Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ dann warf er einige Scheite dürren Holzes zu dem Feuer. Bald stand das ganze Gemach in freundlich-heller Beleuchtung, so daß die Vergoldung der Ränder in den Feldern des Getäfels an der Wand und Zimmerdecke im angenehmen Wiederglanz schimmerte.

      »Meister,« sagte nach einigem Besinnen der Oberherr, »ich hatte den Brief ganz vergessen, den Du mir vom Dekan Nüsperli von Aarau mitgebracht hast. Eben fand ich und las denselben. Er ist mir verschiedener Umstände wegen wichtig. Ich habe alles Vertrauen zu Dir; Du kannst mir Dienste leisten und Du wirst mit meiner Erkenntlichkeit zufrieden sein. Du bist ein Mann von Kopf, der seine Aufgaben zu lösen weiß, und wo es gilt auch verschwiegen zu sein versteht.«

      »Wie der Spiegel, dems Glas fehlt, denn mit Schweigen verredet sich niemand, und man hat sich eher verredet, als verthan, wie ich gar wohl weiß, Junker Oberherr!«

      »Bist Du in der Gegend des Schlosses Trostburg, in den Dörfern Teufenthal oder Dürrenäsch bekannt?«

      »Die Trümmer der Trostburg habe ich wohl gesehen, wenn ich am Schlosse Liebegg vorüber ins Thal nach Kulm ging. Sie ist mit den breiten Mauern, links auf dem Felsenhügel, am Eingange eines unbekannten Nebenthales recht malerisch gelegen. Die verfallenen Gemäuer scheinen nur von den Ranken des Epheus zusammengehalten zu werden.«

      »Gut! Am Fuße des Schloßberges, unten, liegt Teufenthal, und zwischen die Berge hinein, im hintersten Winkel, fast auf der Höhe, das Dorf Dürrenäsch.«

      »Es mag wohl sein, denn der Mensch hat oft sein Nest, wo es der Bär nicht mochte.«

      »Hörtest Du nie von einem gewissen Addrich im Moos reden, der in jener Gegend wohnt? Er ist der reichste Bauer dort umher.«

      »Ich erinnere mich des Menschen nicht. Vielleicht hörte ichs, vielleicht nicht. Kein Kornhaus ist groß genug, um alles zu behalten was durch die Ohren geht.«

      »Man sagt wunderliche Dinge von ihm. Er soll sein Vermögen nicht auf rechten Wegen gewonnen haben; mit bösen Geistern Umgang pflegen; bildschöne Weibsbilder bei sich haben, und dergleichen. Das heißt, so geht von ihm die Rede im Volke.«

      »Behüte uns, meint Ihr den? Es wohnt in dortiger Gegend einer, von dem allerlei Sage umlief, als vor mehreren Jahren die Landstraße nach Luzern unsicher war. Man will überall lieber seine Fersen sehen, als seine Klauen. Er soll vordem ein armer Lump gewesen, in einer Nacht aber steinreich geworden sein. Es heißt, der Schatz in der Trostburg sei von ihm gehoben; aber es habe das Herzblut und Leben von einem unschuldigen Christenkinde gekostet. Seitdem sei es auf der Trostburg still und gehe nicht mehr darin um. Wenn mir der Kerl im Walde begegnete, ich schlüge ein Kreuz und machte einen Umweg bis über Konstantinopel.«

      »Du wirst doch das Alteweibergewäsch nicht glauben, Heini?«

      »Ich glaubs zwar nicht ganz, aber, Junker Oberherr, gemein Geplärr, ist selten leer, sagt man. Auch von den schönen Weibsleuten habe ich vernommen, mit denen es nicht ganz richtig ist. Es heißt, die eine wisse alle Dinge der Zukunft, und die andere alle Dinge, die unter der Erde sind. Ja, schön sollen sie sein, aber es giebt Leute, welche behaupten, sie wären keine natürlichen Menschen.«

      »Und was wären sie denn?«

      »Luftbilder, Erdgeister, des Teufels Konkubinen, was weiß ich, wer?«

      »Nun so siehe denn die Albernheit des Pöbels! Das eine der Mädchen ist des Addrichs wirkliche Tochter, die eine unheilbare Krankheit und sonderbare Zufälle hat. Das andere kenne ich selbst: es ist die Tochter von des Addrichs verstorbenem Stiefbruder. Sie heißt Epiphania, oder, wie man sie kurzweg nennt, Fanely und Fania. Der Dekan zu Aarau ist ihr Taufpate; ihr Vater war Amtschreiber und des Dekans Schulkamerad gewesen. Der ist vor einigen Jahren an der Lenk, im Obersimmenthal, wohin er sich in seinem Schwermut zu einem Freunde zurückgezogen hatte, nachdem er durch allerlei widrige Verhältnisse seiner Stelle verlustig geworden war, gestorben. Nun siehst Du, Meister, was vom Volksgeschwätz zu halten ist.«

      »Richtig! Ein Jüngling kann viel lügen, aber zwei Zeugen lügen tausendmal mehr. Die Leute reden viel in den Tag hinein; das ist richtig. Die Fanely mag ein frommes Kind sein, wenn auch niemand den Mann lobt, unter dessen Dach es wohnt. Veilchen wachsen ja auch im Unkraut.«

      »Höre mich an. Der Dekan von Aarau meldet mir mit großer Besorgnis und Unruhe, daß es mit Addrich im Moos unsicher stehen soll.«

      »Was schnell aufgeht, fällt schnell wieder ab.«

      »So ists nicht gemeint, Meister! Der Dekan will Nachricht haben, daß Addrich im Moos zu den Rebellen gehöre, oder sie unterstütze. Es sei der Aufruhr im Aargau nahe am Ausbruch, und Addrich sei der Haupträdelsführer, wie man sage. Mir kommts nicht unwahrscheinlich vor, denn der Kerl ist ein Meuterer von Haus aus. Dem ehrwürdigen Dekan ist in dieser Verwirrung, zumal wenn Kriegsvölker einziehen sollten, um das Schicksal der jungen Epiphanie bange und er beschwört mich, kein Mittel unversucht zu lassen, die verwaiste Tochter seines Freundes aus des Addrichs Klauen zu retten und sie zu ihm nach Aarau in Sicherheit zu bringen. Du begreifst aber, Meister Heini, das Kind ist in Aarau nicht geborgen. Wer kann wissen, wie weit im ersten Augenblicke die Verwegenheit der Rebellen, oder wie weit ihr Glück geht? Gesetzt sie brächen in die Stadt ein und gäben sie ihrer Wut preis – oder Addrich selbst wäre mit ihnen – Epiphania würde abermals unglücklich, und den geistlichen Herrn würde weder die Heiligkeit seines Amtes, noch das weiße Haar seines Hauptes vor der Rache des wilden Addrich schützen.«

      »Das wäre zu fürchten, denn Zorn und Rache gehen nicht lange zu Rat.«

      »Wie es kommen möge, wir müssen Epiphania retten. Das Kind soll zu meiner Familie nach Bern, in mein Haus, bis das Land wieder ruhig ist. Es ist ein reiner Engel an Seele und Gestalt. Willst Du mir helfen, solls Dich nicht gereuen. Erkläre Dich; es muß hier gehandelt werden, und sollte es hundert Gulden kosten.«

      »Junker Oberherr, ich bin von jeher Euer gehorsamer Diener gewesen, und laufe für Euch durchs Feuer; aber in diesem Punkte helfen, da sehe ich das Wie nicht. Und wer das Wie nicht weiß, der findet des Juchhei nicht.«

      »Ich gebe Dir morgen einen Brief an Epiphania. Du bist Spielmann, wanderst aller Orten wohlgemut umher; niemand achtet auf Dich. Von meinen Leuten aber kann ich keinen senden, denn jeder kennt diese, und einem Bauer vertraue ich nicht . . . Du wärest von allen Boten der beste. Also Du nimmst einen Vorwand, gehst ins Haus, suchst eine Gelegenheit und steckst dem Mädchen heimlich einen Brief zu, ohne daß Addrich oder sonst jemand davon Ahnung bekommt. Ihr beredet mit einander die Flucht über den Bergrücken durch den Wald nach dem Schlosse Liebegg; da haltet Ihr Euch verborgen, bis ich Epiphania abholen lasse. Ein Brief an den Junker Graviset aus Liebegg soll Dir gute Aufnahme sichern.«

      »Ich wollte, ich säße schon dort! . . . Aber wenn die schöne Jungfrau Epiphania Laune hätte, mir einen Korb zu geben und nicht mit mir auf und davon wollte, was dann?«

      »Dafür laß den Brief sorgen, den Du ihr von mir einhändigen wirst.«

      Meister Wirri schien nicht besondern Hang und Beruf zu der neuen Sendung in sich zu fühlen, die ihm übertragen werden sollte. Indessen siegte zuletzt doch die Beredsamkeit des Oberherrn, und vielleicht mehr noch dessen Freigebigkeit, die ihm, als Vorschuß zu allfälligen Ausgaben für sich und Epiphania, einige Thaler in die hohle Hand fallen ließ, und versprach, nach gelungener Ausrichtung des Auftrags, den Meistersänger von Kopf bis zu Fuß neu zu kleiden. Doch muß die ganze Wahrheit gesagt werden. Es saß noch ein heimlicher Schalk in dem Herzen des Meistersängers, welcher ebenfalls ein Wörtchen für das Wagestück des Abenteurers hinzulegte. So oft nämlich der Oberherr von Epiphania sprach – und er mußte wohl, damit Heinrich Wirri sie genau kenne und mit keiner andern verwechsele СКАЧАТЬ