Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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»Zum mindesten nicht an Courage,« erwiderte der Kriegsmann und wandte den Kopf, um den Frager zu sehen. Fabian erschrak, als er in das bleiche Gesicht blickte und den Hauptmann Renold erkannte. »Du hier?« rief er voller Bestürzung und Zorn, setzte aber, indem er auf die blutige Brust des schönen Mannes die Augen warf, mitleidig hinzu: »Es scheint, um Dich stehts übel.«
Gideon aber verzog den Mund mit höhnischem Stolz und sagte: »Nicht wahr, ein gefundenes Fressen für Deines Gleichen! Kannst Rache üben, ohne Widerstand zu fürchten. Jetzt sind wir quitt. Machs ohne lange Umstände mit mir ab.«
»Zeige mir Deine Wunden,« versetzte Fabian, ohne auf ihn zu hören, netzte einen Schwamm im Wasser des Weihers, kniete wieder bei ihm nieder und rollte das wundärztliche Besteck aus einander.
»Kommst zu spät, Herr Medikus,« rief Gideon. »Habe die Pillen schon aus Büchsenschmieds Apotheke empfangen, und sie purgieren mir die Seele richtig zum Leibe hinaus. So will ich als tapferer Soldat auf dem Felde der Ehren dieser Welt Ade sagen; krepieret Ihr unterdessen am Schnellgalgen!«
»Ich hoffe, Renold, Du bist noch zu retten,« sagte Fabian. »Lasse Dich untersuchen!«
»Mit Gunst, bleibe mir vom Halse,« erwiderte der Verwundete. »Ich begehre keine Untersuchung: zwei Kugeln fuhren mir in den Leib, und zweifelsohne hinten wieder heraus. denn ich stand den welschen Teufeln nahe genug vor der Mündung. Unsere Sache ist fehlgeschlagen; sie hätte einen glorreicheren Ausgang verdient. Aber der Feind hatte uns mit listigen Händeln und Anschlägen schon bei Mellingen ruiniert. Heute, während der Bataille, schlug sich unsere Mannschaft heldenmütig. Der Feind, welcher eine wohl ausgerüstete Reiterei, Fußvolk und Artillerie gegen uns ins Feld stellte, hätte noch lange nicht Viktoria schießen können, doch uns fehlte die Grundlage aller sicheren Kriegsoperationen: verständige Kriegsräte und streng aufrecht gehaltene Disziplin.«
Fabian, der unterdessen Gideons Wams geöffnet und mit dem Schwamm das Blut von dessen Brust gewaschen hatte, sagte: »Spare Deine Worte für nötigere Dinge, denn Du hast nicht viele Atemzüge mehr zu verschwenden.«
»Danke der Glücksgöttin dafür, Du schelmischer Abenteurer,« sagte Gideon mit matter Stimme, während ihm Fabian zwei Schußwunden in der Brust mit Leinwand und Pflaster bedeckte, um das hervorquellende Blut zurückzuhalten. Der Soldat schien nichts davon zu empfinden, denn ohne auf Fabians Beschäftigung zu achten, fuhr er fort: »Beim ersten Begegnen hätte ich Dich niedergesäbelt und in Gegenwart Deiner Dirne umgebracht.«
»Schweige mit Deinen Prahlereien, Renold,« rief Fabian. »Dein letztes Stündlein hat geschlagen. Der Tod steht vor Dir. Fürchte die Ewigkeit!«
»Was fürchten, was?« entgegnete Gideon. »Ich habe andere Majestäten gesehen. Ich sterbe ehrenvoll, wie ich es jederzeit gewünscht habe. Unterfange Dich nicht, die Verleumdung auszustreuen, daß ich nicht bis an mein Ende ein herzhafter Kriegsmann geblieben sei.«
»Renold, Du stehst bald vor dem Richterstuhl des Allwissenden, bekenne die Wahrheit, erfülle meine letzte Bitte. sage mir noch . . .«
Gideon unterbrach ihn und sagte: »Belästige mich nicht. So schwindet der Ruhm . . . Alles vorbei.«
»Bekenne, Du hast Epiphania aus dem Moose entführt; bekenne, wohin Du die Unglückliche geschleppt hast . . .«
»Wäre das Vöglein nicht ausgeflogen gewesen, ich hätte es, Dir zum Possen und Ärger, in den Sack gesteckt. Aber das Nest war leer.«
»Epiphania ist verschwunden,« rief Fabian mit wachsender Angst, denn er bemerkte Renolds zunehmende Schwäche und fürchtete dessen ewiges Verstummen, ehe das Geheimnis von Epiphanias Lose enthüllt wäre. »Ich beschwöre Dich, rede! Läugne nicht! Versöhne Dich mit Gott und den Menschen durch das Geständnis der Wahrheit. Welches ist der Aufenthalt des unglücklichen Wesens?«
Renold schloß die Augen und versetzte mit leiser Stimme. »Das Weibsbild ist . . . ich weiß es nicht . . .«
»Nenne, Gideon Renold, nenne mir den Ort, um Gottes willen, nenne ihn!«
»Ich weiß es nicht,« antwortete Jener leise stöhnend, während sich die Züge seines bleichen Gesichtes plötzlich entstellten und nach einigen Zuckungen in die kalte Ruhe des Todes zusammensanken.
Fabian wiederholte sein verzweifeltes Rufen; Gideon antwortete nicht mehr. Da trat der Frager schauernd vor der schweigenden Leiche zurück. Er betrachtete sie lange mit den Empfindungen des Entsetzens, des Unwillens und Mitleids. Wie er in düsterer Überlegung dastand mit gefalteten, vor sich hingestreckten Händen, auf die Brust gesenkten Hauptes, die Blicke unter finster zusammengezogenen Augenbrauen auf das noch im Tode schöne Antlitz des Soldaten geheftet, rauschten Schritte hinter ihm durchs Buschwerk. Fabian wandte das Gesicht zurück und erblickte mit froher Verwunderung den lange vermißten Addrich. Er ging ihm entgegen.
»Ich hörte Deine Stimme schon in der Ferne, Fabian,« sagte der Alte. »Mit wem sprachest Du?«
»Gott Lob!« rief der Jüngling, »daß uns der Himmel wieder zusammenführt. Ich suchte Dich lange mit vergeblicher Mühe und hielt Dich für gefangen oder getötet.«
»Leere Sorge!« versetzte Addrich. »Der Tod verlangt mich nicht, und das Leben will mich nicht. So muß ich wie der ewige Jude über die Erde wandern. Mir sind die Kugeln ausgewichen; ich wich nur den Klauen der Berner und ihrer Henkersknechte aus. Gut, daß Du lebst; mit wem sprachst Du?« Addrich trat langsam hinzu, blieb in stummer Beschauung stehen, und kein Zug seines Gesichtes veränderte sich. Zuweilen brummte er ein: Hm! Hm! in sich hinein, wie wenn ihm etwas Unerwartetes eine letzte Verwunderung verursache. Nach einiger Zeit murmelte er, halblaut singend:
Vom rosenfarb'nen Munde
Erlischt die Lebensglut;
Die Jünglings-Purpurwunde
Betaut das Gras mit Blut.
Zu spät eilt deine Hülfe,
Er fühlt nun keine Pein;
Er schläft auf dürrem Schilfe;
Sein Kissen ist der Stein.
Fabian erschrak und fürchtete für den Verstand des Alten. »Auf, auf! Laß uns von hinnen eilen, Addrich,« rief er, »denn für uns ist keine Sicherheit in der Nähe des Schlachtfeldes!«
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Rettung.