reihe

isbn: 9783843800495

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СКАЧАТЬ Ausgang genommen. Um den Verlauf der Dinge zu verstehen, müssen wir uns über das politische Kräfteverhältnis in China klar werden. Seit langer Zeit schon gruppierte sich die chinesische Politik um drei Zentren. Einmal ist von Bedeutung der Norden. Dort liegt Peking am Rand der großen, fruchtbaren, hauptsächlich weizentragenden Ebene, die das Flussgebiet des Gelben Flusses ist. Hier ist der Sitz der ältesten chinesischen Kultur. Ein nüchterner, strenger, starker Geist herrscht hier. Der Konfuzianismus in seiner ernsten Einfachheit gibt dem Ganzen das Gepräge. Dieses Zentrum gewann naturgemäß an Einfluss, seit die Mandschus China beherrschten, da sie ja auch aus dem Norden stammten und in gewissen Zügen eine Verwandtschaft mit diesem Charakter zeigten. Als mächtigster Mann im Norden stand in dieser Zeit Yüan Schï K’ai da. Er hatte in entscheidender Stunde die Kaiserin-Witwe gerettet. Während der Boxerzeit war er allerdings in Schantung neutral geblieben. Aber diese Haltung hatte sich durch die Verhältnisse später gerechtfertigt. So war es denn nur natürlich, dass er in der neuen Ära an Einfluss gewann, wenn auch die Kaiserin-Witwe ihm vielleicht doch nicht ganz traute, worauf manches in den späteren Jahren hinweist. Seine Politik war nach einfachen Gesichtspunkten gestaltet. Für ihn kam in erster Linie die Konzentration einer entsprechenden Macht in Frage. So waren seine Reformen denn hauptsächlich darauf gerichtet, ein gut geschultes, diszipliniertes Heer zur Verfügung zu haben. Um die Mittel hierfür zu schaffen war er bestrebt, Handelsunternehmungen und industrielle Anlagen, Bergbau, Hüttenwesen usw. zu fördern. Man kann wohl sagen, dass er in Nordchina in dieser Hinsicht entschieden Bedeutendes geleistet hat.

      Was das Gebiet der Kultur und Erziehung anlangt, so geschah unter ihm, was vorgesehen war in dem allgemeinen Reformplan, ohne dass er ein besonderes Interesse für diese Dinge an den Tag gelegt hätte. Wodurch Yüan Schï K’ai mächtig war, das waren die Beziehungen, die er überallhin anzuknüpfen wusste. Er hatte durch seine zahlreichen Nachkommen Familienbeziehungen zu fast allen bedeutenden und mächtigen Familien. Auch sonst ging das System seiner Freundschaften sehr weit. Und zwar war es immer das persönliche Interesse, durch das er die Leute an sich zu fesseln verstand. Durch diese gut auserwählte Anhängerschaft war es ihm denn auch stets möglich, seine Ansichten von anderen aussprechen zu lassen und scheinbar widerwillig sich zu dem nötigen zu lassen, was er von Anfang an bezweckte.

      Ein anderes Zentrum des politischen Einflusses lag am Yangtse. Hier saß in Wutsch’ang Tschang Tschïi Tung, der von Kanton aus dorthin versetzt war. In Nanking saß Liu K’un Yi, der sich in entscheidenden Momenten seiner Politik anschloss. Tschang Tschï Tung stammte aus der Nähe von Tientsin, aber in seiner Politik verfolgte er wesentlich andere Linien als der Realpolitiker Yuan Schï K’ai. Sein Hauptinteresse war das konfuzianisch Literarische. Er war keine ganz einheitliche Natur, die bis in die letzten Gründe der Realität hinabreichte. »Tigerkopf und Schlangenschwanz« war eine Bezeichnung, die unter den Gelehrten über ihn im Schwange war. Auch er hat industrielle Unternehmungen großen Stils ins Leben gerufen. Er hat auch eine Mustertruppe ausgebildet. Aber sein Hauptinteresse galt den Fragen der Bildung. Er war überzeugt, dass eine Modernisierung der chinesischen Erziehung notwendig sei. Er ist es schließlich gewesen, der, als er in seinem Alter nach Peking berufen worden war, die Einrichtung der Deutsch-Chinesischen Hochschule mit dem von deutscher Seite abgeordneten Professor O. Franke zustande brachte. Aber diese Reformen waren nur die eine Seite seiner Ziele. Worauf es ihm vor allem anderen ankam, war, dass unter dieser modernen Schale der alte konfuzianische Geist gewahrt werden sollte. So hat er in Wutsch’ang eine große klassische Akademie gegründet, die seine Lieblingseinrichtung war, und von der noch jetzt malerische Ruinen inmitten eines Teichs in Wutsch’ang die Revolution überdauert haben. Freilich, der alte Glanz ist dahin. Die Truppen, die darin nach der Revolution gehaust haben, haben die Spuren ihrer Rücksichtslosigkeit in den einst so schönen und malerischen Gebäuden hinterlassen.

      Tschang Tschï Tung war ein Mann des Kompromisses. Er war freilich von weit stärkerem Kaliber als sein langjähriger Sekretär Ku Hung Ming, den er trotz dessen fanatischer Fremdenfeindlichkeit lange duldete, ohne ihm jedoch Einfluss auf die Geschäfte zu gestatten. Aber weil er nicht ganz tief und original war, ist er schließlich doch gescheitert. Immerhin sind der Klang seines Namens und die Überreste seines Werkes in Wutsch’ang, wo jetzt ein Militärgouverneur herrscht, noch auffallend lebendig.

      Welch seltsames Gemisch von Geschmack in chinesischen Dingen und absoluter Richtungslosigkeit in europäischen Dingen unmittelbar zusammenstehen konnte, davon kann man gerade in Wutsch’ang noch manches Beispiel sehen. Wutsch’ang ist einer der Orte mit großer historischer Vergangenheit. Der Roman von den drei Reichen hat einen seiner Schauplätze in jener Gegend. Dort in der Nähe ist die rote Wand, eine Felswand, die jäh in den Fluss abstürzt und die der Sage nach rot gebrannt wurde von dem Feuer, in dem eine große Flotte eines der streitenden Reiche zugrunde ging, die in der chinesischen Poesie durch die Jahrhunderte hin ihre Schatten wirft. In Wutsch’ang stand auf einer Höhe über dem majestätisch sich ausbreitenden Strom der Turm der gelben Kraniche, ein Gebäude, das die schönste Aussicht stromauf und stromab bot und das selbst als Wahrzeichen der Stadt in seiner architektonischen Schönheit zu den berühmten Orten Chinas gehörte. Wie so manches berühmte Gebäude brannte es vor einigen Jahrzehnten ab. An seiner Stelle wurde nun ein modern europäisches Backsteingebäude im Stil einer Garnisionskirche gebaut, das zum Empfang von fremden Gästen dienen sollte und dessen groteske Hässlichkeit die ganze Gegend verdirbt. Dabei war der Erbauer dieser Scheußlichkeit ein Mann, der ein feines Kunstverständnis besaß in allem, was chinesische Dinge anlangte. Das ist das Entsetzliche an dieser Kulturkombination, dass die europäische Zivilisation immer in ihren hässlichsten und gemeinsten Erscheinungen, billig und schlecht, sich ausbreitet und die einheimische Kultur im Keim vergiftet. Von hier aus kann man die Feindschaft gerade der feinsinnigen und gebildeten Gelehrten, wie der Mitglieder jener Ts’ing Liu Tang, die sich dem Eindringen europäischer Kultur vergeblich entgegengestellt hatten, verstehen.

      Dieses mittelchinesische Zentrum hat übrigens weiter unten am Yangtse, in Nanking, noch eine Stadt, die ebenfalls der Sitz eines Generalgouverneurs war. Nanking, die südliche Hauptstadt, die einst der Sitz der Regierung des großen Ts’in Huang Ti war, umgibt mit seinen Mauern ein ungeheures Areal, in dem Hügel und Flächen sich abwechseln. Aber es ist seit den schrecklichen Zerstörungen, die im Gefolge der Taipingrebellion über die Stadt hereinbrachen, ein verödeter Platz. Eigentlich war ihm schon das Urteil gesprochen, seit Yunglo, der dritte Herrscher der Mingdynastie, aus strategischen Gründen die Hauptstadt nach Norden, Peking, verlegt hatte. Aber zu dem Bezirk von Nanking gehört Schanghai, die Weltstadt, in der Nähe der Yangtsemündung, und diese Stadt gibt der ganzen Gegend ihr Gepräge. Es ist selbstverständlich, dass hier, wo die ungeheuren Aktienunternehmungen wie die Commercial Press, eine Druckerei, die zu den umfangreichsten der ganzen Welt gehört, und alle die vielen teils chinesischen, teils europäischen Handels-, Schifffahrts- und Industrieunternehmungen sich befinden, die ganze Reformfrage ein wesentlich akuteres Aussehen von Anfang an hatte als in den mehr im Innern gelegenen Zentren. Schanghai ist sozusagen das Laboratorium, in dem auf wirtschaftlichem und industriellem Gebiet die Synthesen ausprobiert werden zwischen östlichen und westlichen Kulturformen. Wenn Peking auch stets der intellektuelle Mittelpunkt ist, so ist Schanghai in praktischer Hinsicht dem übrigen China immer um einen Schritt voraus.

      Das dritte Zentrum der Reformbewegung ist Kanton. Die Südprovinzen liegen von den alten Mittelpunkten chinesischer Kultur abseits. Sie sind erst verhältnismäßig spät in den Umkreis des chinesischen Geistes einbezogen worden. Auch rassenmäßig findet sich ein gewisser Unterschied. Obwohl die meisten der Familiennamen auf chinesischen Ursprung hinweisen und auch der Dialekt eine sogar ursprünglichere, weniger abgeschliffene Form des chinesischen Sprachstammes darstellt, so sind die Menschen doch viel südlicher, heißblütiger, radikaler, abergläubischer als im Norden. Es ist daher kein Zufall, dass der chinesische Kulturzusammenhang sich hier am lockersten erweist und gerade von hier aus der Hauptstrom der Auswanderer nach dem Süden und Osten sich ergießt, der die Inselwelt Südasiens mehr und mehr unter wirtschaftliche Kontrolle bringt, ganz einerlei, wer die politischen Herrscher sind. In Niederländisch-Indien, ebenso wie in den englischen Straits-Settlements, dehnt sich der Einfluss der chinesischen Ansiedler auf wirtschaftlichem Gebiet immer mehr aus, und seit nun in Schanghai eine große Unterrichtsanstalt für Auslandschinesen СКАЧАТЬ