Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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Bei diesen Worten stand der Oberherr still, maß mit scharfem Blick den Sprecher und sagte: »Wer Ihr auch sein möget, Euch gebühret nicht, in solchem Tone von der landesherrlichen Gewalt zu reden. Wie heißet Ihr? Woher seid Ihr?«
Der Fremde, durch die rauhe Anrede des Oberherrn mehr in Verwunderung gesetzt, als überrascht, erwiderte: »Mit Eurer Gunst, welcher Floh sticht Euch? Ich sollte jene Frage vielmehr an Euch richten. daß ich wisse, ob ich zur Antwort verpflichtet sei.«
»Ich bin der Junker Mey, Oberherr von Rued.«
»Also um Eure eigene Hoheit handelt es sich! Nun denn, ich habe andere Majestäten gesehen, und nie gehört, daß Ihr mein Oberherr seid. Ziehet's Euch nicht zu Gemüt. Je nachdem der Mann, danach brät't man die Wurst, gilt hier, und damit genug. Gehabt Euch wohl!«
»Bleibt stehen!« donnerte ihm der Oberherr zu.
Der Fremde kehrte wieder um, trat hart vor den Junker hin, betrachtete ihn eine Weile, indem Blitze aus seinen großen, schwarzen Augen schossen und sagte: »Trüget Ihr eine Klinge, so würde es mich gelüsten, Euch zu lehren, wie Ihr mit Ehrenleuten umzugehen habt, die nur auf dem Schlachtfelde ihr Avancement gemacht haben. Ich und mein Degen wiegen so schwer als Ihr mit Eurer ganzen Oberherrlichkeit; daß Ihr's wisset! Ich gebe Euch mein Ehrenwort, daß Ihr Gelegenheit finden sollt, mich kennen zu lernen, wenn's Euch daran gelegen ist.«
Der Oberherr behielt bei diesen hochfahrenden Reden unverändert die angenommene gebieterische Haltung und rief: »Ich befehle, Ihr bleibet, oder . . .«
»Sagt an, was liegt hinter oder?« entgegnete der Kriegsmann mit stolzem Lächeln. »Ich habe die Oder mit dem Feldmarschall Torstenson zweimal passiert und bei Euch geschieht's zum dritten Male. Obwohl Ihr Eurer Zwei seid, wäre es Euch übel geraten, mich zu belästigen. Das kleine, dicke Männlein an Eurer Seite da bisse beim ersten Nasenstüber ins Gras.«
»Nichts für ungut,« sagte Meister Wirri, indem er etwas bestürzt einige Schritte rückwärts machte, »wer keine Hand hat, kann keine Faust machen. Ich will keine Erbsen mit Euch lesen; also laßt mich in Frieden, jedoch vergeßt nicht, daß kleine Leute auch große Schatten werfen können.«
»Wißt Ihr nichts besseres, so sage ich Euch Lebewohl!« sprach der kecke Tischgenoß des Fürsten Ragoczi, wandte sich, ging mit raschem Schritte davon und verschwand bald hinter den Tannen.
Der Oberherr stand eine Weile unschlüssig da, als wollte er ihm nacheilen. Endlich aber nahm er mit dem Meistersänger den Rückzug zum Schlosse, indem er sagte: »Der freche Bursch wird in der Welt zu finden sein. Verdoppele Deinen Schritt, Meister Heini, daß wir das Schloß erreichen. Ich werde ihm meinen Jäger nachschicken und ihn im ersten Dorfe verhaften lassen. Der Prahler soll es büßen.«
»Das denke ich eben auch,« erwiderte der Spielmann von Aarau, »dann wird er anders pfeifen. Es sind schon manche krumme Hölzchen gerade geworden. Fürwahr, mich freut's schon, diesen stolzen Fant noch heute in Handschellen eingebracht zu sehen. Vier Wochen krumm geschlossen, bei Wasser und Brot im Turm zu sitzen, verdient er der unverschämten Worte willen, die er gegen die hohe Landesobrigkeit und gegen Euch ausgestoßen hat.«
Der Meistersänger, welcher während dieses Redens kurzatmig geworden war, schwieg endlich ganz, um dem Oberherrn nachzukommen, der scharfen Schrittes den Bergweg hinanstieg.
Als sie auf dem Platze angekommen waren, ließ der Oberherr einige Leute zusammenrufen, die er auf der Stelle entsandte; empfahl seinem Verwalter den Meister Wirri zur guten Bewirtung und entfernte sich darauf nach seinem Zimmer.
5.
Eine neue Sendung.
Die auf dem Berge gehabte Erscheinung beschäftigte ohne Zweifel den Gedankenlauf des Junkers Mey nicht weniger, als den des Meistersängers. Letzterer wenigstens konnte den ganzen Abend nicht fertig werden, dem Verwalter beim Weinglase das kurze Abenteuer im Walde zu beschreiben
»Ich dachte sogleich,« sagte er beim Abendessen, wo er der vollen Schüssel ebenso tapfer, als der Weinflasche zusprach, zu dem Verwalter, »ich dachte sogleich, hier ist's nicht richtig. Der Junker Oberherr hätte mit dem Schweden gar nicht anbinden sollen, denn man muß nicht anfangen, was man nicht zu Ende bringen kann. Der Oberherr wurde hitzig und ging zu weit, er mußte nicht befehlen, wo er das Gehorchen nicht gebieten konnte.«
»Bei dem allen, Meister Wirri,« bemerkte der Verwalter und schüttelte ungläubig den Kopf, »werde ich aus Euren Berichten nicht klug.«
»Meint Ihr, Herr Verwalter, ich gebe Euch Mäusedreck für Pfeffer?« fiel ihm der Spielmann beleidigt ins Wort. »Es wird sich zeigen, wer recht hat. Was meine Augen gesehen haben, das habe ich gesehen. Ein blos natürlicher Mensch hätte sich nicht unterfangen, eins gegen zwei zu stehen, und dem Junker Oberherrn so frech zu antworten . . . oder seid ihr ein Freigeist?«
»Wenn Ihr mir geneigtes Gehör schenket,« erwiderte der Verwalter, »so gebe ich Euch mein mutmaßliches Gutachten über den Vorfall. Entweder, oder! Ist es nicht – wofür Gott sei! – der Teufel selbst gewesen, der den Oberherrn und Euch necken wollte, so war's vielleicht einer der Rebellen, die, dem Himmel sei's geklagt! den Untergang aller, von Gott eingesetzten Obrigkeit bezwecken. Was mir den Kerl am meisten verdächtig macht, ist der nicht außer acht zu lassende, merkwürdige Umstand, daß ihn niemand von uns bei seinem Vorbeireisen auf dem Platze bemerkt hat.«
»Das sage ich ja,« rief Wirri, »eben da liegt der Hase im Pfeffer.«
»Folglich und also,« fuhr der Verwalter fort, »hat der lose Bursch einen Schleichweg durch den Wald eingeschlagen, um dem Schlosse auszuweichen«
»Was?« fiel ihm der Spielmann noch verdrießlicher in's Wort. »Bildet Ihr Euch ein, daß wir zwei, der Junker und ich, vor einem gewöhnlichen Menschen zurückgetreten wären, trotz der blanken Plempe, die er im Arme trug? Nein, Herr, glaubt es, unser Herrgott hat wunderliche Kostgänger zwischen Himmel und Erde, und es ist nicht alles ein Bauernhaus, was ein Dach hat. Bildet Ihr Euch ein, der Junker Oberherr sei im Kote hangen geblieben, als er der Gestalt nachsetzen wollte und nicht von der Stelle konnte; oder ich sei von Eurem halben Maß Elsaßer geköpft gewesen, daß ich zehn Schritte zurücktaumelte, als mich die Feueraugen anglotzten?«
Es war schon spät, als ein Diener des Oberherrn erschien und den Meister von Aarau noch einlud, sich in dessen Zimmer zu begeben. Obwohl Wein und Müdigkeit die Macht seiner Sinne so sehr geschwächt hatten, daß das holzschnittartige Gesicht des Verwalters nur unkenntlich, wie ein grauer Schatten, vor den halbgeschlossenen Augen des Spielmanns schwamm, machte diesen die unerwartete Botschaft plötzlich nüchtern. Er folgte dem Diener, der ihm die steinerne Treppe hinaufleuchtete und eine Seitenthür öffnete.
Der Oberherr saß in einem kleinen dunkeln Zimmer vor dem Kamin, dessen fast erloschenes Kohlenfeuer kaum die Sohlen der übereinandergeschlagenen Füße beleuchtete. Seitwärts glimmte eine Lampe, deren sterbender Schein das Tischchen kaum gewahr werden ließ, auf welchem Papiere umherlagen und auf welches der Junker den Arm lehnte, dessen Hand ihm die Stirn stützte. Wirris Eintritt erweckte ihn aus der träumerischen Selbstvergessenheit. СКАЧАТЬ