Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich C. Glauser страница 47

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich C. Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962816315

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СКАЧАТЬ vor das Steu­er­rad, wink­te Stu­der. Der Wacht­meis­ter stieg ein. Er schüt­tel­te dem Arz­te zum Ab­schied die Hand, dann schlug er selbst den Schlag zu.

      Es war we­nig Platz vor­han­den, denn bei­de wa­ren sie nicht ge­ra­de ma­ger. Äsch­ba­cher drück­te auf den An­las­ser. Stu­der starr­te auf die Ta­sche, die am Wa­gen­schlag an­ge­bracht war.

      Äsch­ba­cher schwieg. Das Auto kehr­te, fuhr ins Dorf zu­rück, fuhr vor­bei an den vie­len, vie­len La­den­schil­dern. Ger­zen­stein, das Dorf der Lä­den und Laut­spre­cher! – Wann hat­te Stu­der das Dorf so ge­nannt? War das lan­ge her? Am Sams­tag. Und heu­te war Diens­tag. Zwei Tage nur la­gen da­zwi­schen!

      Die Laut­spre­cher wa­ren nicht zu hö­ren. Ent­we­der war es noch zu früh, oder der Lärm des Au­tos über­tön­te ihre Mu­sik, ihre Re­den.

      Das Dorf Ger­zen­stein! Ein Dorf? Wo wa­ren die Bau­ern in die­sem Dor­fe? Man sah nichts von ih­nen. Sie wohn­ten wohl hin­ter der Fassa­de der Lä­den, ir­gend­wo, in den Hin­ter­grün­den.

      Äsch­ba­cher schnauf­te. Den Mann muss­te viel be­drücken.

      Und wäh­rend der Wa­gen in die Bahn­hof­stra­ße ein­bog, auf dem klei­nen Stück We­ges, der von der Haupt­stra­ße bis zur Dru­cke­rei des ›Ger­zen­stei­ner An­zei­ger­s‹ führ­te, er­leb­te Stu­der noch ein­mal den gest­ri­gen Abend.

      Der Cot­te­reau, der sich end­lich ent­schlos­sen hat­te zu spre­chen. Der Cot­te­reau, der ge­se­hen hat­te, wie Äsch­ba­cher den Brow­ning in eine je­ner Ta­schen ver­sorgt hat­te, die an den Tü­ren der Au­tos an­ge­bracht sind. Cot­te­reau er­in­ner­te sich gut. Er war an je­nem Abend spa­zie­ren­ge­gan­gen, an je­nem Diens­tag­abend. Üb­ri­gens hat­te er alle Per­so­nen des Dra­mas ge­se­hen, den Leh­rer Schwomm, der mit ei­ner Schü­le­rin aus der drit­ten Se­kun­dar­schul­klas­se spa­zie­ren­ge­gan­gen war (dar­um das ver­däch­ti­ge Schwei­gen des Leh­rers!), den Wen­de­lin Wit­schi, der von sei­nem ›Zehn­der­li‹ ab­ge­stie­gen und im Wald ver­schwun­den war, er hat­te Äsch­ba­chers Auto wie­der­er­kannt, er hat­te den Ge­mein­de­prä­si­den­ten ge­se­hen, wie er Wit­schi ge­folgt war…

      »Ich glau­be, wir ge­hen zu mir in die Woh­nung«, sag­te Äsch­ba­cher. Das Auto stand still vor ei­nem ei­ser­nen Tor, des­sen Spit­zen ver­gol­det wa­ren. Da war die Bo­gen­lam­pe mit den stei­fen, ro­ten Blu­men um ih­ren So­ckel, dort war der Bahn­hof mit dem Kiosk, in dem sonst Ana­sta­sia Wit­schi Ro­ma­ne las, wäh­rend sie auf Kun­den war­te­te. Frau Ana­sta­sia Wit­schi, die mit dem Ge­mein­de­prä­si­den­ten ver­wandt war…

      Und als sie da­mals er­fah­ren hat­te, dass ihr Mann tot war, was hat­te sie da ge­sagt?

      »Zwei­und­zwan­zig Jah­re!«

      Und war im Zim­mer hin und her­ge­lau­fen.

      »Wie Ihr wollt«, sag­te Stu­der auf die Fra­ge Äsch­ba­chers, die ei­gent­lich gar kei­ne Fra­ge, son­dern eine Auf­for­de­rung ge­we­sen war. Der Wacht­meis­ter be­trach­te­te den di­cken Mann un­auf­fäl­lig von der Sei­te.

      Bü­ros. Mäd­chen sa­ßen vor Schreib­ma­schi­nen und be­gan­nen wie wild auf die Tas­ten los­zu­häm­mern, als Äsch­ba­cher in der Tür auf­tauch­te.

      »Gu­ten Tag, Herr Di­rek­tor, grüß-ech, Herr Ge­mein­de­prä­si­dent…«

      Ein al­ter Mann, fast ein Zwerg, trat Äsch­ba­cher in den Weg. Er hielt Druck­bo­gen in der Hand. Der Zei­ge­fin­ger, mit dem er den Li­ni­en des Ge­druck­ten folg­te, wäh­rend er eif­rig auf Äsch­ba­cher ein­sprach, hat­te eine ver­krüp­pel­te Spit­ze. Stu­der sah dies al­les über­deut­lich. Da­bei fühl­te er sich recht elend. Es war ihm, als be­stün­den sei­ne Bei­ne aus zu­sam­men­ge­näh­ten Fla­nel­lap­pen, und als sei­en sie mit Sä­ge­spä­nen ge­füllt.

      Auf die weit­schwei­fi­gen Be­mer­kun­gen des wei­ßen Zwer­ges ant­wor­te­te Äsch­ba­cher nur zer­streut. Er dräng­te vor­wärts, wei­ter, wei­ter. Den Hut hat­te er ab­ge­nom­men, die brau­ne Lo­cke kleb­te noch im­mer auf sei­ner Stirn.

      Eine klei­ne Türe. Das Stie­gen­haus. Im ers­ten Stock die Woh­nungs­tür. Ne­ben der Tür ein Mes­sing­schild, dar­auf in schwar­zen Buch­sta­ben: Äsch­ba­cher. Kein Vor­na­me, kein Ti­tel, nichts. Es pass­te zu dem Man­ne.

      »Tre­tet ein, Wacht­meis­ter«, sag­te der Ge­mein­de­prä­si­dent. War nicht ein ganz leich­ter Sprung in Äsch­ba­chers Stim­me? Sie klang zwar noch im­mer wie die Stim­me des An­sa­gers vom Ra­dio Bern, aber et­was hat­te sich an ihr ge­än­dert. Oder, dach­te Stu­der, bin ich auf ein­mal hell­hö­rig ge­wor­den? Das Fie­ber? –

      Er stand im Gang der Woh­nung. Die Kü­chen­tü­re stand of­fen. Es roch nach Su­urcha­bis und Speck. Stu­der wur­de es übel. Er hat­te seit ges­tern Mit­tag kei­nen Bis­sen ge­ges­sen. Sein Ma­gen hat­te Ge­ne­ral­streik pro­kla­miert. Muss­te man noch lan­ge in die­sem Gang ste­hen?

      Aus der Kü­che trat eine Frau. Sie war klein und ma­ger und ihre Haa­re wa­ren weiß wie Flie­der. Ja, wie Flie­der. Sie hat­te graue Au­gen, die sehr still blick­ten. Es war wohl nicht im­mer ein­fach die Frau des Ge­mein­de­prä­si­den­ten Äsch­ba­cher zu sein.

      »Mei­ne Frau«, sag­te Äsch­ba­cher. Und: »Wacht­meis­ter Stu­der.«

      Ein leich­tes Er­stau­nen in den grau­en Au­gen. Dann wech­sel­te der Aus­druck, wur­de ängst­lich.

      »Es ist doch nichts Bö­ses pas­siert?« frag­te sie lei­se.

      »Nein, nein«, sag­te Äsch­ba­cher be­ru­hi­gend. Da­bei leg­te er sei­ne große di­cke Hand auf die schma­le Schul­ter sei­ner Frau, und die Be­we­gung war so zart, dass es Stu­der plötz­lich vor­kam, als ken­ne er jetzt den Ge­mein­de­prä­si­den­ten viel bes­ser als frü­her. Es war im Le­ben eben im­mer ganz an­ders, als man mein­te. Ein Mensch war nicht nur ein bru­ta­ler Kerl, er konn­te schein­bar auch an­der­s…

      Ein großes Zim­mer, wahr­schein­lich als Rauch­sa­lon ge­dacht. Ein paar Bil­der an der Wand, Stu­der kann­te sich in der Ma­le­rei nicht aus, aber die Bil­der schie­nen ihm schön. Gro­ße Re­pro­duk­tio­nen, far­big, Son­nen­blu­men, eine süd­fran­zö­si­sche Land­schaft, ein paar Ra­die­run­gen. Die Ta­pe­te war grau, auf dem Bo­den lag ein wei­ßer Tep­pich, der mit ei­nem schwarz­ro­ten Mus­ter durch­setzt war.

      »Mei­ne Frau hat das ein­ge­rich­tet«, sag­te Äsch­ba­cher. »Sit­zet ab, Wacht­meis­ter. Was trin­ket Ihr?«

      »Was Ihr wollt«, ant­wor­te­te Stu­der, »nur nicht Him­beer­si­rup oder Bier.«

      »Ko­gnak? Ja? Ihr seht nicht gut aus, Wacht­meis­ter. Wo fehl­t’s? Sollt Euch mei­ne Frau einen Grog ma­chen? Ich glaub Ihr trinkt Grog ger­ne?«

      Eine un­an­ge­neh­me Si­tua­ti­on. Wa­rum war die­ser Äsch­ba­cher СКАЧАТЬ