Название: Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Kennst Du den Ritter?«
»Ja, ich habe ihn des Oefteren geschaut und würde ihn beim ersten Blick wiederkennen.«
»So wollte ich den Mann Dir wohl gern zeigen, aber er verläßt sein Gemach nie, und hineinlassen darf ich Dich nicht, weil es mir vom Herrn verboten ist.«
»Das ist mir gar nicht lieb, zu hören; aber vielleicht ist es möglich, ihn zu erkennen, ohne ihn zu sehen. Sind seine Reden die eines gewöhnlichen Knechtes?«
»Er spricht fast wenig, und dann stets kurz, als wolle er befehlen, und dabei ist sein Gesicht ein solches, daß man gar nicht weiter zu sprechen wagt.«
»Das will zu meiner Vermuthung recht gut passen; kannst Du Dich nicht vielleicht auf ein Wort besinnen, welches uns auf die richtige Spur zu bringen vermöchte? Es kommt wohl einmal ein Augenblick, an dem so ein Herr sich nicht bewacht.«
»Hm, ja, es will mir scheinen, als ob Du Recht habest. Ich erzählte ihm einmal davon, daß die Mauern vor Friesack durch die »faule Grethe« zusammengeschossen und die Markgräflichen durch die Lücken in das Schloß gedrungen seien; da ist er aufgefahren und hat mich angeblitzt: Das sei nicht wahr; sodann hat er sich nach der Frau Elisabeth und den Kindern erkundigt, und jetzt, wo ich beginne, darüber nachzudenken, besinne ich mich, daß sein Gebahren ganz so gewesen ist, als ob er der Dietrich selbst wäre.«
»Das ist genug! Er ist’s, und wir könnten großen Nutzen davon haben.«
»Von welchem Nutzen redest Du?«
»Hast Du denn vergessen, daß der Markgraf einen Preis auf seinen Kopf gesetzt hat? Wer den verdienen könnte, der hätte wohl nicht mehr nöthig, seine Haut für Andere zu Markte zu tragen!«
»Daß mich Gott bewahre! Der Mann ist mir von Herrn Werner anvertraut worden und soll bei mir auch wohl verwahret sein. Ob’s Herr Dietrich ist oder einer seiner Knechte, das soll mir keine Schmerzen machen, denn ich habe die Befehle meines Ritters zu vollziehen und mag mich um das Uebrige nicht kümmern.«
Der Lauscher hatte genug gehört, und da er vermuthete, daß die beiden Männer bald den Garten verlassen würden, so schien es ihm gerathen, nach seinem Gemache zurück zu kehren, damit er nicht von ihnen bemerkt werde. Das belauschte Gespräch hatte ihn überzeugt, daß er auf Neumühl nicht mehr sicher sei, denn es kam ihm ganz so vor, als könne er dem Knechte nicht trauen, und so war es ihm willkommen, daß Werner von Holzendorf am andern Morgen bei ihm vorsprach, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Er berichtete ihm von der belauschten Unterredung und sagte ihm auch seinen Dank für die Treue, welche er ihm gegen das Ansinnen des Markgrafen bewiesen.
»Ihr dürft mir derowegen gar nicht danken, Herr Dietrich,« antwortete ihm Werner, »da Ihr ganz dasselbe auch für mich gethan hättet, wenn Ihr an meiner Stelle gewesen wäret; und was die Folgen meines Schnellzornes betrifft, so müssen wir abwarten, was der Markgraf zu thun für angemessen hält; aber wenn ich mit ihm zusammentreffe, so werfe ich ihm sicher meinen Handschuh hin für die Beleidigung, welche in der Zumuthung gelegen hat, an meinem besten Freunde zum Schurken und Verräther zu werden. Der Knecht, von dem Ihr spracht, ist mir nicht sicher; aber ich darf ihn nicht fortjagen, weil er sonst auf Rachegedanken gerathen würde; dagegen werde ich ihn gut bewachen und Euch an einen andern Ort bringen. Macht Euch fertig, mit mir fortzugehen!«
Er begab sich zu dem Voigte, dem er die Mittheilung machte, daß der Knecht nun fast genesen sei und Neumühl wieder verlassen könne, er möge ihm daher ein Pferd geben und seine Wege ziehen lassen. Sodann ritt er fort und wartete im Walde, bis Dietrich von Quitzow ihm nachkam. Dietrich frug, wohin der Weg sie führen werde.
»Nach Grabsdorf,« antwortete Werner. »Ihr könnt jetzt unmöglich unentdeckt aus dem Lande fliehen; man stellt Euch überall nach und lauert auf allen Wegen. Aber in Neumühl konntet Ihr unter diesen Umständen auch nicht bleiben, und da ist mir ein guter Gedanke gekommen. In Grabsdorf nämlich wohnen ein paar meiner alten Knechte mit ihren Weibern; sie haben von mir einige Häuser, und ich kann mich auf ihre Treue verlassen. Dahin bringe ich Euch. Sie sollen Euch hegen und pflegen, und dort seid Ihr sicher, so lang Ihr Euch nicht zu erkennen gebt.«
Das Dorf Grabsdorf ist jetzt nicht mehr vorhanden und lag östlich von der Havel an Stelle des jetzigen Dorfes Friedrichsthal. Dietrich erhielt in einem Bauernhause eine Stube, und es wurde mit dem Besitzer des Hauses, Werners ehemaligem Knechte, die Verabredung getroffen, ihn für einen Verwandten auszugeben, den er zu sich genommen habe, um sich von ihm in der Wirthschaft helfen zu lassen. Zu diesem Letzteren erbot sich der sonst so stolze Ritter aus freiem Antriebe, um nicht ferner von der Langeweile gepeinigt zu werden, wie er sie während der letzten Tage empfunden hatte. Er wurde von den Leuten als ein Landmann ausstaffirt und machte sich nach Belieben und Gutdünken in der kleinen Wirthschaft nützlich.
So verging der Februar vollends und der März brach an, welcher bessere Tage und eine Witterung brachte, welche erlaubte, die Feldarbeit vorzunehmen. Auch Dietrich ging hinaus, um mit Hacke und Spaten zu arbeiten, und es waren gar eigenthümliche Gedanken und Gefühle, welche sich bei dieser ungewohnten und erniedrigenden Beschäftigung in seinem Innern geltend machten.
Der gewaltige Ritter, welcher fürstliche Macht und fürstlichen Anhang besessen, vor dem die Marken gezittert hatten und dessen Ruf weit über die Grenze des Landes hinausgedrungen war, er stand hier auf dem Felde, mit den Attributen der Leibeigenschaft in der Hand; er bauete den Boden, welcher einem Andern Zins zu bringen hatte, und mußte noch der Freundschaft dafür danken, welche ihm die Gestalt eines armseligen Knechtes gegeben hatte, um ihn gegen die Verfolgungen in Schutz zu nehmen. Wie oft hatte er nicht auf den Zinnen seiner Burgen gestanden und mit stolzen Blicken das Land überschaut, welches ihm unterthan war und unter den Hufen seiner streitbaren Rosse erzitterte; wie oft war seine Stimme durch die Räume der Schlösser oder im wilden Kampfgewühle erschollen und Hunderte hatten ihr Gehorsam geleistet, die da wußten, daß ihr Wohl und Wehe, ihr Hab und Gut, ja ihr Leben von seinem Wort und Willen abhängig sei! Und jetzt? Der Boden, auf welchem er stand, war ein fremder; kein Mensch achtete seiner Rede, sein Ruf war verklungen, sein Name geächtet, sein Glück vernichtet, sein Reichthum zerronnen und seine Macht tief in den Staub getreten. Ob wohl aus ihm ein Erstehen war?
In diese Gedanken versunken, bemerkte er nicht, daß ein kleiner Trupp Reiter aus dem nahen Wald gekommen war und sich schon ganz in seiner Nähe befand. Es waren zwei bärtige Männer und ein Jüngling in dem Alter, welches die Knabenjahre nicht längst erst überstiegen hat. Die beiden Ersten waren wohlbewaffnet und ihre Mienen ließen in ihnen gar kampfbewährte Mannen vermuthen, der Letztere aber trug sein zierliches Schwert wohl kaum in der Absicht, sich damit zu vertheidigen, und seine Kleidung war eine solche, wie man sie mehr in der Nähe der Frauen und Edeldamen, als im Kampfe zu tragen pflegt. Doch zeigte seine übrige Ausrüstung, daß er trotzdem einer mannbaren Beschäftigung, nämlich der Jagd, obgelegen habe, und sowohl in seiner Haltung als auch in dem Ausdrucke seines Gesichtes lag eine Hindeutung darauf, daß er an das Befehlen mehr gewöhnt sein müsse, als an das Gehorchen.
Schon hielten sie hinter ihm, als er erst an dem Schnauben der Pferde ihre Gegenwart bemerkte. Der Jüngling trieb das seinige bis an ihn heran und frug:
»Höre, Mann, wir haben uns verirrt. Kannst Du uns sagen, wo der nächste bewohnte Ort ist?«
»Ja, das kann ich sagen,« antwortete er kurz, indem er in seiner Arbeit fortfuhr. Der Gang seiner Gedanken hatte ihn in eine nicht freundliche Stimmung versetzt, und er fühlte sich daher nicht zu der gewünschten ausführlichen Antwort aufgelegt.
»Nun, wie ist derselbe geheißen?«
»Grabsdorf.«
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