Название: Wachtmeister Studer
Автор: Friedrich C. Glauser
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962816315
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Und Äschbacher klopfte Studer aufs Knie. Studer wollte sich die Familiaritäten verbitten, er sah auf – da traf ihn ein Blick des Gemeindepräsidenten. Eine Bitte lag darin.
Studer verstand. Äschbacher wusste. Er bat für seine Frau. »Gut, meinetwegen«, dachte Studer. Und er lachte.
»Also, auf Wiedersehen, Herr Wachtmeister!« sagte Frau Äschbacher. Sie hielt die Klinke in der Hand und lächelte. Es war ein mühsames Lächeln. Und Studer verstand plötzlich, dass die beiden da versuchten, sich Theater vorzuspielen. Beide wussten, was los war, aber sie wollten es einander nicht merken lassen.
Eine merkwürdige Ehe, die Ehe des Gemeindepräsidenten Äschbacher…
Die Türe wurde leise geschlossen. Die beiden Männer blieben allein.
Äschbacher tat Zucker auf den Boden des einen Glases, füllte es zur Hälfte mit heißem Wasser, rührte um, dann goss er aus jeder der drei Flaschen ein ordentliches Quantum nach: Kognak, Gin, Whisky. Studer sah ihm mit weitaufgesperrten Augen zu.
Und als Äschbacher ihm das Glas präsentierte, fragte er, ein wenig ängstlich:
»Ist das für mich?«
»Ausgezeichnet, Wachtmeister«, pries der Präsident seine Mischung, »wenn ich erkältet bin, nehm’ ich nichts anderes. Und wenn Ihr es nicht vertragen mögt, so macht Euch meine Frau später einen Kaffee.«
»Auf Eure Verantwortung«, sagte Studer und trank das Glas in einem Zug leer. Dunkel fühlte er, die Sache hier konnte man nüchtern zu keinem guten Ende bringen. »Aber Ihr müsst mir’s nachmachen.«
»Sowieso«, sagte Äschbacher und stellte dasselbe Gemisch noch einmal her.
Eine sanfte Wärme kroch über Studers Körper. Langsam, ganz langsam hob sich der dunkle Vorhang. Es war vielleicht alles gar nicht so schrecklich, gar nicht so kompliziert, wie er es sich vorgestellt hatte. Äschbacher sank in einen tiefen Lehnstuhl, nahm einen Stumpen, zündete ihn an, leerte sein Glas, sagte »Ah«, schwieg einen Augenblick und fragte dann mit ganz unbeteiligter Stimme:
»Habt Ihr gestern Abend in meiner Garage gefunden, was Ihr gesucht habt?«
Studer nahm einen Zug aus seinem Stumpen (er schmeckte plötzlich viel besser) und antwortete ruhig:
»Ja.«
»Was habt Ihr denn gefunden?«
»Staub.«
»Sonst nichts?«
»Das hat genügt.«
Pause. Äschbacher schien nachzudenken. Dann sagte er:
»Staub? In der Landkartentasche?«
»Ja.«
»Schade… Ihr hättet mein Angebot am Sonntag annehmen sollen. Und wenn Ihr wollt, leg ich noch etwas drauf, aus der eigenen Tasche. Sehr gescheit gewesen, in der Tasche nachzugrübeln. Es wär keiner auf den Gedanken gekommen.«
»Angebot?« fragte Studer. »Was meint Ihr eigentlich damit, Äschbacher?«
Dem anderen gab es einen Ruck. Die Anrede ›Äschbacher‹ wahrscheinlich. Nicht mehr ›Herr Gemeindepräsident‹, sondern ›Äschbacher‹… Wie man ›Schlumpf‹ sagt.
»Die Stelle bei meinem Bekannten, mein ich, Studer.«
»Ah, ja, ich besinn mich… Interessiert mich nicht, Äschbacher, aber auch gar nicht. Und das Geld? Ihr habt mir Geld angeboten? Ich hab mir sagen lassen, Ihr steht vor dem Konkurs.«
»Haha«, lachte Äschbacher; es klang wie ein Theaterlachen. »Das hab ich nur so erzählt, damit mich der Witschi in Ruhe lässt. Ich hab ihm doch nicht all mein Geld in den Rachen schmeißen wollen, nur weil ich zufällig mit seiner Frau verwandt bin…«
»So? Ihr habt dem Witschi Geld gegeben?«
»Wachtmeister«, sagte Äschbacher ärgerlich. »Wir sind hier nicht am ›zugeren‹. Wir wollen mit offenen Karten spielen. Wenn Ihr etwas wissen wollt, so fragt, ich will Euch Antwort geben. Mir ist das Ganze schon lang verleidet…«
»Gut«, sagte Studer. Und: »Wie Ihr wollt.«
Er lehnte sich zurück, kreuzte die Beine und wartete.
Und während des langen Schweigens, das nun über dem Raum lag, dachte er an viele Dinge. Aber sie wollten sich nicht ordnen: Gut, der Schuldige war gefunden; aber was nützte das? Niemals würde der Untersuchungsrichter sich dazu hergeben, den Äschbacher zu verhören. Kein Staatsanwalt würde gegen den Gemeindepräsidenten eine Anklage erheben. Erst wenn die Beweise so überzeugend waren, dass es wirklich nichts anderes gab. Äschbacher musste eine große Rolle gespielt haben, früher einmal. Das ergab sich aus allen Erkundigungen, die Studer gestern Nachmittag in Bern eingezogen hatte. Man konnte Skandale nicht brauchen. Und was hatte Studer für Beweise? Die Aussage des Cottereau? Mein Gott! Cottereau würde nie wagen, sie aufrechtzuerhalten. Die mikroskopische Untersuchung des Staubes? Für ihn genügte es als Beweis. Für ein Schwurgericht, ein Schwurgericht, an dem die Geschworenen Bauern waren? Auslachen würde man ihn! Schon der Untersuchungsrichter würde ihn auslachen.
Blieb noch übrig, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Witschi hatte Selbstmord begangen, das würde zu beweisen sein, leicht zu beweisen sein, der Untersuchungsrichter war überzeugt, Schlumpf kam frei – die Familie Witschi würde ihr Haus verkaufen müssen, die alte Frau würde weiter im Kiosk sitzen und Romane lesen, der Armin würde die Saaltochter heiraten und eine Wirtschaft kaufen, und Sonja? Sonja würde den Schlumpf heiraten, der Erwin würde mit der Zeit Obergärtner werden, und Äschbacher? Mein Gott, er würde sicher nicht der einzige Mörder sein, der straflos in der Welt umherlaufen würde.
»Ihr habt ganz recht, Wachtmeister«, tönte Äschbachers Stimme in die Stille. »Es СКАЧАТЬ