Название: Wachtmeister Studer
Автор: Friedrich C. Glauser
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816315
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Es war wenig Platz vorhanden, denn beide waren sie nicht gerade mager. Äschbacher drückte auf den Anlasser. Studer starrte auf die Tasche, die am Wagenschlag angebracht war.
Äschbacher schwieg. Das Auto kehrte, fuhr ins Dorf zurück, fuhr vorbei an den vielen, vielen Ladenschildern. Gerzenstein, das Dorf der Läden und Lautsprecher! – Wann hatte Studer das Dorf so genannt? War das lange her? Am Samstag. Und heute war Dienstag. Zwei Tage nur lagen dazwischen!
Die Lautsprecher waren nicht zu hören. Entweder war es noch zu früh, oder der Lärm des Autos übertönte ihre Musik, ihre Reden.
Das Dorf Gerzenstein! Ein Dorf? Wo waren die Bauern in diesem Dorfe? Man sah nichts von ihnen. Sie wohnten wohl hinter der Fassade der Läden, irgendwo, in den Hintergründen.
Äschbacher schnaufte. Den Mann musste viel bedrücken.
Und während der Wagen in die Bahnhofstraße einbog, auf dem kleinen Stück Weges, der von der Hauptstraße bis zur Druckerei des ›Gerzensteiner Anzeigers‹ führte, erlebte Studer noch einmal den gestrigen Abend.
Der Cottereau, der sich endlich entschlossen hatte zu sprechen. Der Cottereau, der gesehen hatte, wie Äschbacher den Browning in eine jener Taschen versorgt hatte, die an den Türen der Autos angebracht sind. Cottereau erinnerte sich gut. Er war an jenem Abend spazierengegangen, an jenem Dienstagabend. Übrigens hatte er alle Personen des Dramas gesehen, den Lehrer Schwomm, der mit einer Schülerin aus der dritten Sekundarschulklasse spazierengegangen war (darum das verdächtige Schweigen des Lehrers!), den Wendelin Witschi, der von seinem ›Zehnderli‹ abgestiegen und im Wald verschwunden war, er hatte Äschbachers Auto wiedererkannt, er hatte den Gemeindepräsidenten gesehen, wie er Witschi gefolgt war…
»Ich glaube, wir gehen zu mir in die Wohnung«, sagte Äschbacher. Das Auto stand still vor einem eisernen Tor, dessen Spitzen vergoldet waren. Da war die Bogenlampe mit den steifen, roten Blumen um ihren Sockel, dort war der Bahnhof mit dem Kiosk, in dem sonst Anastasia Witschi Romane las, während sie auf Kunden wartete. Frau Anastasia Witschi, die mit dem Gemeindepräsidenten verwandt war…
Und als sie damals erfahren hatte, dass ihr Mann tot war, was hatte sie da gesagt?
»Zweiundzwanzig Jahre!«
Und war im Zimmer hin und hergelaufen.
»Wie Ihr wollt«, sagte Studer auf die Frage Äschbachers, die eigentlich gar keine Frage, sondern eine Aufforderung gewesen war. Der Wachtmeister betrachtete den dicken Mann unauffällig von der Seite.
Büros. Mädchen saßen vor Schreibmaschinen und begannen wie wild auf die Tasten loszuhämmern, als Äschbacher in der Tür auftauchte.
»Guten Tag, Herr Direktor, grüß-ech, Herr Gemeindepräsident…«
Ein alter Mann, fast ein Zwerg, trat Äschbacher in den Weg. Er hielt Druckbogen in der Hand. Der Zeigefinger, mit dem er den Linien des Gedruckten folgte, während er eifrig auf Äschbacher einsprach, hatte eine verkrüppelte Spitze. Studer sah dies alles überdeutlich. Dabei fühlte er sich recht elend. Es war ihm, als bestünden seine Beine aus zusammengenähten Flanellappen, und als seien sie mit Sägespänen gefüllt.
Auf die weitschweifigen Bemerkungen des weißen Zwerges antwortete Äschbacher nur zerstreut. Er drängte vorwärts, weiter, weiter. Den Hut hatte er abgenommen, die braune Locke klebte noch immer auf seiner Stirn.
Eine kleine Türe. Das Stiegenhaus. Im ersten Stock die Wohnungstür. Neben der Tür ein Messingschild, darauf in schwarzen Buchstaben: Äschbacher. Kein Vorname, kein Titel, nichts. Es passte zu dem Manne.
»Tretet ein, Wachtmeister«, sagte der Gemeindepräsident. War nicht ein ganz leichter Sprung in Äschbachers Stimme? Sie klang zwar noch immer wie die Stimme des Ansagers vom Radio Bern, aber etwas hatte sich an ihr geändert. Oder, dachte Studer, bin ich auf einmal hellhörig geworden? Das Fieber? –
Er stand im Gang der Wohnung. Die Küchentüre stand offen. Es roch nach Suurchabis und Speck. Studer wurde es übel. Er hatte seit gestern Mittag keinen Bissen gegessen. Sein Magen hatte Generalstreik proklamiert. Musste man noch lange in diesem Gang stehen?
Aus der Küche trat eine Frau. Sie war klein und mager und ihre Haare waren weiß wie Flieder. Ja, wie Flieder. Sie hatte graue Augen, die sehr still blickten. Es war wohl nicht immer einfach die Frau des Gemeindepräsidenten Äschbacher zu sein.
»Meine Frau«, sagte Äschbacher. Und: »Wachtmeister Studer.«
Ein leichtes Erstaunen in den grauen Augen. Dann wechselte der Ausdruck, wurde ängstlich.
»Es ist doch nichts Böses passiert?« fragte sie leise.
»Nein, nein«, sagte Äschbacher beruhigend. Dabei legte er seine große dicke Hand auf die schmale Schulter seiner Frau, und die Bewegung war so zart, dass es Studer plötzlich vorkam, als kenne er jetzt den Gemeindepräsidenten viel besser als früher. Es war im Leben eben immer ganz anders, als man meinte. Ein Mensch war nicht nur ein brutaler Kerl, er konnte scheinbar auch anders…
Ein großes Zimmer, wahrscheinlich als Rauchsalon gedacht. Ein paar Bilder an der Wand, Studer kannte sich in der Malerei nicht aus, aber die Bilder schienen ihm schön. Große Reproduktionen, farbig, Sonnenblumen, eine südfranzösische Landschaft, ein paar Radierungen. Die Tapete war grau, auf dem Boden lag ein weißer Teppich, der mit einem schwarzroten Muster durchsetzt war.
»Meine Frau hat das eingerichtet«, sagte Äschbacher. »Sitzet ab, Wachtmeister. Was trinket Ihr?«
»Was Ihr wollt«, antwortete Studer, »nur nicht Himbeersirup oder Bier.«
»Kognak? Ja? Ihr seht nicht gut aus, Wachtmeister. Wo fehlt’s? Sollt Euch meine Frau einen Grog machen? Ich glaub Ihr trinkt Grog gerne?«
Eine unangenehme Situation. Warum war dieser Äschbacher СКАЧАТЬ