Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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»Mir steht der Verstand still,« rief der Verwalter. »Wie konnte der böse Geist so plötzlich in die Gergesenersäue fahren?«
»Ei nun, Ihr wißts ja, Herr Freund,« entgegnete der Spielmann, »im Winter hat der Bauer allzeit blauen Montag, und müßige Köpfe haben seltsame Gedanken. Da wird in Wirtshäusern viel ausgeheckt, was fliegen kann, sobald es den Schnabel aufsperrt.«
»Was sagen aber meine gnädigen Herren von Bern und Luzern?« fragte der Verwalter. »Schaun doch nicht müßig zu, bis ihnen der Bauer über den Kopf wächst? Wäre ich Meister, das wäre mir anders. Warum nicht Truppen versammelt und drein geschlagen mit der Schärfe des Schwertes? Nur rechten Ernst gezeigt: der Bauer trotzt allweg, wenn man ihm höflich begegnet; aber ihm übers Maul gefahren, sagt er: Gehorsamer Diener! und macht die Faust im Sack.«
»Ja, ja, Herr Freund, Ihr möget nicht ganz Unrecht haben,« antwortete Wirri lachend, »es verdirbt mancher gute Rat, den der Schultheiß nicht hat, im Sack des gemeinen Mannes. Aber, Herr Freund, der stärkste ist Zwingherr, und mit böswilligen Hunden ist schlecht jagen. Meine gnädigen Herren haben im Lande Kriegsvolk aufbieten wollen. Was geschieht? Der Bauer ist wohl da, der Soldat aber nicht zu Hause. Da heißts: Wir ziehen nicht gegen unsere eigenen Landsleute! Andere sagen, Zahlt uns zuvor die Reisegelder aus. So schallts überall zurück, und deshalb haben die Herren von Luzern vierhundert Mann aus den kleinen Kantonen in die Stadt ziehen müssen, um des eigenen Lebens sicher zu sein. Es ist vorbei und ist böse, Füchse mit Füchsen zu fangen. Die Bauern wollen nicht gegen die Emmenthaler ins Feld. Was sagt ihr nun, Herr Freund?«
Der Verwalter verzog bedenklich die Miene und räusperte sich. Die Knechte, welche bisher stumm und still zugehört hatten, schienen bei den letzten Worten des Aarauers um einen Zoll gewachsen zu sein, sahen sich links und rechts mit bedeutsamen Blicken an, und nickten einander zu.
»Man muß der Rädelsführer der Rebellen habhaft werden!« schrie der Verwalter, indem er dazu sein strengstes Amtsgesicht machte.
»Richtig!« erwiderte der Meistersänger. »Will man die Treppe reinigen, fängt man von oben, nicht von unten an. Aber den Stier, wenn er wütet, kann man nicht beim Horn packen.«
Die Umstehenden lachten, Der Verwalter warf einen finstern Blick auf das Gesinde und rief: »Was habt Ihr Maulaffen feil! Packt Euch; es ist für Euch da nichts zu horchen!«
»Hm!« sagte ein struppiger Kerl, hämisch-lächelnd. »Ich meine, der Platz ist breit genug für Euch und uns.« Die andern schwiegen und bewegten sich nicht von der Stelle.
Meister Wirri fuhr indessen fort: »Man kennt die Rädelsführer alle aufs Haar; das sind aber Bursche wie Esaus Hand und Jakobs Stimme. Ich selbst kenne den Rebellen Christen Schybi aus dem Entlebuch, der macht Euch den besten General zu Schanden; ich glaube, er hat beim Schwedenkönig gedient. Die Luzerner Gesandten hat er beim Kragen genommen und eingetürmt, die Hauptpässe an der Emme und Gislikon stark besetzt, und die Hauptstadt mit bewaffnetem Volk belagert.«
»Bewahre uns Gott!« sagte der Verwalter erschrocken. »Ists schon dahin gekommen? Nun, Ihr guten Leute, was steht Ihr doch? Ich mags nicht leiden, setzt Euch aufs Bauholz hierneben. Stehen macht müde Beine.«
Die Schloßknechte, an die er die Worte richtete, schienen ihnen nicht zu hören, sondern hielten die Blicke mit großer Aufmerksamkeit auf den Mund des Berichterstatters geheftet, den der Wein, welchen er von Zeit zu Zeit behaglich hinunterschlürfte, immer redseliger machte
»Der Schybi,« fuhr er fort, »macht alles zittern, aber er hat auch einen Kopf so groß wie der aufgehende Vollmond. Als ihn Herr Schultheiß Dulliker von Luzern beim Lärmen in Wollhausen etwas rauh anfuhr, sagte er, daß es alle hörten: Ihre Gnaden, Herr Schultheiß! Das Rathaus von Luzern, wo uns Hauptmann Krebsinger anschnaufen durfte, liegt fünfthalb Stunden von Wollhausen. Vergesset das nicht; wir verlangen, was Recht ist, und wollt Ihr das Rechte nicht, so macht Euch aufs Linke gefaßt . . . Und wie er das sagte, schlug er an seinen Degengriff.«
»Schlimm, schlimm, sehr schlimm!« sagte der Verwalter und zog die breiten, eckigen Schultern in die Höhe. »Was nützt des Schultheißen Zorn? Was meines hochgeachteten Herrn Venners Güte?«
»Ihr habt allerdings recht, Herr Freund,« erwiderte der gesprächige Meister. »Da sind Hopfen und Malz verloren; Emmenthal trägt Nesseln, wie Entlebuch. Wißt Ihr, wer die Emmenthaler kommandiert? Das ist Klaus Leuenberg, der reiche Bauer von Schönholz; ein grimmiger und frecher Gesell. Habt acht! Dies Jahr wird Blut säen und Köpfe mähen: man spricht schon von Nasen- und Ohren-Abschneiden. – Was obrigkeitlich ist, das ist geflohen: kein Schaffner mehr im Kornhaus; kein Weibel mehr im Amthaus. Ist die Katze nicht zu Haus, tanzen die Mäuse über Tisch und Bank, wie Ihr wohl denken könnt.«
Hier wurde das Gespräch unterbrochen, als einer der Knechte zu den andern sagte: »Dort kommt der Junker vom Berg herab.« Alle zerstreuten sich langsam und nach verschiedenen Seiten. Der Verwalter verließ die Bank und wandelte nachdenkend auf dem Platz umher, indem er von Zeit zu Zeit den Kopf schüttelte. Meister Wirri leerte eilfertig sein letztes Glas, und ging dem Oberherrn entgegen.
3.
Die Botschaft.
Es war ein stattlicher, wohlgewachsener Mann in den Vierzigen, mit dem Ausdruck edelmütigen Wohlwollens in dem angenehmen Gesichtszügen; schlicht, doch nicht ohne Sorgfalt im Äußern. Etwas Schweres, fast Steifes in Haltung und Bewegung verlieh ihm eine gewisse Würde, und die stete Ruhe des Gesichtes, welche dem Mangel innerer Reizbarkeit ihre Entstehung zu verdanken schien, konnte ebenso gut für Wirkung der Herrschaft gelten, welche er über seine Gefühle erlangt hatte. Während er nachlässig die Hand an sein rotes Barett legte, des Spielmanns Gruße zu erwidern, sagte er zu demselben: »Willkommen, Meister Heini, was bringst Du mir gutes von Aarau?«
»Ich verhoffe, Junker Oberherr, wenigstens keine Hiobspost, wiewohl heutzutage das Gute so selten wird, wie fettes Gras um Weihnachten. Vor allen Dingen läßt sich mein Herr Schultheiß Hagenbuch allergehorsamst empfehlen und übersendet dies Briefchen – das zweite hier hat mir der wohlehrwürdige Dekan Rüsperli für Euch anvertraut, als er von meiner Reise nach Rued vernahm.«
Der Junker öffnete lässig das Schreiben des Schultheißen und durchlief es mit den Augen. Nach einer Weile murmelte er für sich wiederholend die Worte: »Durchpaß, aber keine Besatzung? Hm! . . .« sann dann eine Weile nach, indem er die Hände, worin er die empfangenen Papiere hielt, auf den Rücken legte, ging gemächlich ein paar Schritte vor, ein paar zurück, und sagte darauf: »Ich verstehe nicht, was Aarau will? Der Schultheiß Hagenbuch, der in der Feder nicht stark ist, verweist mich an Deine Zunge. Begleite mich also ein wenig; der Abend ist ruhig und warm. Erzähle mir!«
Er ging, bei diesen Worten sich vom Schloßplatz entfernend, langsam wieder den Weg. welchen er gekommen war, und dessen sandiges Geleise sich bald in der Dämmerung schwarzer Tannen verlor, nach dem Berge zurück. Wirri wandelte ihm schweigend zur Seite, die Befehle des Junkers erwartend.
»Erzähle mir also ausführlich den heutigen Beschluß der Aarauer, denn des Schultheißen Hagenbuch Worte sind ebenso kurz als unverständlich. Es ist Dir bekannt, Heini, daß der um sich greifende Aufruhr des Landes den Rat von Bern zu strengen und kriegerischen Maßregeln gezwungen hat. Zwar ist der Aargau noch ruhig. aber seine Gesinnung ist unzuverlässig. Darum wird dieser Tage das Kriegsvolk von Mühlhausen, Basel und Schaffhausen einrücken, Die Züricher stehen mit achttausend Mann zum СКАЧАТЬ