Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ etwas besseres, als wofür Du lebst.«

      »Nun ja,« stimmte Wirri verlegen ein, »es giebt mancher mehr für Karrenschmiere aus, als er mit der Karre verdient.«

      »Ich rede von der Freiheit des Landes,« sagte Addrich.

      »Richtig, ach die liebe Freiheit. Man kauft sie allezeit teuer ein, aber verkauft sie um einen Pfifferling wieder. Glaubt mir's, der Welsche versingt sie, der Deutsche vertrinkt sie, der Franzose vertanzt sie, der Holländer verschachert, der Spanier verbetet, der Schweizer verschläft sie. Kann der Bauer nicht Landvogt werden, muß er seinen Käse selbst von der Alp tragen.«

      »Ich merke,« sagte Addrich, »Du bist Einer, der mit allen Winden segeln will.«

      Fabian, der die Unterhaltung auf andere Dinge zu lenken wünschte, fiel hier mit der Frage ein: »Wohin geht die Reise so früh, Meister?«

      »Ich komme von Olten und ziehe nach Basel. Man muß viel für den lieben Gott und für's liebe Brot thun. Der wohlehrwürdige Herr Dechant hat einmal sein Vertrauen zu mir, drum muß ich und kein anderer seinen Brief nach Basel tragen, an den . . . an den Dan . . . Din . . . Don . . . Dar . . . Ihr kennet ihn ja. Ich bringe leichter zehn Ketten in den Hals als den verwünschten Namen heraus.« Er griff in's Wamms und zog einen Brief hervor, um die Aufschrift zu lesen.

      Fabian, der auch den Herrn von Groenkerkenbosch wegen Epiphania in Verdacht hatte, stutzte, als er vom Briefwechsel des Dekans mit jenem Manne hörte, und der Gedanke stieg in ihm auf, er könnte hier Licht für seine Finsternis finden.

      »An Don Nardo?« rief der Jüngling auffahrend und riß den Brief ungestüm aus der Hand des Spielmannes.

      »Richtig!« antwortete der Meister Wirri und setzte hinzu, indem er mit schalkhaft drohender Miene auf Addrich deutete: »Gebt das Schreiben nicht weiter. Da steht ein Männchen, das mir schon einmal den Botenlohn verdarb und einen Brief öffnete, der nicht für ihn geschrieben war.«

      »Das kann ich selbst, und werde es beim Dekan Nüsperli verantworten,« sagte Fabian, riß das Siegel auf und durchflog, mit glühenden Augen, hastig die Zeilen.

      Meister Wirri stand verduzt mit offenem Munde da, und als er die Sprache wieder gewonnen hatte, stammelte er halb scheu, halb zornig: »Plagt Euch denn . . . Gott sei mir gnädig . . . da muß Einem der Topf ohne Feuer überlaufen; anderer Orten nennt man das Straßenraub. Spornstreichs kehre ich um und klage es dem Herrn Dechanten. Er wird Euch Späne unter den Speck hacken. Geduld!«

      »Schweig!« rief Addrich und hob die geballte Faust drohend empor.

      Meister Wirri duckte sich und nahm hastig den Rückzug nach Olten, indem er rief: »Zwischen Fuchs und Wolf ist böse spazieren gehen. Behüte Euch Gott. Es giebt noch Obrigkeit, die Gewalt über Euch hat. Den Streich schreibe ich Euch nicht mit Kohlen in den Kamin.«

      Während er sich brummend entfernte, doch immer zurückkehrte, und ebenso oft den Rückzug antrat, als er Addrichs Bewegung gegen sich erneuern sah, las Fabian den Brief. Er war in lateinischer Sprache geschrieben und dem Jüngling der Inhalt dunkel. Folgendes ungefähr sagten die Worte des Dekans an Don Nardo:

      »Ach, daß wir Wasser genug hätten in unserm Haupt, und unsere Augen Thränenquellen wären, daß wir Tag und Nacht weinen möchten! (Jer. 9) Dir wäre besser gewesen, Du wärest von der Höhe des Felsens gestürzt, oder mit einem Mühlstein am Hals in die Tiefe des Meeres gefallen, daß Du nur das zeitliche, nicht das ewige Leben verloren hättest. Addrich hat, wie Dathan und Abiram, schwer gesündigt, als er von der durch Gott eingesetzten Obrigkeit abfiel. Aber seine Schuld ist federleicht, neben Deinem Hochverrat an Jesu Christo, denn Du hast in Deiner Apostasie eine Sünde gegen den heiligen Geist gethan, die nie vergeben wird. Ich darf nicht mehr der Freund dessen sein, der Gottes Feind geworden ist; mein Haus hat für Dich nur verschlossene Pforten. Darum, bist Du in Basel: so bleibe; trifft Dich dies Blatt schon auf der Straße nach Aarau: so kehre um und sei gewarnt! Denn den Jüngling, den Du suchst, findest Du nicht. Wir wissen nichts von ihm. Wehe, daß Dich der böse Geist blendete und Du in die Fallstricke der spanischen Katholiken fielest! Hätten die Wilden der philippinischen Inseln Dir den Todesstreich versetzt, statt Dein Antlitz mit einer Narbe zu entstellen, Du würdest minder zu beklagen sein, denn Deine arme Seele wäre gerettet worden, aber alle Tonnen Goldes, die Du von Deinem reichen Weibe dort ererbt hast, weil Du dessen Leben von den Barbaren befreitest, sind kein Lösegeld aus der Verdammnis. Und hättest Du ganz Ostindien, ja die ganze Welt gewonnen, was hülfe es Dir, nun Du Schaden an Deiner Seele genommen? Ich unwürdiger Diener des göttlichen Wortes beschwöre Dich bei den blutigen Wunden meines lieben Herrn und Heilandes, kehre zurück zur wahren, evangelischen Kirche, in der Du geboren und erzogen worden bist, und verführe nicht das Mägdlein zur verfluchten Abtrünnigkeit. Ich werde dieses Kindes Seele vor dem Thron Gottes einst wieder von Dir fordern. Noch einmal, kehre zum wahren Glauben an Jesum zurück; dann darf ich Dich wieder sehen, sonst nie! Ich werde zu Gott Tag und Nacht schreien, daß er Dein Herz bewege und Dich auf den Weg des Heils zurückführen wolle.«

      Im Erforschen des Sinnes dieser Zeilen versunken und in unruhigen Ahnungen über das vom Dekan bezeichnete Kind oder Mägdlein, war Fabian mit scharfen Schritten, lesend und wieder lesend, zu der unwirtbaren Höhe des Weges hinaufkommen, unbekümmert um Addrich und Wirri, die hadernd zurückgeblieben waren. Als er die Augen aufschlug, sah er sich schon von jener Wolke umfangen, die er vorher auf dem Rücken des Gebirges über sich erblickt hatte. Ein frostiger Luftzug kam ihm zwischen den schroffen, kahlen Felsen entgegen, aus deren Klüften die Gebüsche durch den Nebel wie seltsame lebendige Gestalten nickten und gaukelten, aber eine andere Gestalt löste sich vor ihm aus dem Innern der Wolke zu immer bestimmteren Umrissen. Er erkannte einen Reisigen, der sein Roß am Zügel führte. Don Nardo stand plötzlich neben dem Pferde, im Begriff, zum Dechanten nach Aarau zu reisen.

      »Halt!« schrie Fabian und zog den Degen. »Dich sendet Gott selbst in meine Gewalt. Stehe mir Rede. Stehe!«

      Don Nardo, des Überfalls nicht gewärtig, stand anfangs betroffen da, als er aber den Jüngling erkannte, sagte er gelassen: »Ich ließ mir's keine kleine Summe kosten, wochenlang Leute auf allen Wegen nach Dir auszusenden und Dich zu suchen, aber daß Du in diesen Wildnissen das Räuberhandwerk treibst, ließ ich mir nicht träumen. Kennst Du mich nicht, Unglücklicher?«

      »Stehe mir Rede!« rief Fabian und setzte ihm die Degenspitze auf die Brust. »Du, Du hast Epiphania entführt, die Nichte Addrichs, mein Weib!«

      Während er sprach, ertönte das Geräusch vieler Pferdehufe und neue Gestalten schwebten wie dunkle Schatten im Nebel heran. Ein lauter Schrei erscholl: »Morde meinen Vater nicht!« und mit dem Schrei schlug ein weiblicher Arm den Degen Fabians auf die Seite. Der Ton klang betäubend in des Jünglings Ohr und erschütterte ihn so, daß ihm das Schwert aus der gelähmten Faust zu Boden fiel, doch die Retterin bebte, als sie des Jünglings besser ansichtig wurde, erst mit Erschrecken zurück, dann erhob sie laut weinend die Arme und rief: »Fabi, ach, Fabi, Du selbst!« und sank an seine Brust. Er starrte unbeweglich auf sie nieder und stammelte totenblaß und mit zitternden Lippen: »Faneli, meine Seele, o mein Leben!«

      Indessen beide im Sturm der ersten Seligkeit, sich wiedergefunden zu haben und umfaßt zu halten, alles vergaßen, was um sie her geschah, kam Addrich atemlos den steilen Bergweg daher geeilt. Er hatte das Geschrei auf der Höhe vernommen und seine Schritte alsbald verdoppelt, weil er befürchtete, Fabian sei von aufgestellten Wachen im Nebel überfallen und gefangen genommen worden. Entschlossen, ihn zu befreien, und beim Anblick der Pferde und Menschen in der wolkigen Umdämmerung die Wahrheit seines Argwohns nicht mehr bezweifelnd, zückte er das Schwert und schwang es gegen den Ersten, der ihm aus dem Haufen entgegentrat, doch wie vom Schlage getroffen sank der erhobene Arm erschlafft zurück. Sein Gesicht war vom Entsetzen schrecklich entstellt. Die finsteren Augen starrten, als wollten СКАЧАТЬ