Название: Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas
Автор: Balduin Mollhausen
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Die übrigen Wilden, die gleichsam unbesorgt um ihren Gefährten dem Kampf neugierig zugeschaut hatten, erhoben bei dem Knall ein fürchterliches Geheul, und als sie den wilden Krieger, der in ihren Augen von keiner Waffe berührt worden war, dennoch tot zu Boden stürzen sahen, ergriffen alle schleunigst die Flucht und verschwanden in den nächsten Klüften.
Mein Kamerad brachte wirklich das Pferd, das sich etwas erholt hatte, mit sich zurück und war nicht wenig erstaunt über das Abenteuer, das ich auf eine für mich so glückliche Weise mit den Wilden bestanden hatte. Dies sind die Erinnerungen, die sich an meine Colorado-Reise knüpfen; wenn ich jünger wäre, würde ich wieder mit euch ziehen, um euch das Gebirge zu zeigen, in dem so reiche Silberminen verborgen sein sollen; ich habe freilich schon mehrere Male vergeblich nach denselben gesucht, doch könnten wir möglichenfalls vom Glück begünstigt werden und als reiche Leute aus dortiger Gegend heimkehren.«
In dieser Weise unterhielt uns der alte Gale mit seinen Erzählungen; er sprang freilich fortwährend von einem Gegenstand zum anderen über, doch wüßte ich keine Unterhaltung, die den Umständen angemessener gewesen wäre als gerade diese. Mitternacht war schon vorüber, als der alte Jäger sich nach seiner Hütte begab und wir in unser Zelt gingen.
Den folgenden Tag verbrachte ich, indem ich mit der Flinte in der Umgebung umherstreifte und Vögel für meine Sammlung schoß, während meine Gefährten fast ununterbrochen mit der Angel am Fluß saßen. Es war abermals einer der schönen warmen Herbsttage, an denen man so gern geneigt ist, sich jeder Beschäftigung mit einer gewissen Gemächlichkeit hinzugeben, um über der Arbeit nicht unempfindlich gegen den Genuß zu werden, den der Aufenthalt im Freien dann besonders gewährt. Nur geringe Beute lieferte mir die Jagd, einige Enten und Rebhühner wanderten in die Küche, und wenig glücklicher war ich hinsichtlich meiner Sammlung.
Am 19. November in aller Frühe erschien Gale bei uns im Lager, um einer Verabredung gemäß Mr. Kennedy und mich zur Jagd abzuholen. Wir waren schnell bereit, bestiegen unsere Pferde und folgten Gale nach, der nahe seiner Wohnung durch den Fluß ritt und eine nordöstliche Richtung durch das Tal einschlug. Mehrere Stunden ritten wir unseres Weges, bis wir einen fast ausgetrockneten See erreichten, dessen Binsenwaldung Gale zu durchstöbern beabsichtigte. Die Jagd war indessen so mühsam und wegen der vielen sumpfigen Stellen auch so gefährlich für unsere Pferde, daß wir es bald aufgaben, an diesem Tage einen Elkhirsch zu erlegen, und uns darauf beschränkten, den schmalen Waldsaum an einem nahen Flüßchen abzusuchen. Wir spürten und sahen Hirsche genug, doch wollte es keinem von uns gelingen, zum Schuß zu kommen.
Gale, dem es ebensosehr wie uns um frisches Fleisch zu tun war, schlug uns darauf vor, wildes Rindvieh zu schießen, was ich mit um so größerer Bereitwilligkeit annahm, als mir diese Art von Jagd noch neu war. Mit einer Gewandtheit, die man von dem alten Mann nicht erwartet hätte, kletterte Gale auf den nächsten hohen Baum, von wo aus er die Ebene übersehen konnte, und erfreute uns nach einigem Umherspähen durch die willkommene Nachricht, daß in geringer Entfernung eine kleine Herde wilder Kühe weide. Nach wenigen Minuten befand sich Gale wieder im Sattel, und Kennedy sowohl als ich folgten, uns ganz seiner Führung überlassend, dem alten Mann im Galopp über die dürre Ebene. Ehe wir indessen in schußgerechte Nähe gelangten, hatte die Herde uns gewittert, stürmte in wilder Eile davon und bezeichnete durch eine dichte Staubwolke den Weg, den sie genommen hatte.
Langsam ritten wir nach und entdeckten bald neue Herden, die, anscheinend noch nicht beunruhigt, dem Wasser träge zuschritten. Auf Gales Rat trennten wir uns nun voneinander, um auf verschiedenen Wegen den Kühen unbemerkt näher zu schleichen, wobei uns die vom Wasser ausgewaschenen Vertiefungen sehr zustatten kamen. Mein Pferd am Zügel nehmend, gelang es mir allerdings, die Entfernung zwischen mir und den Kühen zu verringern, doch immer nicht in dem Maße, daß ich von meiner Waffe mit Erfolg hätte Gebrauch machen können. Das Mißtrauen des wilden Rindviehs übertrifft nämlich noch bei weitem die Scheu der Antilope, und dabei kommt nichts der blinden Wut gleich, welche bei demselben durch den Geruch von frischem Blut, manchmal sogar auch durch das Erscheinen eines harmlosen Fußgängers, hervorgerufen werden kann.
Mehrere Male hatten sich schon kleine Rudel vor mir geflüchtet, und der Erfolg begann mir schon zweifelhaft zu scheinen, als ich, im Begriff, die grabenähnliche Vertiefung zu verlassen, plötzlich in einer bis dahin von mir unbeachteten Richtung zehn bis zwölf Kühe erblickte, die ruhig grasten und von einem kleinen schwarzen Stier gleichsam bewacht wurden. Ich band mein Pferd an einen nahen Strauch und kroch hinauf auf die Ebene. Ich könnte nicht sagen, daß die Kühe in ihrem Äußeren etwas Schreckliches für mich gehabt hätten; und also durch nichts beunruhigt, zielte ich vorsichtig auf den jungen Stier und gab Feuer. Auf den Knall der Büchse sprang er hoch auf, kam indessen wieder auf seine Füße zu stehen, und ich konnte aus der Ferne erkennen, daß er an allen Gliedern wie von Todesangst gepeinigt zitterte und bebte. Die erschreckten Kühe, die sich zur Flucht gewandt hatten, kehrten schnell wieder zu ihrem Anführer zurück und gerieten, als sie um denselben herumschritten und das Blut witterten, in die rasendste Wut. Dumpf brüllend scharrten sie mit den Hufen und trafen im vollen Sinn des Wortes Anstalt, den verwundeten und schon wankenden Stier mit ihren langen, spitzen Hörnern anzugreifen.
Ich hatte mich aufgerichtet und gerade das Laden meiner Büchse beendet, als die ergrimmten Kühe mich gewahrten; mit gehobenen Köpfen schienen sie zu lauschen, dann aber senkten sie die Hörner und stürzten in vollem Lauf auf mich zu. Solch wütenden Angriff hatte ich nicht erwartet; ich warf die Büchse über die Schulter, sprang zu meinem Pferd hin und eilte nach wenigen Augenblicken auf demselben in größter Eile über die Ebene. Ich glaubte dadurch die Kühe zu veranlassen, wieder zu ihrem verwundeten Kameraden zurückzukehren, doch hatte ich mich getäuscht. Meine Flucht schien im Gegenteil ihre Wut noch zu steigern, denn rückwärts schauend erblickte ich in einer Staubwolke die gespreizten Hörner, die meinem Pferd und auch mir gefährlich zu werden drohten. Mein Pferd mit den Sporen stachelnd, ergriff ich darauf meine beiden Revolverpistolen und feuerte Schuß auf Schuß unter meine Verfolger, die sich mit jeder Minute näherten. Ratlos blickte ich nach den nächsten Bäumen, hinter denen ich mich zu retten gedachte, als in geringer Entfernung von mir der Kopf des alten Gale aus einer trockenen Regenschlucht wie aus dem Boden auftauchte und mir zuschrie: »Hierher, um Gottes willen!«
Ich riß mein Pferd herum, setzte in die Schlucht hinab, und im nächsten Augenblick stürmten die Kühe vorüber. Schnell wie ein Gedanke sprang Gale dann nach der Ebene hinauf, schoß seine Büchse ab und erhob ein so durchdringendes, wildes Geheul, wie ich es sonst nur von den Indianern gehört hatte. Der alte Mann erreichte dadurch übrigens seinen Zweck vollkommen, denn der Grimm der Kühe verwandelte sich in Furcht, und unaufhaltsam rannten sie einer anderen Herde zu, die ebenfalls von panischem Schrecken ergriffen das Weite suchte.
Gale СКАЧАТЬ